Watching you – Die Welt von Palantir und Alex Karp

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„Meine Arbeit ist so geheim, dass ich selbst nicht weiß, was ich tue“, stand auf einem Schild, das man sich früher an die Bürotür hängte, wenn man einen Gag machen wollte. Bei dem amerikanischen Unternehmen Palantir ist dieser Spruch in gewisser Weise Programm und überhaupt nicht witzig gemeint. Klaus Stern hat dem geheimnisumwitterten Unternehmen und seinem CEO Alex Karp, genannt „Big Brother“, einen kompletten Dokumentarfilm gewidmet, um mehr über ihn und sein Unternehmen herauszufinden. Das ist ihm letztlich nicht gelungen, aber das beredte Schweigen, das er eingefangen hat, sagt letztlich mehr als tausend Worte auf der Tonspur …

Webseite: https://filme.kinofreund.com/f/watching-you-die-welt-von-palantir-und-alex-karp

Deutschland 2024
Buch und Regie: Klaus Stern
Kamera: Thomas Giefer
Musik: Michael Gadelbach

Länge: 98 Minuten
Verleih: Real Fiction
Start: 6. Juni 2024

FILMKRITIK:

Ungefähr zwanzig Jahre lang war die Firma Palantir – benannt nach den „sprechenden Steinen“ aus Tolkiens „Herr der Ringe“ – beinahe ein typisches Start-Up aus dem CIA-Dunstkreis. Ein Unternehmen, das „irgendwas mit Meta-Daten“ machte, niemals profitabel war und nur dank großzügiger Subventionen der US-Regierung am Leben blieb. Wohlgemerkt: beinahe – denn bei Palantir gab es einen Mann, der den Unterschied machte, den Firmenchef Dr. Alex Karp, eine der schillerndsten Figuren dieses … hm … aber in welcher Branche arbeitet „Palantir“ eigentlich? Was macht diese Firma? Was verkauft Dr. Alex Karp seinen Kunden, die meist zur politischen und wirtschaftlichen Weltspitze gehören?

Das möglicherweise wichtigste Produkt von Palantir ist „Gotham“, eine Software zur Analyse gigantischer Datenmengen. Mit den Algorithmen dieses Programms können Verbrecher und Terroristen zuverlässig aufgespürt werden, deshalb zählen die Polizeibehörden zahlreicher Länder zu den besten Kunden Palantirs. Die Kehrseite der Medaille ist, dass man mit der gleichen Software auch ganz normale Menschen überwachen und ausspionieren kann und das letztendlich auch tun muss, um die Spreu vom Weizen bzw. den Terroristen vom unbescholtenen Bürger zu trennen.

Darüber sprechen die Anwender der Software natürlich nicht gern – lediglich ein US-General überrascht mit dem grundehrlichen Satz „Wir töten Menschen auf der Basis von Metadaten.“ Doch auch die Hersteller selbst, die ihre Software überall auf der Welt erfolgreich vermarkten, sind zu keiner direkten Äußerung über die Arbeitsweise ihres Produkts zu bewegen. Firmenchef Karp erweist sich dabei als Weltmeister im Nichtbeantworten einfacher Fragen: Der studierte Geisteswissenschaftler und Zigarren-Aficionado gibt gern den linksliberalen Alt-Hippie, lächelt gewinnend jeden Investigativ-Journalisten weg, dampfplaudert eine Anekdote nach der anderen daher und versprüht spitzbübischen Charme wie eine Gute-Laune-Sprinkler-Anlage. „Entwaffnend“ ist das Wort, was einem zu Dr. Karp als erstes einfällt, obwohl seine Firma haargenau das Gegenteil macht.

In diesen Dr. Karp hat sich der Filmemacher Klaus Stern sieben Jahre lang förmlich verbissen. Doch trotz der langen Recherche und vielen vergeblichen Versuchen, mit Karp in ein echtes Gespräch zu kommen, ist es ihm nicht wirklich gelungen, einen Blick unter die Schale der verschlossenen Auster namens Palantir zu werfen oder sie gar aufzuknacken. Was Palantir eigentlich macht und was Alex Karp eigentlich will, bleibt auch nach knapp 100 sehr unterhaltsamen Doku-Minuten ein Rätsel.

Doch die Erkenntnis, dass niemand zugeben will, was ein Unternehmen so alles treibt, dessen Wert an der amerikanischen Börse mit ungefähr 60 Milliarden Euro beziffert wird, wiegt ja durchaus schwer. In Zukunft wird, wer diesen Film gesehen hat, aufhorchen und genauer hinsehen, wenn der Name Palantir fällt. Zumindest bei Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat das mittlerweile schon geklappt. Am Ende des Films erfährt man, dass sie den bundesweiten Einsatz von Palantir-Software 2023 gestoppt hat.

 

Gaby Sikorski