Vielmachglas

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Obwohl Regisseur Florian Ross mit dem Road Movie „Vielmachglas“ erst sein Kinodebüt vorlegt, stehen einige heimische Stars vor der Kamera. Kino-Darling Matthias Schweighöfer fungiert bei der Warner-Produktion nämlich als Mit-Produzent und das Skript stammt vom „Nanny“-Autor Finn Christoph Stroeks. Die Hauptrolle als unentschlossene Anfang 20-jährige spielt die aus „Fack Ju Göhte“ bekannte Jella Haase, in weiteren Rollen treten unter anderem Schweighöfer selbst, Marc Benjamin („Unsere Zeit ist jetzt“) und Juliane Köhler („Aimée & Jaguar“) auf. Mit Hochglanzaufnahmen, reichlich Musikbeschallung und unkomplizierten Lebensweisheiten bietet die tragikomische Deutschlandreise solide Mainstream-Unterhaltung.

Webseite: warnerbros.de

Deutschland 2018
Regie: Florian Ross
Drehbuch: Finn Christoph Stroeks
Darsteller/innen: Jella Haase, Marc Benjamin, Matthias Schweighöfer, Emma Drogunova, Juliane Köhler, Uwe Ochsenknecht, Jasmin Lord
Laufzeit: 120 Min.
Verleih: Warner Bros.
Kinostart: 8. März 2018

FILMKRITIK:

Marleen (Jella Haase), Anfang 20, steckt in einer ausgewachsenen Sinnkrise. Weil sie keinen Schimmer hat, was sie studieren soll, jobbt sie lieber weiter im Kino. Ihre Eltern Doris (Juliane Köhler) und Peter (Uwe Ochsenknecht) missbilligen die Untätigkeit, zumal Marleens großer Bruder Erik (Matthias Schweighöfer mit Dreadlocks, Tattoos und Kunstbräune) der Schwester doch vormacht, was alles so geht. Der Globetrotter bereist alle Kontinente und firmiert seit neustem auch noch als Buchautor. Nach einem familiären Unglück will die trauernde Marleen in den Fußstapfen ihres Bruders von Hamburg aus per Schiff in die Antarktis reisen. Doch dafür muss sie erstmal quer durch Deutschland in die Hansestadt gelangen...

Wie bei Road Movies üblich, absolviert Marleen verschiedene Stationen und wächst bei jedem Reiseabschnitt ein kleines Stück weiter über sich hinaus. Ohne Geld kann sie nicht per Fernverkehr reisen, sondern muss improvisieren. Als Erste springt ihr dabei die ausgeflippte YouTuberin Zoë (Emma Drogunova) beiseite, die mit ihrer kessen „Hier bin ich“-Art so ziemlich das Gegenteil von Marleen darstellt. In einer Reihe teils unwahrscheinlicher Aktionen rettet Marleen eine Ziege vor der Verfütterung an einen Tiger, attackiert mit einem Tennisschläger ein Wespennest und wandert nach einer Kneipenschlägerei kurzzeitig ins Kittchen. Die abenteuerliche Note der Reise markiert den roten Faden, denn schließlich will Marleen in Anlehnung an den Lifestyle ihres Bruders endlich mal etwas Ungewöhnliches wagen.

Tatsächlich erlebt Marleen kleinere und größere Abenteuer, ohne es selbst zu bemerken. Zu sehr in ihre innere Blockade verstrickt, braucht sie für die Selbstwertstärkung Unterstützung von außen. Die liefert der von Marc Benjamin gespielte Fotograf Ben. Nach einem ersten Zufallstreffen kreuzt der gute Zuhörer noch zweimal unerwartet Marleens Weg und redet seiner Mitfahrerin therapeutisch ins Gewissen. Dass beide füreinander bestimmt sind, ahnt das Publikum – wie so oft – lang vor den Figuren.

In formaler und erzählerischer Hinsicht will Florian Ross möglichst das komplette Publikum zufrieden stellen. Die handwerklich einwandfreien Bilder strengen nie an, die Handlung bleibt eindeutig und simpel, die Lebensweisheiten muntern auf. Jella Haase und Marc Benjamin tun sich schwer mit den seichten Figuren, verleihen dem Road Movie mit ihrem guten Zusammenspiel aber einen gewissen Unterhaltungsfaktor.

Recht nervenzehrend fällt indes der omnipräsente Klangteppich aus, der die Szenen wie Sirup verklebt und sicherstellt, dass die ohnehin unmissverständliche Geschichte nicht den Hauch einer Vieldeutigkeit entwickelt. So taugt der tragikomische Film als geschniegelter Mainstream-Beitrag für einen anstrengungsfreien, geistig entspannenden Kinobesuch.
 
Christian Horn