Wet Sand

Die Georgierin Elene Naveriani befasst sich in ihrem politischen Drama-Lovestory-Mix mit Hass, Ausgrenzung und queeren Emanzipationsversuchen. Schauplatz ist ein abgelegenes Dorf an der georgischen Schwarzmeerküste. Eine Gegend, in der die Bewohner eine vom „heteronormativen Ideal“ abweichende sexuelle Identität und Neigung mit Tabuisierung und Diffamierung abstrafen. Der sehr ruhig erzählte, melancholische Film fordert ein Ende alteingesessener Denkweisen und mehr Offenheit gegenüber allen Arten und Formen der Liebe.

Webseite: www.salzgeber.de/wetsand

Schweiz/Georgien 2021
Regie: Elene Naveriani
Drehbuch: Sandro Naveriani, Elene Naveriani
Darsteller: Bebe Sesitashvili, Gia Agumava, Megi Kobaladze, Giorgio Tsereteli

Länge: 115 Minuten
Kinostart: 24.11.2022
Verleih: Salzgeber

 

Über den Film

Originaltitel

Wet Sand

Deutscher Titel

Wet Sand

Produktionsland

CHE/GEO

Filmdauer

115 min

Produktionsjahr

2021

Produzent

Seitler, Cornelia / Hofer, Brigitte / Ketie, Daniela

Regisseur

Naveriani, Elene

Verleih

Starttermin

23.11.2022

 

FILMKRITIK:


In einem georgischen Dorf an der Küste des Schwarzen Meers führt Amnon (Gia Agumava) bereits seit zwei Dekaden seine kleine Strandkneipe. Das Leben in dem Ort ist ruhig, alles geht seinen Gang. Und die Bewohner scheinen sich untereinander gut zu kennen. Umso überraschender kommt die Nachricht, dass sich Eliko in seiner Wohnung erhängt hat. Im Anschluss ist das Gerede groß: Eliko sei schon immer eigen und seltsam gewesen. Wenig später taucht Moe (Bebe Sesitashvili), Elikos Enkelin, in der Dorfgemeinschaft auf. Sie muss sich um Organisatorisches kümmern und die Beerdigung planen. Und mit ihrer frischen, unangepassten Art wirbelt Moe, die zuletzt viele Jahre in der Großstadt gelebt hat, das Dorfleben ziemlich durcheinander. Und stößt bald auf ein schier undurchdringliches Lügennetz, das ihr klar macht, wie engstirnig und vorurteilsbehaftet die Ansichten der meisten Bewohner sind.

Die 37-jährige georgische Regisseurin Elene Naveriani taucht in ihrem neuen Film in den Mikrokosmos einer dörflichen Gemeinde ein, in der der Zusammenhalt, zumindest nach außen hin, groß ist. Noch größer aber sind die Ressentiments gegen Abweichler von der Norm und drastisch sind die abschätzigen Bemerkungen über alles und jeden, die nicht zur Weltsicht der skeptischen, konservativen Traditionalisten passen. Denn die meisten der Einwohner offenbaren in den von Naveriani bestimmt und mit der Kamera auf dem Stativ gefilmten Gesprächen ihre antiquierten Anschauungen und die teils schockierend rückständige Weltsicht.

Da wird, häufig im Strandcafé von Amnon, zum Beispiel ganz unverblümt und ohne Scheu darüber gesprochen, den Verstorbenen einfach schnell auf den Müll zu werfen. Oder ihn an die Hunde zu verfüttern. Um sich seiner zeitnah und bequem zu entledigen. Denn Eliko war homosexuell – eine, für einen Großteil der sturen und verbohrten Landbewohner im Film, unverzeihliche Sünde. Abschätzige Kommentare muss sich aber zum Beispiel auch Amnons Tochter gefallen lassen, die ebenfalls nicht in das Bild der angepassten, heterosexuellen, braven Frau passt. Ebenso wie Moe.

Im Laufe der Zeit kommen immer mehr Geheimnisse ans Licht, die alle Altersgruppen betreffen. Naveriani will zeigen, wie unterschiedliche Generationen an queeren Menschen vor allen in den abgeschiedenen, ländlichen Regionen Georgiens mit ihrer Sexualität, ihrer Queerness, umgehen. Wie sie diese in früheren Zeiten gelebt haben (erst seit dem Jahr 2000 ist Homosexualität in Georgien legal) und wie sie es heute tun.

Mit klarer Vorgehensweise und unaufgeregtem Blick beobachtet Naveriani ihre Protagonisten und beleuchtet ganz nebenbei auch noch die Bürokratie und Heuchelei der verkrusteten Behörden im Ort. Die drei Hauptdarsteller begeistern mit unbekümmerten, angenehm zurückhaltenden Auftritten, was man von einigen Statisten und Nebendarstellern (häufig Laienschauspieler) leider nicht immer behaupten kann. Deren Spiel wirkt bisweilen etwas ungelenk-hölzern und künstlich. Durch die elegische und getragene Erzählweise fühlen sich die 115 Minuten Laufzeit zudem mindestens zwanzig Minuten länger an. Dies ist nicht zuletzt den starren Einstellungen und der stoischen Kamera geschuldet.

 

Björn Schneider

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