Die meisten werden schon mal davon gehört haben: Die Protokolle der Weisen von Zion, doch gelesen hat dieses antisemitische Pamphlet kaum jemand. Felix Moeller zeichnet in seinem Dokumentarfilm „Weltkarriere einer Lüge“, die Entstehungsgeschichte der Hetzschrift nach, die auch heute noch als Basis für Mythen und Verschwörungserzählungen dient.
Über den Film
Originaltitel
Weltkarriere einer Lüge: Die Protokolle von Zion
Deutscher Titel
Weltkarriere einer Lüge: Die Protokolle von Zion
Produktionsland
DEU
Filmdauer
82 min
Produktionsjahr
2025
Regisseur
Moeller, Felix
Verleih
Alpenrepublik GmbH
Starttermin
04.12.2025
Vielleicht waren es die Russen. Aber genau weiß man nicht wer den kurzen Text geschrieben hat, der Anfang des 20. Jahrhunderts zum ersten Mal veröffentlicht wurde und seitdem, erst recht in Zeiten von Internet und Social Media, durch den Äther schwirrt und offenbar nicht tot zu bekommen ist.
Eigentlich wurden die weniger als 100 Seiten der Protokolle schon bald als Fälschung entlarvt, doch der Text, der von den Methoden zur Erlangung einer jüdischen Weltherrschaft berichtet, war zu verführerisch, als dass Antisemiten weltweit auf seine Nutzung verzichten wollten.
Wenig überraschend finden sich Anspielungen an die Protokolle in Adolf Hitlers Mein Kampf, noch so ein Buch, dessen Namen jeder kennt, aber kaum einer gelesen hat. Doch auch der amerikanische Autohersteller und Antisemit Henry Ford zitierte sie, in der Gegenwart nicht zuletzt Rap-Musiker und die Hamas.
Der Dokumentarfilmregisseur Felix Moeller (Sohn von Margarethe von Trotta) hatte sich schon vor einigen Jahren in seiner TV-Dokumentation „Jud Süss 2.0“ mit modernen Formen des Antisemitismus beschäftigt und führt das Thema nun weiter. Kursorisch beschreibt er die Entstehungsgeschichte der Protokolle um die Jahrhundertwende, sicher nicht zufällig kurz nach dem ersten zionistischen Weltkongress, auf dem 1897 das Ziel der Gründung einer jüdischen Heimstätte proklamiert wurde. Angeblich wurden die Protokolle auf dem Kongress vorgetragen, angeblich waren sie eine Art Blaupause, die bis ins Detail beschrieb, wie das „Weltjudentum“ die Weltherrschaft erlangen wollte.
Nicht durch eine Diktatur, sondern im Gegenteil durch eine sozialistisch anmutende Gesellschaftsordnung, in der aber nach und nach die Meinungsfreiheit abgeschafft werden soll, in der Parteien und Medien zunehmend gleichgeschaltet agieren, in dem letztendlich der Mammon regiert. Wer angesichts dieser Schlagworte aufhorcht und sich an zeitgenössische Verschwörungserzählungen erinnert fühlt liegt genau richtig. Agitatoren wie Elon Musk, aber auch ein Robert Kennedy Jr., der inzwischen sogar Teil der amerikanischen Regierung ist, bedienen sich in ihren Kurznachrichten bei X und anderen sozialen Medien gern der Muster, die sich schon in den Protokollen finden lassen. Einem jüdischen Investor wie George Soros wird da die Menschlichkeit abgesprochen, wird er als Vorhut der Globalisten bezeichnet, die mittels Organisationen wie dem Weltwirtschaftsforum oder den Bilderbergern die Politik möglichst vieler Länder gleichschalten wollen.
Hier droht Felix Moellers Film fast selbst zu einer Verschwörungserzählung zu werden, nur von der anderen Seite. Ein wenig einseitig verbucht der Autor und Regisseur praktisch jegliche Kritik an Medien, internationalen Organisation und natürlich Israel als Teil derselben, irgendwie antisemitischen Gemengelage. Ein wenig zu einfach verläuft die Argumentation hier, was andererseits auch zeigt, wie verdreht und oft undurchschaubar die Argumentationslinien aller Seiten oft funktionieren.
Kursorisch streift Moellers Film schließlich Entwicklungen wie die berühmte rote Pille, ein Motiv aus dem dystopischen Science-Fiction-Film „Matrix“, die den Weg zum Lüften des Schleiers bewirken soll, in den Augen der MAGA-Anhänger und Co. also die Erkenntnis, wie sehr unsere Welt von finsteren (natürlich jüdischen) Kräften gesteuert sei. Überzeugender wirkt „Weltkarriere einer Lüge“, wenn er konkreter bleibt, wenn er den interviewten Wissenschaftlern zuhört, die über Entstehung und Verbreitung der „Protokolle der Weisen von Zion“ berichten. Allein dieses oft erwähnte, aber kaum gekannte antisemitische Pamphlet ist Stoff genug für einen interessanten und nicht nur in diesen Zeiten wichtigen Dokumentarfilm.
Michael Meyns







