Was uns hält

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Manche Filme erzählen vom Beginn, andere vom Ende einer Beziehung. Daniele Luchettis „Was uns hält“, der im Corona-Jahr 2020 die Fimfestspiele von Venedig eröffnete, erzählt davon, wie eine Beziehung fast scheitert, ein Paar trotz Untreue zusammenbleibt – und welche Folgen das hat. Ganz kann der Film seine literarische Herkunft nicht verbergen, am Ende sind es vor allem die Schauspieler, die das Drama sehenswert machen.

Lacci
Italien 2020
Regie: Daniele Luchetti
Buch: Daniele Luchetti, Francesco Piccolo, Domenico Starnone, nach dem Roman „Und immer verbunden“ von Domenico Starnone
Darsteller: Alba Rohrwacher, Luigi Lo Cascio, Laura Morante, Silvio Orlando, Giovanna Mezzogiorno, Adriano Giannini, Linda Caridi

Länge: 100 Minuten
Verleih: Film Kino Text
Kinostart: 20. Juni 2024

FILMKRITIK:

Anfang der 80er Jahre leben Aldo (Luigi Lo Cascio) und Vanda (Alba Rohrwacher) in Neapel, eine oberflächlich betrachtet glückliche Beziehung mit den beiden Kindern Anna und Sandro. Aldo arbeitet beim Radio, moderiert eine Sendung, in der er klug über Bücher erzählt und darüber, was sie über das Leben, das Verhältnis von Mann und Frau erzählen. Im wirklichen Leben ist er allerdings deutlich weniger gut darin, die Zeichen zu lesen. Er hat eine Affäre mit seiner jungen, sehr hübschen Kollegin Lidia (Linda Caridi), eine Affäre, die er seiner Frau bald gesteht.

Für eine Zeit lebt Aldo nun in Rom bei Lidia, doch ganz kann und will er nicht von seiner Familie lassen. Besuche bei Vanda und den Kindern sind wichtig aber schmerzhaft und dann springt die Erzählung in die Gegenwart. Ein älteres Ehepaar sind Vanda und Aldo (jetzt gespielt von Laura Morante und Silvio Orlando) nun, die Kinder Anna (Giovanna Mezzogiorno) und Sandro (Adriano Giannini) sind erwachsen und haben mit eigenen Problemen zu kämpfen.

Hat das Paar die Affäre Aldos überwunden? Oder nur durchgestanden, ertragen, hingenommen, ohne über ihre Konsequenzen, gerade auch für die nächste Generation nachgedacht zu haben?

Man merkt Daniele Luchettis Film an, dass er eine literarische Vorlage hat. Keine dichte Erzählung ist „Was uns hält“, sondern mäandernd, lose Episoden aneinanderreihend, die Jahre, die Jahrzehnte überspringend. Die Vorlage ist ein Roman des italienischen Autors Domenico Starnone, der auch am Drehbuch mitschrieb. In Deutschland erschien er unter dem Titel „Auf immer verbunden“, was auch ein guter Titel für einen Film gewesen wäre, der sich eine schwierige Aufgabe stellt.

Denn nicht um konkrete Ereignisse geht es, nicht ums Verlieben oder Verlassen, sondern um das Zusammenbleiben, trotz allem. Viel psychologischer, viel unterschwelliger ist dieser Ansatz eines Beziehungsfilms, viel weniger konkret, dadurch flüchtiger und schwieriger in einer nur 100 Minuten kurzen Erzählung zu fassen. Um den Umgang mit Untreue geht es in „Was uns hält“, um den Versuch, eine Beziehung trotz allem am Leben zu erhalten, auch um der Kinder wegen, um Kompromisse, um unvorhergesehene Folgen, gerade auch für die nächste Generation.

Einige abrupte Zeitsprünge sind nötig um all das zu erzählen oder zumindest anzudeuten. Eine durchgehende Entwicklung gibt es hier nicht, stattdessen Momentaufnahmen, Szenen einer Ehe, aber auch Szenen von Kindern, die durch das Verhalten ihrer Eltern nicht unbedingt traumatisiert, aber doch geprägt wurden. Die Form bedingt, das „Was uns hält“ als Film nicht ganz rund wirkt, episodisch wirkt. Aber viele Momentaufnahmen überzeugen durch ihre Authentizität, gerade Szenen in den frühen 80ern, wenn das von Luigi Lo Cascio und Vanda Alba Rohrwacher gespielte Paar mit seiner Untreue umzugehen versucht und begreifen muss, dass das Leben nicht so einfach zu fassen ist, wie die Bücher, die Aldo in seiner Radiosendung analysiert.

 

Michael Meyns