Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war

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Nach dem autobiografischen Roman von Bestseller-Autor Joachim Meyerhoff erzählt Sonja Heiss die seltsame Geschichte eines Kindes, das mit seinen beiden Brüdern auf dem Gelände einer Kinder- und Jugendpsychiatrie aufwächst. Papa Richard ist der gutmütige Direktor der Anstalt. Mit seinen diversen Schrulligkeiten könnte er freilich auch als Patient taugen. Liebevoll schildert das Coming-of-Age-Drama die Geschichte von Joachim im Alter von sieben, 16 und schließlich 25 Jahren. Dessen junge Darsteller präsentieren die sensible Figur mit großer Glaubwürdigkeit. Einmal mehr erweist sich Komplizen-Film, die Produktionsfirma von Maren Ade, als Talentschuppen für ambitioniertes Arthaus-Kino der unterhaltsamen Art.

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D 2022
Regie: Sonja Heiss
Darsteller: Devid Striesow, Laura Tonke, Arsseni Bultmann, Merlin Rose, Camille Loup Moltzen, Pola Geiger
Filmlänge: Minuten
Verleih: Warner Bros. Pictures Germany
Kinostart: 23.Februar 2023

FESTIVAL: 73. Berlinale 2023

FILMKRITIK:

Anno 1974 wird der kleine Zappelphilipp wieder einmal zur Beruhigung auf die rüttelnde Waschmaschine gesetzt wird. „Wasserkopf“ wird Joachim (Camille Loup Moltzen) von seinen Geschwistern abschätzig genannt. Die schrecklich nette Familie hat so einige Baustellen zu meistern. Das geringste Problem ist dabei noch der ungewöhnliche Wohnort, nämlich auf dem Anwesen einer großen psychiatrischen Klinik, die Joachims Vater leitet. So souverän der Professor mit seinen Patienten umgeht, so verschroben wirkt er als Familienoberhaupt. Gern zieht er sich schweigsam in seinem Lesesessel zurück. Falls Papa sich doch einmal zu sportlichen Aktivitäten aufrafft, scheitern diese Bemühungen kläglich. Selbst das Segeln fällt wegen seiner Seekrankheit ins Wasser. Dass der Ministerpräsident beim Besuch der Klinik in eine ausgesprochen peinliche Lage gerät, ist freilich nicht seine Schuld. Während bei den Eltern es in der Beziehung kriselt, hat sich Joachim total verknallt in die gleichaltrige Patientin Marlene.

Schwenk in das Jahr 1983, Teenager Joachim wird nun von Arsseni Bultmann verkörpert, der seine Sache mit enormer Leinwandpräsenz meistert. Während der Professor weiterhin heimlichen Affären frönt, freut sich der Sohn über die überraschende Rückkehr von seinem einstigen Schwarm. Nach einem Suizidversuch wird Marlene einige Zeit bei der Familie wohnen. Besorgt räumt Joachim sofort alle Tabletten und Rasiermesser dem Haus. Irgendwann kommt es zum ersten Kuss der schwer verliebten Teenager, begleitet vom Grauzone-Hit „Ich möchte ein Eisbär sein.“ Vom Sohn mit dem Fremdgehen konfrontiert, erwidert der Vater lakonisch: „Es gibt Dinge, die du tust, die mich nichts angehen, und es gibt Dinge, die ich tue, die dich nichts angehen.“ Mit Sprüchen ist es freilich längst nicht mehr getan. An Weihnachten eskaliert die Situation dramatisch als Mutti als Geschenk ein elektrisches Küchenmesser bekommt.

Im dritten Kapitel schließlich ist Joachim (Merlin Rose) 25 Jahre alt. Die Eltern leben getrennt. Der Vater leidet an einer schweren Krankheit. Zu seinem Geburtstag treffen sich alle noch einmal. Vieles hat sich mittlerweile ganz entscheidend verändert. Der junge Held hat die titelgebende Hoffnung: Es wird endlich wieder so, wie es nie war

So ungewöhnlich die autobiografische Familiengeschichte der 70er und 80er Jahre klingt, so tragikomisch bewegend und vergnüglich wird sie erzählt. Die Psychologie der Figuren gerät so stimmig wie die liebevolle Retro-Ausstattung. Immer wieder schlägt die Handlung gekonnte Haken und für regelmäßige Überraschungsmomente. Sensibel werden die ernsten Themen behandelt, ob Suizid, Unfalltod oder unheilbare Krankheit. Für den notwendigen Ausgleich sorgt der angenehm unangestrengte Humor. Dessen Spektrum reicht vom banalen Slapstick (bei dem der eitle Politiker in den Schlamm fällt) bis zum feinsinnigen Wortwitz (bei dem der Wellensittich Erwin Lindemann heißt, wie einst der legendäre Lottogewinner von Loriot).

Als Sahnehäubchen erweist sich das exzellente Ensemble. Der traditionell starke Devid Striesow präsentiert sich als lakonischer Vater in Bestform. Mit eindrucksvoller Leinwandpräsenz überzeugt Arsseni Bultmann als sein empfindsamer Teenager-Sohn. Regisseurin Sonja Heiss („Hedi Schneider steckt fest“) gelingt mit gutem Gespür für Tempo und Timing eine visuell einfallsreiche, unterhaltsame Verfilmung des populären Romans über das Erwachsenwerden. Einmal mehr erweist sich Komplizen-Film, die Produktionsfirma von Maren Ade, als Talentschuppen für ambitioniertes Arthaus-Kino der unterhaltsamen Art.

Dieter Oßwald