Wir, die Wolfs

Der in Ecuador geborene, seit Längerem in Deutschland lebende Filmemacher Darió Aguirre hat einen berühmten Vorfahren, den Forscher Theodor Wolf, der in Ecuador arbeitete und dort hochverehrt wird. Nachkomme Wolfs zu sein, verschafft gesellschaftliche Anerkennung, doch wie Aguirre in seinem zurückhaltenden, sehr persönlichen Dokumentarfilm „Wir, die Wolfs“ zeigt, gibt es eine dunkle Seite der Familiengeschichte, die lieb gewordene Wahrheiten in Frage stellt.

 

Über den Film

Originaltitel

Wir, die Wolfs

Deutscher Titel

Wir, die Wolfs

Produktionsland

DEU

Filmdauer

90 min

Produktionsjahr

2026

Regisseur

Aguirre, Dario

Verleih

barnsteiner-film

Starttermin

22.01.2026

 

Vor einigen Jahren kam Darió Aguirre nach Deutschland, wegen einer Frau. Zwei Kinder entstanden aus der Beziehung, die Thema von „Das Land meiner Kinder“ wurden, in denen Aguirre von sich und seinen Schwierigkeiten erzählte, eine feste Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland zu bekommen. Persönliche Erfahrungen, die universelle Fragen anreißen, ein filmischer Ansatz, den der Filmemacher nun auch in seinem neuen Film „Wir, die Wolfs“ fortsetzt.

Denn Aguirre ist Ururenkel eines in Deutschland wohl nur Spezialisten bekannten, in Ecuador aber berühmten Forschers: Theodor Wolf, der im späten 19. Jahrhundert auf den Spuren von Charles Darwin die Galapagos-Inseln bereiste, Schriften über die vielfältige Botanik der Inseln und Ecuadors veröffentlichte und auch auf andere Weisen Spuren hinterließ.

Nicht nur eine Insel der Galapagos ist nach Wolf benannt, auch ein Vulkan, dazu zahlreiche Schulen und Straßen. Man kann also getrost feststellen, dass Wolf in Ecuador ein berühmter Mann ist, als dessen Nachfahre man sich gerne schmückt. Sicherlich auch, wenn nicht zuallererst, weil mit Wolf eine Verbindung nach Europa besteht, die auch in diesem, von der spanischen Kolonialherrschaft geprägten Land deutlich besser angesehen ist, als eine Verbindung zu den ursprünglichen Bewohnern der Region, der indigenen Bevölkerung.

Mit unverkennbarem Stolz berichten nun Darió Aguirres Verwandte von ihrem berühmten Vorfahren, während sie als offensichtlicher Teil der bürgerlichen Schicht des Landes, in eindrucksvollen Häusern sitzen und dabei von Dienstmädchen bedient werden, die augenscheinlich der indigenen Bevölkerung entstammen. Eine ganze Weile geht das so, werden die verflochtenen Stränge des Stammbaums der Familie Wolf aufgezeigt, bis Aguirre langsam den Schleier lüftet und seine Trumpfkarte spielt.

Wie sich herausstellt hat der ehemalige Jesuit Theodor Wolf eine Beziehung mit der indigenen Frau Jacinta Pasaguay gehabt, aus der auch Kinder hervorgegangen sind. Heiraten konnte oder wollte er die Mutter seiner Kinder jedoch nicht, später ging er nach Deutschland zurück, zeugte dort weitere Kinder, die nichts von ihren Verwandten in Südamerika ahnen.

In der eigenen Vergangenheit kramen, seiner Generationen zurückreichende Herkunft nachzuspüren kann unerwartete Folgen haben. Das musste vor kurzem erst die deutsche Schauspielerin Uschi Glas erfahren, die Ahnenforscher damit beauftragte, nach jüdischen Vorfahren zu suchen – statt dessen aber von der Mitgliedschaft ihres Vaters in der Waffen-SS erfuhr. Dumm gelaufen, könnte man sagen, ähnliches mögen auch die Nachkommen Theodor Wolfs denken, auch wenn sie sich in Darió Aguirres Film eher gelassen zeigen und höchstens davon sprechen, dass sie nun zur dunklen Seite gehören.

Sehr unterschwellig streift Aguirre Themen unserer Zeit, erzählt von der Fragen der Herkunft und der Identität, von vergangenem und aktuellem Kolonialismus, vom Wunsch, von einer möglichst glänzenden Herkunft zu profitieren. Ein Thema, dass Darió Aguirre noch weiterführen könnte, immerhin lässt sein Nachname an Lope de Aguirre denken, ein für seine Grausamkeit bekannter spanischer Konquistador, der Werner Herzog legendären Film „Aguirre, der Zorn Gottes“ seinen Titel verlieh. Aber das wäre vielleicht eine Herkunft, auf die man nicht unbedingt stolz wäre, auch wenn man sich nicht aussuchen kann – und auch keine Verantwortung dafür trägt – was die lieben Vorfahren angestellt haben.

 

Michael Meyns

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