What is left?

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Viel mehr noch als Konservative scheinen sich Linke immer wieder die Frage zu stellen, wofür ihre Politik steht, was sie unterstützen, was sie überhaupt bewirken. Gerade in Italien, wo die Linke traditionell besonders stark war, macht sich zunehmend Ernüchterung breit, wie die beiden Journalisten und Filmemacher Gustav Hofer und Luca Ragazzi in ihrem schönen essayistischen Dokumentarfilm „What is Left?“ zeigen.

Webseite: www.dejavu-film.de

Italien 2014 - Dokumentation
Regie, Buch: Gustav Hofer, Luca Ragazzi
Länge: 74 Minuten
Verleih: deja-vu Film
Kinostart: 12. Juni 2014
Verleih-Infos hier...

FILMKRITIK:

Auf den ersten blickt wirkt ein englischer Titel für einen italienischen Film etwas befremdlich. Doch das in „What is Left?“ verborgene Wortspiel funktioniert nicht auf italienisch – und auch nicht auf Deutsch. Denn nicht nur um die Frage was denn Links in der Welt des 21. Jahrhunderts bedeutet geht es hier, sondern auch darum was übrig ist von dieser Linken, von linken Idealen, Vorstellungen, Hoffnungen.

Gustav Hofer und Luca Ragazzi, die beiden Regisseure von „What is Left?“ zählen sich zu den typischen Mitte-Links Wählern, die liberale Ideale vertreten, Berlusconi ablehnen, gegen Atomkraft sind etc. In Deutschland würden sie Rot-Grün wählen, im viel komplizierteren, wechselhafteren Parteiensystem Italiens die PD, die Partito Democratico. Dies ist die gegenwärtig einzige Mitte-Links Partei, die von den zahlreichen linken, sozialistischen und auch kommunistischen Parteien übrig geblieben ist, die gerade in den 70er Jahren kurz davor waren, Italien zur einzigen westlichen Demokratie zu machen, bei der eine kommunistische Partei an der Regierung beteiligt war.

Von dieser einstigen politischen Relevanz können die heutigen Linken nur träumen, allzu sehr wird das politische System des Landes von den Konservativen und vor allem der Figur Berlusconi beherrscht. Doch vor der Parlamentswahl im Februar 2013 hegten auch Hofer und Ragazzi die Hoffnung, dass nun endlich eine Mitte-Links-Regierung an die Macht kommen würde und einschneidende Änderungen vornehmen würde.

Doch es kam anderes: Das politische Stehaufmännchen Berlusconi ging einmal mehr nicht unter, und zum Entsetzen vieler Linke ging die PD eine Koalition mit Berlusconis Partei ein. Aber war dieser Schritt wirklich so überraschend? Wie Hofer und Ragazzi in vielen Interviews mit normalen Bürgern, aber auch Philosophen und Intellektuellen aufzeigen, sind in der heutigen Zeit die Unterschiede zwischen den einst so starren Blöcken weitestgehend verwischt. Klare Positionen sind schwer auszumachen, die Unterschiede zwischen Rechts und Links sind gering, zumal die einstmals rebellischen Linken – geradeso wie in Deutschland – zunehmend bürgerlich geworden sind.

Mit viel Humor und Ironie erzählen Hofer und Ragazzi von ihrer persönlichen Desillusionierung, die emblematisch für die Enttäuschung vieler steht. Irgendwie gibt es immer noch das Gefühl, dass man sich für eine bessere, gerechtere Welt einsetzen sollte, dass es sich lohnt, für Ideale zu kämpfen, doch gleichzeitig herrscht zunehmend der Eindruck, dass das politische System der globalisierten Welt so festgefahren ist, dass gravierende Änderungen kaum noch möglich erscheinen. Über diese geradezu ausweglose Situation einen pointierten, amüsanten Essayfilm zu drehen ist nicht einfach, doch genau das ist Gustav Hofer und Luca Ragazzi mit „What is Left?“ gelungen, der sich zwar ausschließlich mit Italien beschäftigt, dessen Schlussfolgerungen sich aber in ganz ähnlicher Form auch auf Deutschland übertragen lassen.
 
Michael Meyns