Was Tun

Was soll, was kann, was muss man angesichts des Elends, das in vielen Teilen der Welt herrscht, tun? Der Münchner Dokumentarfilmstudent Michael Kranz stellt sich diese Frage mit seinem Film „Was tun“ selbst und beantwortet sie auf eine Weise, die viele weitere Fragen aufwirft: Nach westlichen Helfersyndrom, der Ethik des Dokumentarfilms, dem Narzissmus des Gutmenschen.

Website: https://filmperlen.com/filme/was-tun/

Deutschand 2020
Regie: Michael Kranz
Dokumentarfilm
Länge: 73 Minuten
Verleih: Filmperlen
Kinostart: 03.03.2022

 

Über den Film

Originaltitel

Was Tun

Deutscher Titel

Was Tun

Produktionsland

DEU

Filmdauer

72 min

Produktionsjahr

2020

Produzent

Kranz, Michael

Regisseur

Kranz, Michael

Verleih

Starttermin

02.03.2022

 

FILMKRITIK:


Eine Szene aus einem Dokumentarfilm wird Ausgangspunkt für einen weiteren: In Michael Glawoggers „Whore’s Glory“ sieht der junge Filmstudent Michael Kranz eine Szene, in der eine sehr junge Prostituierte in Bangladesch interviewt wird und am Ende des Gesprächs den Spieß umdreht: Auf einmal stellt sie Fragen, weniger an ihr Gegenüber hinter der Kamera, sondern mehr an sich und die Welt, in der sie lebt. Gibt es für sie, die unter Zwang und unmenschlichen Umständen der Prostitution nachgeht, einen Ausweg? Kann jemand ihr helfen, ein besseres, ein menschenwürdigeres Leben zu führen?

Normalerweise würde die Zielgruppe von Glawoggers Film diese Szene sehen, vermutlich mitfühlen, sie vielleicht beim Wein nach dem Film diskutieren und sich fragen, ob man da nicht was machen könnte, nur um resigniert zu sagen, dass man da eben nichts machen kann. Nicht so Michael Kranz, der diese Szene zum Anlass nahm, selbst nach Bangladesch zu fliegen, das Mädchen zu suchen, um – ja was eigentlich? So genau weiß Kranz das zu Beginn seines Films, der seine Abschlussarbeit an der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film war, selbst nicht. Ein nachdenkliches Voice Over zieht sich durch den Film, kommentiert das Geschehen, versucht Antworten zu geben, zumindest anfangs.

In Faridpur landet Kranz, wo sich eines der bekanntesten Rotlichtviertel Bangladeschs befindet, das schon etliche westliche Regisseure angezogen hat, die hier vom Elend in einem der ärmsten Länder der Welt erzählen wollten. Hier eine ganz bestimmte Prostituierte zu finden scheint kaum möglich, doch Kranz gelingt es mit erstaunlicher (auch realistischer?) Leichtigkeit.

Nupur heißt das Mädchen aus Glawoggers Film, dass von einer Ausbildung zur Kosmetikerin träumt. Sie und andere Prostituierte, aber auch Straßenkinder und andere Ausgestoßene aus der Gesellschaft trifft Kranz. Dass man angesichts des hier herrschenden Elends, der Ungerechtigkeit, des Missbrauchs helfen will ist eine normale Reaktion. Ob eine punktuelle Hilfe, ein paar Geldgeschenke, ein Moment der Aufmerksamkeit hilft, nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist oder gar kontraproduktiv, wie Kritiker von allzu gutmenschelnden westlichen NGOs bisweilen bemängeln, sind Fragen, die auch Kranz sich stellt.

Zumindest ansatzweise, denn bald wird er von seinem eigenen Elan, dem Drang, zu helfen, mitgerissen und zeigt bald nur noch sich selbst, wie er in der Rolle des weißen Retters aufgeht, der mit Kamera und verhältnismäßig viel Geld in ein bitterarmes Land kommt und Gutes tut.

Bald erwächst die Idee, ein Kinderheim zu gründen, per facebook-Aufruf werden erste Spendensummen gesammelt, eine Hütte gefunden, in der schnell die ersten Straßenkinder ziehen, die hier zumindest ein Dach über dem Kopf haben und regelmäßig zu Essen bekommen.

Ob ihnen langfristig geholfen werden kann bleibt offen, denn sobald der Geldstrom aus dem Westen ins Erliegen kommt, wird auch dieses Hilfsprojekt untergehen, das ist klar. An der grundsätzlichen Situation im Land ändert sich nichts, aber muss dass das Ziel sein? Das Kranz das ehrliche Bedürfnis verspürte, zu helfen, kann man ihm nicht absprechen, dass er sich in seinem eigenen Film „Was tun“ als typischer westlicher Gutmensch inszeniert, ebenso wenig. Zumindest in Momenten wird dieser Gestus durch den Voice Over-Kommentar abgeschwächt, der das eigene Handeln reflektiert und in Frage stellt. Zumindest zu Beginn, denn irgendwann scheint Kranz sich ganz dem Sog des Machens hingegeben zu haben, dem Gefühl, Gutes zu tun. Dass am Ende ein Kinderheim entstand, ist fraglos gut, doch über dem selbst tun gibt Michael Kranz zunehmend seinen selbstreflexiven Duktus auf und genügt sich darin, sich selbst beim Tun zu zeigen. Wobei „Was tun“ in diesem Kreisen um die eigene Person natürlich auch wieder sehr zeitgemäß ist, wenn auch vielleicht unfreiwillig.

Michael Meyns

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