We want sex

Zum Vergrößern klicken

Mit seiner britischen Sozialkomödie „We Want Sex“ - was sich auf "We want sexual equality" bezieht - glückt Regisseur Nigel Cole eine unwiderstehliche Hymne auf den Kampf der englischen Arbeiterinnen von Dagenham Ende der 60er Jahre. Pulsierendes Zentrum seiner Hommage an weibliche Zivilcourage ist Berlinale-Gewinnerin und „Happy-Go-Lucky“- Star Sally Hawkins. Das freche Feel-Good-Movie um den erfolgreichen Streik der Frauen für gleichen Lohn funktioniert mit seinen sorgfältig komponierten detailgetreuen Bildern auch als ermutigende, packende Geschichtsstunde. Charmanter Agitprop, humorvoll, witzig und unsentimental inszeniert, ein sehenswerter Frauenfilm, der selbst ein männliches Publikum nicht kalt lassen dürfte.

Webseite: www.wewantsex-derfilm.de

Großbritannien 2010
Regie: Nigel Cole
Darsteller: Sally Hawkins, Miranda Richardson, Bob Hoskins, Rosamund Pike, Rupert Graves
Drehbuch: Billy Ivory
Länge: 113 Minuten
Verleih: Tobis Filmverleih
Kinostart: neu 13.1.2011
 

PRESSESTIMMEN:

...jeder weiß von Anfang an, dass am Ende das Gute siegen wird. Dazwischen muss man als Zuschauern nur lachen, weinen und mitfiebern. Es ist eine Freude.
Spiegel Online

Nigel Cole liefert mit "We want Sex" ein kleines Wunder ab: einen politischen Film mit Humor, eine feine Studie über den diskreten Charme der Emanzipation und ein ironisches Lehrstück zum fragilen Wert der Solidarität.
STERN

Gelungener Powerfrauen-Spaß zum Wohlfühlen.
BRIGITTE

Eine erfrischende Mischung aus Sozialdrama und Komödie, gekrönt vom Sieg der Gerechtigkeit. ...zum Liebhaben: Sally Hawkins.
DER SPIEGEL

Eine Hommage an die Streikenden von Dagenham, leicht erzählt und vergnüglich. Selten war Geschlechterkampf so unterhaltsam.
ZDF Aspekte

FILMKRITIK:

Swinging Sixties in England: Mary Quant, Minirock, Hot Pants, Beat und Rebellion. Ein aufregendes Jahrzehnt im Aufbruch. Wenige Meilen von der flippigen Londoner Carnaby Street entfernt, im industriellen Herzen von Essex, scheint die Welt freilich noch in Ordnung. Schwitzend über ihre ratternden Singer-Nähmaschinen gebeugt schuften die Arbeiterinnen im britischen Ford-Werk Dagenham in der stickigen Fabrikhalle. Auch die junge Mutter Rita O'Grady (Sally Hawkins) näht im Akkord eifrig Polsterbezüge aus Lederflicken.

Das ändert sich jedoch bald. Denn bei einem Meeting in der Chefetage platzt der braven Ehefrau der Kragen. Empört erlebt sie, wie das stocksteife Management, allen voran Karrierist Peter Hopkins (Rupert Graves), die Arbeit der Frauen als unqualifiziert bezeichnet, um den Lohn drücken zu können. Noch ahnt sie nicht was dahintersteckt. „Frauen stehen immer erst an zweiter Stelle“, klärt Vorarbeiter Albert Paddingtam (Bob Hoskins) die Verunsicherte auf. Die Unsitte, Frauen generell schlechter zu bezahlen als Männer, sei landesweit verbreitet. Der väterliche Gewerkschafter ermutigt Rita, für ihre Rechte zu kämpfen.

Streik lautet von nun an ihre Parole, zunächst gegen den Willen der Gewerkschaftsleitung. Damit treffen die couragierten Frauen, ohne es zu ahnen, ihre Bosse empfindlich. Denn nach der fast schon antiquierten Devise „Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will“ läuft in der gesamten Produktion nichts mehr. Auch ihre Männer, die in der Fabrik arbeiten, werden nach Hause geschickt. Deren Begeisterung hält sich jedoch in Grenzen. Besonders Ritas Ehemann Eddie (Daniel Mays) versteht die Welt nicht mehr. Und selbst aus den USA reist Konzernchef Robert Tooley (Richard Schiff) an, um zu verhindern, dass sich dieser Flächenbrand noch mehr ausbreitet.

Zu spät. Über Klassenschranken hinweg reicht die Solidarität bereits. Upper-Class Lady Lisa Hopkins (Rosamund Pike) verbündet sich hinter dem Rücken ihres Ehemanns, der sich die hochqualifizierte, intelligente Literaturwissenschaftlerin als repräsentatives Anhängsel und Trophäe hält, mit ihrer Geschlechtsgenossin Rita. Zu allem Überfluss bekommen die Frauen unerwartet Unterstützung von ganz oben. Barbara Castle (Miranda Richardson), die eloquente, rothaarige Staatssekretärin der Labour Party aus dem Arbeitsministerium, bekannt für ihre impulsive Art, mischt sich ein. Damit hatte freilich niemand gerechnet. Am wenigsten die Frauen selbst. Zu den humoristischen Glanzlichtern des Films zählt sicherlich die perfekte Inszenierung dieser ungewöhnlichen Einladung der weiblichen Streikdelegation ins Regierungsgebäude.

Die Verve, mit der Miranda Richardson hinter den Kulissen ihren aufgeschreckten männlichen Sekretären den Kopf wäscht und Sally Hawkins währenddessen der arroganten Reportermeute scharfzüngig Paroli bietet, ist ein Genuss. Bei so viel Leinwandpräsenz kann es sich Regisseur Nigel Cole leisten, auf große Kamerafahrten oder ganz besonders ausgefeilte Montage zu verzichten. Faszinierend spiegeln seine Bilder trotzdem die gesellschaftliche Atmosphäre wider. Fabelhaft unterstützt vom peppigen Sixtie-Soundtrack vermeidet seine emotionale Milieustudie, die durch ihre akribische Detailbesessenheit und erfrischenden Retro-Effekt besticht, jeden noch so biederen Anklang einer Sozialreportage. Stattdessen verbreitet seine britische Arbeiterkomödie, ganz im Stil von „The Full Monty - Ganz oder gar nicht“ freche Lebendigkeit. Nie verlieren Drehbuch und Regie ihren beschwingten Schritt.

Der 51jährige schweißt seine Darsteller zu einem ausgezeichneten Ensemble zusammen. Seinen Ruf als Spezialist für warmherzige Komödien löst Nigel nach seinem Kinohit „Kalender Girls“ erneut überzeugend ein. Und so ist der Film, neben allen anderen Qualitäten, eine Meisterleistung der Hauptdarstellerin und Golden Globe-Gewinnerin Sally Hawkins. Wie einst Julia Roberts in „Erin Brokovich“ spielt das 34jährige Londoner Energiebündel eine einfallsreiche und reaktionsschnelle junge Frau – eine Rolle, die ihr fast noch mehr auf den Leib geschrieben scheint als die unverbesserliche Optimistin und chaotische Poppy in Mike Leighs „Happy-Go-Lucky”.

Das unterhaltsame Feel-Good-Movie funktioniert mit seinen sorgfältig komponierten Bildern sowohl als packende Geschichtsstunde eines historischen Wendepunktes als auch als Hommage an weibliche Zivilcourage. Die konsequente Haltung der britischen Arbeiterinnen ermöglichte letztlich in Großbritannien den 'Equal Pay Act' von 1970. Getreu dem Motto „Sex sells“ scheint der deutsche Verleih trotzdem den irreführenden Titel „We want sex“ gewählt zu haben. Oder soll einzig der kleine Gag, dass die Frauen in einer kurzen Szene aus Versehen ihr Transparent nicht ganz entfalten und deshalb ihre Parole zu „We want sex“ verkürzt wird, dies rechtfertigen? Wie dereinst bei dem poetischen Psychodrama „Female Perversions“ mit der schottischen Jarman-Heroine Tilda Swinton werden damit verkehrte Erwartungen geweckt. Gar mancher könnte sich so im falschen Film wähnen.

Doch sei´s drum. Die mit trockenem Galgenhumor exzellent gewürzte Sozialkomödie wird ihr Publikum finden. Schließlich besitzen derart Mut machende Settings in Zeiten ungezügeltem Neoliberalismus und Globalisierung Seltenheitswert. Ausnahmen wie „Bread and Roses“ von Altmeister Ken Loach bestätigen hier die Regel. Außerdem steht das Thema immer noch auf der Agenda, wie selbst Catherine Deneuve bei der Pressekonferenz zu Ozons neuem Streifen „Potiche“ auf dem diesjährigen Filmfest in Venedig betonte.

Luitgard Koch

Der Filmtitel ist pfiffig gewählt, auch wenn er ein bisschen in die Irre führt. Denn gemeint ist hier nicht Sex, sondern sexual equality, also gleiches Recht für beide Geschlechter.

60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Im britischen Ford-Werk Dagenham nähen die Frauen Sitzbezüge für Autos. Oft haben die Damen nichts anderes an als BH und Unterrock. Also doch „We Want Sex“? Nein. In der Halle ist es so heiß und stickig, dass man es anders nicht aushalten könnte. Jedes Mal, wenn sich ein Kerl nähert, wird ein Warnruf ausgestoßen, und die Frauen ziehen sich etwas über.

Die Crux: Die Frauen verdienen wesentlich weniger als die Männer. Das muss sich ändern. Wie? Mit Streiks.

Rita ist die Anführerin. Und jetzt treten die Frauen in den Ausstand. Nicht nur einmal, sondern mehrere Male. Die Sitzbezüge werden knapp.

Die Gewerkschaftsführer suchen die Wogen zu glätten. Sagen sie. In Wirklichkeit lassen es sich einige gut gehen und kriechen ein paar feige Kerle der Unternehmensführung in den Hintern.

Die Sache fliegt auf. Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Die Dagenhamer Ford-Frauen ziehen nach London zum Demonstrieren. Sie erreichen mit Hilfe der zuständigen Ministerin einen guten Teil dessen, was sie verlangen. Und das Schönste: Ihr Erfolg hat Auswirkungen auch auf andere Länder.

Eine witzige Komödie mit ernstem sozialen Hintergrund, flott in Szene gesetzt. Man schmunzelt und hält zu den Frauen. Dasselbe tut im Film der sympathische Bob Hopkins.

Sally Hawkins, die mehrfach Ausgezeichnete, spielt die Rita. Sie hat ihr Temperament schon bewiesen, sie zeigt es auch hier. Und sämtliche Streik-Damen machen gut mit.

Ein Drama, ebenso komödienhaft wie gesellschaftlich wichtig.

Thomas Engel