Wandlungen – Richard Wilhelm und das I Ging

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In ihrer Dokumentation „Wandlungen – Richard Wilhelm und das I Ging“ begibt sich Bettina Wilhelm auf die Spuren ihres Großvaters Richard Wilhelm, der Ende des 19. Jahrhunderts als Missionar nach China reiste. Dort machte sich Wilhelm mit den traditionellen Texten der chinesischen Philosophie vertraut, durch deren Übersetzung er auch heute noch anerkannt ist.

Webseite: www.wandlungen-I-Ging-der-film.com

Schweiz 2011
Regie, Buch: Bettina Wilhelm
Dokumentation
Länge: 87 Minuten
Verleih: Film Kino Text
Kinostart: 17. November 2011

PRESSESTIMMEN:

Bettina Wilhelm … inszeniert ihre Dokumentation besonnen, klug, poetisch, inspiriert und nicht überfrachtet. Eine kleine Einführung ins I-GING, ein Portrait eines wahren Missionars, ein beseelter Blick aufs Gestern und Heute. Wundervoll.
Choices

Ein schöngeistiger Kulturfilm, der einen faszinierenden Stoff … konsumierbar macht. StadtRevue

Die von Schauspieler Sylvester Groth gelesenen Tagebuch-Passagen und die unzähligen zeitgenössischen Archivbilder aus dem China zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts vermitteln einen sinnfälligen Eindruck von der Faszination, der Richard Wilhelm damals erlegen sein muss.
Filmdienst

FILMKRITIK:

Im Jahre 1899, als das Reisen noch aufregende Entdeckungen weitestgehend unbekannter Regionen der Erde versprach, machte sich der damals 26jährige Theologe Richard Wilhelm auf die lange Reise nach China. Sein Ziel war die Provinzhauptstadt Qingdao, die zu jener Zeit deutsches Pachtgebiet war. Doch als Missionar wirkte Wilhelm nicht, keinen einzigen Chinesen taufte er in seinem Leben. Stattdessen entdeckte er die Lehren der chinesischen Philosophie und begann sie mit Hilfe einheimischer Lehrer zu übersetzen. Die daoistischen Lehren des Laotse, vor allem aber das tausende Jahre alte „I Ging – Das Buch der Wandlungen“. Wilhelms Übersetzungen, die nicht so sehr durch ihre Präzision überzeugten, als durch ihre freie Übersetzung in allgemeinverständliches Deutsch, wurden weltberühmt und bildeten die Basis für Übertragungen in zahlreiche dritte Sprachen. Vor allem die Übersetzung ins englische sorgte für die Verbreitung des „I Ging“ in der westlichen Kultur, die bis heute andauert.

Während des ersten Weltkriegs musste Wilhelm China mit seiner Familie verlassen und unterrichtete fortan chinesische Geschichte und Philosophie in Frankfurt am Main. Seine anfängliche Missionstätigkeit sah Wilhelm immer kritischer. Zunehmend wandte er sich gegen einen eurozentristischen Blick auf China und bemühte sich stattdessen um eine Verbindung östlicher und westlicher philosophischer Traditionen. Deren Ähnlichkeit bemerkte nicht zuletzt Wilhelms guter Freund C.G. Jung, mit dem ein reger Austausch über Aspekte des Unterbewussten stattfand, die sowohl einen essentiellen Teil des „I Gings“ als auch von Jungs Theorien darstellen. 1930 starb Wilhelm an einer zu spät erkannten Tropenkrankheit.

Gut 80 Jahre später begibt sich die Regisseurin Bettina Wilhelm auf die Spuren ihres Großvaters, von dem sie nur die wenigen erhaltenen Bildern und vor allem seine Übersetzungen kennt. Womit gleich das größte Manko des Films angedeutet ist: Es gibt über Wilhelms Leben augenscheinlich nicht furchtbar viel zu sagen, was den Film zumindest in dieser Hinsicht etwas ereignisarm macht. Wenn sie das Leben ihres Großvaters nacherzählt beschränkt sich Bettina Wilhelm auf das Zeigen einiger Photos und das andächtige Betrachten einer Büste, die zu seinen Ehren errichtet wurde.

Wesentlich aufschlussreicher sind da die Interviews mit Sinologen, die Richard Wilhelms Bedeutung für die Erschließung der chinesischen Philosophie einordnen. Die komplexen Lehren des „I Ging“ oder des „Tao de Kings“ lassen sich in den wenigen Minuten einer Dokumentation zwar nur anreißen. Doch allein zu hören welch unterschiedliche Persönlichkeiten im Westen, sich mit ihnen beschäftigt haben, von ihnen beeinflusst wurden, deutet an, mit welch universellem philosophischem Werk man es hier zu tun hat. Wenn ein Buch schließlich sowohl C.G. Jung als auch Bob Dylan beeinflusst, sind seine Qualitäten nicht zu bestreiten. So ist „Wandlungen – Richard Wilhelm und das I Ging“ vor allem darin erfolgreich, neugierig auf eine weitergehende Beschäftigung mit der chinesischen Philosophie zu machen.

Michael Meyns

Richard Wilhelm (1873-1930) war Missionar, Schulgründer, Lehrer, Universitätsprofessor, Diplomat – in erster Linie aber ein Suchender, und zwar nach über alle unterschiedlichen Kulturen hinaus bleibenden Werten, Weisheiten und Wahrheiten, die die geschichtlichen „Wandlungen“ überdauern. Dass er die letzte Weisheit gefunden hätte, lässt sich sicherlich nicht sagen, aber immerhin hat er sich sein ganzes Leben mit diesen Fragen auseinandergesetzt.

Doch zuerst einmal etwas einfacher: 1899 ging Wilhelm nach Qingdao (China). Das Land war damals „Pachtgebiet“ der europäischen Kolonialmächte und Japans. Unruhen, Boxeraufstand, erster Zusammenbruch des chinesischen Kaiserreichs – eine aufgewühlte Zeit. Wilhelm hatte Frau und Kinder, blieb bis 1920 in China. In Europa dann Kontakte mit Hermann Hesse, Albert Schweitzer oder C.G.Jung. Später kehrte er noch einmal für zwei Jahre zurück.

Seine Lebensleistung bestand darin, die Jahrtausende alte chinesische Kultur früh dem Westen zugänglich zu machen. Er sprach perfekt Mandarin und übersetzte Konfuzius, Laotse, die wichtigsten Texte des Daoismus – vor allem aber das „I Ging“, das Buch der Wandlungen. Dieses war ursprünglich ein Orakelbuch, schon vor Jahrhunderten von den Kaisern befragt. Durch die Erkenntnisse und Kommentare der Philosophen des Landes wurde es erweitert und gewann im Laufe der Zeit den Stellenwert einer Bibel. (Die deutschen Texte werden auch hierzulande immer wieder aufgelegt.)

Richard Wilhelms Kernthese: Die intensive und ständige Suche nach dem Sinn, nach der Weisheit, nach der Wahrheit, nach
Hypothesen, nach den Elementen der Natur, nach den acht Symbolen, die den Grundstein des I Ging bilden, hilft dem Menschen, mit den „Wandlungen“ umzugehen und das eigene Leben zu bestehen.

Die Regisseurin Bettina Wilhelm ist Richards Enkelin. Sie erinnert an ihren Großvater, setzt ihm mit diesem Film ein kleines Denkmal, lässt interessante Blicke auf die frühere Geschichte eines Landes zu, das immer mehr an Bedeutung gewinnt, weist auf die Wichtigkeit der Verbindung philosophischer Strömungen hin und illustriert mit der Vermischung vieler alter und neuer Bilder und Filmaufnahmen die zeitlichen „Wandlungen“, denen es existenziell standzuhalten gilt.

Ein Andenken an einen für das Verhältnis zwischen Europa und China bedeutenden Gelehrten in Form eines informativen Dokumentarfilms für Interessierte.

Thomas Engel