Wir schaffen das schon

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Ein selbst für die linken italienischen Gewerkschaften zu innovativer Gewerkschafter wird dazu verdonnert, mit Psychiatriepatienten zu arbeiten. Das ist die Ausgangsposition von Giulio Manfredonia engagiertem Film, der zeigt, wie eine Gruppe psychisch auffälliger Menschen durch Arbeit zu mehr Selbstvertrauen und einem würdigeren Dasein finden. Ein überaus sehenswerter Film, der erstaunlicherweise tatsächlich auf wahren Begebenheiten beruht.

Publikumspreis der Cinema Italia-Tournee 2009

Webseite: www.kairosfilm.de

OT: Si può fare
Italien 2008
Regie: Giulio Manfredonia
Buch: Claudio Bonifacci, Giulio Manfredonia
Darsteller: Claudio Bisio, Giovanni Calcagno, Anita Caprioli, Guiseppe Bastiton, Giorgio Colangeli
Länge: 111 Minuten
Verleih: Kairos
Kinostart: 18. August 2011

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Wie in den meisten Ländern wurden auch in Italien bis Ende der 70er Jahre psychisch auffällige oder kranke Menschen nicht behandelt, sondern kurzerhand in so genannte Irrenanstalten gesteckt. Weniger um die Patienten vor sich selbst zu schützen, als der Gesellschaft die Auseinandersetzung mit Menschen, die anders als die „Norm“ sind, zu ersparen. Auf Grund der unzumutbaren Zustände in diesen Anstalten entwickelte sich eine zunehmend stärker werdende Bewegung, die Reformen forderte. So wurde 1978 das „Gesetz 180“ verabschiedet, das die Schließung der Anstalten beschloss und die Eingliederung der Patienten in die Gesellschaft verlangte.

An diesem Punkt setzt Giulio Manfredonias Film ein. Die Hauptfigur ist der Gewerkschafter Nello, der sich Anfang der 80er Jahre gegen die ausbeuterische Haltung des kapitalistischen Systems stellt und die Selbstbestimmung der Arbeiter verlangt. Selbst für die italienischen Gewerkschaften ist das zu viel und so sieht sich Nello bald strafversetzt: Er soll sich um eine Gruppe ehemaliger Psychiatrie-Patienten kümmern. Zu seinem Erschrecken stellt Nello fest, dass die Patienten wenig anderes tun als vor sich hinvegetieren, von starken Medikamenten ruhig gestellt, mit banalen Aufgaben wie Briefe frankieren vertraut. Doch Nello hat andere Pläne. Er beruft eine Gruppenversammlung ein, bei der die Patienten beschließen, dass sie gern Parkett verlegen wollen. Gesagt getan, ein Bekannter Nellos stellt sich als quasi Versuchskaninchen für die Künste der Patienten zur Verfügung und bald läuft das Geschäft. Die ach so Verrückten erweisen sich als durchaus geschickte Handwerker, zaubern aus Holzresten schöne Muster ins Parkett, auch wenn da manchmal ein fünfzackiger Stern entsteht, im Italien der Zeit das unverkennbare Symbol der terroristischen Roten Brigaden.

Doch mit dem Erfolg, mit dem zunehmenden Kontakt zum „normalen“ Leben, von dem die Patienten jahrelang abgeschottet waren, wachsen auch die Probleme. Die Patienten beginnen ein Maß an Individualität zu entwickeln, das den von seinen sozialistischen Theorien geprägten Nello zunehmend irritiert. Und so muss auch Nello, der vorgeblich „Normale“ lernen. Er, für den diese Aufgabe zunächst ein Experiment war, eine Möglichkeit seine Theorien in der Praxis zu erproben, sieht sich plötzlich mit unvorhergesehenen Folgen konfrontiert, die seine „Planwirtschaft“ nicht vorgesehen hatte.

Tatsächlich basiert „Wir schaffen das schon“ auf wahren Begebenheiten, auf der Entstehung zahlreicher ähnlicher Projekte, die tausenden Psychiatriepatienten die Möglichkeit gaben, ein weitestgehend selbstverantwortliches Leben zu führen. Nicht zuletzt beschreibt Giulio Manfredonias Film aber auch das Selbstverständnis der italienischen Linken Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre. In Gestalt des engagierten, sympathischen, aber bisweilen etwas verkopften Nellos spiegelt sich die Haltung vieler Linker jener Zeit, die oft mehr auf ihre Theorien schauten und weniger auf die Menschen, die sich diesen Theorien unterwerfen sollten. So wird „Wir schaffen das schon“ zu deutlich mehr als einer bloßen Nacherzählung von Geschichte, was ihn umso sehenswerter macht.

Michael Meyns

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