Elf Jahre nach seinem bildgewaltigen Alpenwestern „Das finstere Tal“ meldet sich der in letzter Zeit ausschließlich im Fernsehen und im Streaming aktive Österreicher Andreas Prochaska mit einem schaurigen Heimatthriller auf der großen Leinwand zurück. „Welcome Home Baby“, der Eröffnungsfilm der Berlinale-Sektion „Panorama“, besticht mit audiovisuellen Ambitionen – gerade im Kontext des deutschsprachigen Horrorschaffens. Inhaltlich wildert sein surreales Gruselstück allerdings in sehr vertrauten Gefilden und verliert auf der Zielgeraden zunehmend den Fokus.
Über den Film
Originaltitel
Welcome Home Baby
Deutscher Titel
Welcome Home Baby
Produktionsland
AUT,DEU
Filmdauer
115 min
Produktionsjahr
2025
Regisseur
Prochaska, Andreas
Verleih
Wild Bunch Germany GmbH
Starttermin
27.11.2025
Bekannte Horrortropen in eher unerwartete Zusammenhänge zu verpflanzen, kann absolut ergiebig sein, wie das Beispiel „In 3 Tagen bist du tot“ beweist. Der 2006 veröffentliche, von Andreas Prochaska inszenierte und mitgeschriebene Slasher-Streifen transportiert die Gesetzmäßigkeiten der US-amerikanischen Vorbilder in das oberösterreichische Salzkammergut und ringt der Geschichte um eine Gruppe verfolgter Teenager eine gewisse Eigenständigkeit ab. Die zwei Jahre später nachgeschobene, im verschneiten Tirol spielende Fortsetzung „In 3 Tagen bist du tot 2“ wiederum arbeitet sich effektiv am Backwoods-Subgenre ab, jener Horrorausprägung, der Tobe Hooper mit seinem Provinzalbtraum „The Texas Chainsaw Massacre“ (1974), hierzulande auch bekannt als „Blutgericht in Texas“, zum Durchbruch verhalf.
Prochaska hat sich auf abgründigem Terrain schon eifrig ausgetobt, nicht zuletzt in seinen Beiträgen zur psychologisch grundierten Crime-Thriller-Fernsehreihe „Spuren des Bösen“. Mit dem Hinterlandgrusler „Welcome Home Baby“, seiner ersten Kinoarbeit seit dem stimmungsvollen Alpenwestern „Das finstere Tal“, betritt er nun also keineswegs Neuland. Deutlich mehr als in seinen oben genannten Schockern experimentiert er dabei jedoch mit der Bildsprache und dem Toneinsatz, wandelt teils auf den Pfaden von David Lynch und Roman Polański.
Motivisch bereitet schon der Einstieg auf das kommende Unheil vor: Die in Berlin lebende Notärztin Judith (Julia Franz Richter) betreut unter höchstem Zeitdruck eine Schwangere bei einer erstaunlich explizit gezeigten Geburt. Das Thema Mutterschaft wird hier gesetzt und nimmt schon bald ungewollt noch mehr Raum im Leben der Protagonistin ein. Als sie mit ihrem Ehemann Ryan (Reinhout van Scholten van Achat) nach Österreich fährt, um das geerbte Haus ihres kürzlich verstorbenen Vaters zu verkaufen, trifft sie dort auf lauter Frauen, darunter eine „Tante Paula“ (Gerti Drassl), die sich wortreich darüber freuen, dass sie endlich in ihre Heimat zurückgekehrt sei. Sicherlich wolle sie bleiben und eine Familie gründen – so der allgemeine Tenor. Judith, die als Kind von ihrer Familie wegegeben wurde, fühlt sich indes überhaupt nicht wohl bei dem Gedanken, in der Pampa zu versauern und hegt zudem keine Nachwuchspläne. Ehe sie sich versieht, steckt sie in einem Albtraum fest, bei dem Raum und Zeit zunehmend brüchiger werden.
In „Welcome Home Baby“ zieht Prochaska wahrlich alle Genreregister, ohne ständig billige Geisterbahneffekte zu bemühen. Früh legt sich eine unwirkliche, rätselhafte Atmosphäre über den Film, der visuell und akustisch einiges ausprobiert, um das Publikum in einem Dauerzustand der Verunsicherung zu halten. Flashartige Bilder, wie sie William Friedkin etwa in „Der Exorzist“ (1973) zu Verstörungszwecken benutzte, unerklärliche Ortswechsel, eine kippende Kamera und ein unheimlich dröhnender Score machen Judiths Reise zu einem die Sinne ansprechenden Erlebnis.
Gleichzeitig tritt der Horrorthriller aber auch ein wenig auf der Stelle, scheint nicht so richtig in Fahrt zu kommen. Erst im Schlussdrittel, wo sich die Bedrohung verdichtet, nimmt die Dringlichkeit so sehr zu, dass man vollauf mit der desorientierten Heldin mitfiebert. Was angesichts der formalen Könnerschaft ärgerlich ist: Von Anfang an greifen Prochaska und seine Koautoren Daniela Baumgärtl und Constantin Lieb auf abgegriffene Drehbuchklischees und Standardformeln zurück: Handyempfang gibt es in dem fast ausschließlich von Frauen bewohnten Dorf nicht, Autos springen in höchster Not natürlich erst verzögert an, und selbstredend wirft eine traumatische Vergangenheit ihre Schatten bis in die Gegenwart. In manchen Momenten übertreibt es „Welcome Home Baby“ zudem mit den finsteren Blicken und den bedeutungsschwangeren Worten. Dass der Film im etwas konfusen Finale im Ungenauen bleibt, riecht noch dazu verdächtig nach dem Unwillen der Macher, die vorher haufenweise ausgelegten Indizien, Andeutungen und Symbole sinnvoll zusammenzuführen. Auch die feministische, emanzipatorische Stoßrichtung der Handlung wird am Ende, zumindest ein Stück weit, untergraben.
Das alles klingt frustrierend. Vielleicht sollte man „Welcome Home Baby“ aber einige erzählerische Schwächen zugestehen. Denn mal ehrlich: Wie oft trauen sich Regisseure im deutschsprachigen Raum an eine in Bild und Ton facettenreiche Erkundung der im Dunkeln wuchernder Kräfte heran?
Christopher Diekhaus







