Wenn Gott schläft

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Seit Jahren lebt der iranische Musiker Shahin Najafi in Deutschland im Exil, doch seine kritischen, manchmal auch polemischen Texte haben nicht nur ein Leben in seiner Heimat unmöglich gemacht, es wurde gar eine Fatwa gegen ihn ausgesprochen. Was ein Leben unter ständiger Bedrohung bedeutet, bei dem Dokumentarfilmer Till Schauder den Musiker begleitete.

Webseite: www.realfictionfilme.de

Dokumentation
Deutschland 2017
Regie & Buch: Till Schauder
Länge: 88 Minuten
Verleih: RealFiction
Kinostart: 12. Oktober 2017

FILMKRITIK:

„Wenn es den Gott gibt, dann schläft er.“ meint der Musiker Shahin Najafi und ist damit nah an dem, was in der Diskussion über den christlichen Gott in der Frage der Theodizee verhandelt wird. Kurz gesagt: Wenn man davon ausgeht, das Gott gut ist, warum lässt er dann zu, das so viel Böses geschieht? Eine Frage, die gerade auch im Iran von besonderer Relevanz ist, zumal die Religion das Land noch deutlich mehr prägt als die inzwischen weitestgehend säkulare westliche Welt.
 
Der Klerus – der im Iran trotz eines demokratisch gewählten Präsidenten die eigentliche Macht darstellt – war es auch, der Shahin Najafi 2012 mit einer Fatwa belegte, also der Aufforderung an alle Gläubigen, ihn zu töten. Grund war der Text des Lieds Naghi, in dem Najafi auch über einen der zwölf Imane sang, vor allem dessen Penis. Was im Westen vermutlich als etwas alberne Entgleisung, vielleicht noch als Geschmacklosigkeit betrachtet worden wäre (wie es etwa im Fall von Jan Böhmermanns Gedicht über Erdogan geschah) ist im Iran jedoch eine viel heiklere Angelegenheit.
 
Najafi, der sich zu diesem Zeitpunkt im Ausland befand, konnte auf Grund der akuten Bedrohung nicht mehr in seine Heimat zurückkehren und lebt seitdem in Deutschland, meist in Köln, im Exil. Dass er sich auch hier nicht wirklich sicher fühlt, dass er immer wieder umzieht, sich immer wieder neue Frisuren und unterschiedlich lange Bärte zulegt, um sein Äußeres zu verändern, mag auf den ersten Blick wie übertriebene Paranoia wirken. Doch wenn man bedenkt, dass erst Ende Juli ein Vietnamese mitten in Berlin von Geheimdiensten seines Landes entführt worden sein soll, mag man an der Sicherheit von Gegnern eines autokratischen Regimes zweifeln. Besonders der Iran ist zudem dafür bekannt, einen langen Arm und vor allem einen sehr langen Atem zu haben, wie etwa der Fall des Oppositionellen Fereydoun Farrokhzad bewies, der im Zuge der iranischen Revolution das Land verlassen musste und 1992 in seinem Bonner Exil brutal ermordet wurde, vermutlich vom iranischen Geheimdienst.
 
Wenn Till Schauder – der schon mit seinem letzten Film „The Iran Job“ über einen amerikanischen Basketballspieler in Teheran, seine Affinität zu Iran angedeutet hatte – Najafi nun filmt, dann schwingt stets ein Gefühl der Bedrohung, der Verfolgung mit. Durchaus bezeichnend also, dass ein Großteil von „Wenn Gott schläft“ in Innenräumen gedreht wurde, in meist abgedunkelten Zimmern, die Vorhänge verschlossen. Gute Miene zum bösen Spiel macht Najafi meistens, versucht mit deutschen, aber auch anderen im Exil lebenden iranischen Musikern weiter Lieder aufzunehmen und via Internet und youtube seine Stimme auch in seiner Heimat zu erheben. Doch schon ein Konzert auf die Beine zu stellen erweist sich als schwierig, die Sicherheitsvorkehrungen sind enorm, immer wieder haben Musikerkollegen genug von der Situation und sind zu sehr um ihre eigene Sicherheit besorgt, als das sie im Namen der Freiheit ihr Leben riskieren wollten. Welche Bedeutung Najafi und seine Musik gerade für die jungen Menschen im Iran hat, zeigen Ausschnitte aus Online zu findenden Clips, aber auch die Begeisterung, die ihm von Exilanten in Deutschland entgegenschlägt. Hoffentlich ein Ausgleich für ein Leben im Exil, ein alles andere als komfortables Leben, das zwar in einem freien Land stattfindet, aber alles andere als frei wirkt.
 
Michael Meyns