Das Tier im Manne inszeniert Horrorprofi Leigh Whannell („Saw“) in seiner Neuinterpretation des Universal-Klassikers „Wolf Man“ (1941), der hierzulande unter dem Titel „Der Wolfsmensch“ in die Kinos kam. Vielversprechende Ideen und Ansätze werden dabei allerdings nicht konsequent genug verfolgt, sodass unter dem Strich ein höchst mittelprächtiger Genrebeitrag steht. Sehr bedauerlich, denn vor gar nicht allzu langer Zeit hat Whannell bewiesen, wie man einen Uraltstoff klug und packend auffrischt.
Webseite: https://www.upig.de/micro/wolf-man
USA 2025
Regie: Leigh Whannell
Drehbuch: Leigh Whannell, Corbett Tuck
Cast: Christopher Abbott, Julia Garner, Matilda Firth, Sam Jaeger, Benedict Hardie, Ben Prendergast, Zac Chandler u. a.
Länge: 103 Minuten
FSK: ab 16 Jahren
Verleih/Vertrieb: Universal Pictures Germany
Kinostart: 23. Januar 2025
FILMKRITIK:
Gemeint ist sein 2020 veröffentlichtes Remake des ebenfalls von Universal produzierten Gruselfilms „Der Unsichtbare“ (1933), das nicht nur an den Kassen gute Zahlen schrieb. Auch die Kritiker zeigten sich größtenteils zufrieden mit dem Schocker, der häusliche Gewalt und Kontrollsucht ins Zentrum der Geschichte rückte. Vor allem Elisabeth Moss‘ eindringliche Darbietung als Gefangene einer toxischen Beziehung blieb nachhaltig im Gedächtnis haften.
Ähnliche Ideen tauchen nun in „Wolf Man“ auf. Fehlende Beherrschung und einen Überwachungseifer legt hier Einsiedler Grady Lovell (Sam Jaeger) an den Tag, der mit seinem Sohn Blake (Zac Chandler) tief im Hinterland Oregons lebt. Auf dem von Wald und Tälern umgebenen Hof herrscht Zucht und Ordnung, wie das Bett-Mach-Ritual des Jungen unterstreicht. Seinen Vater muss er immer wieder auf die Jagd begleiten, wo ihm dieser in barschem Ton die Welt als einen Ort ständiger Gefahren verkauft. Stets seien wir Menschen nur Zentimeter vom Tod entfernt. Eine nicht gerade pädagogisch wertvolle Lektion.
Sein Gespür für unheimliche Stimmungen demonstriert Regisseur und Ko-Drehbuchautor Leigh Whannell, wenn er die beiden durch das Dickicht pirschen und auf eine wilde Kreatur treffen lässt. Nur Umrisse sind kurz zu erhaschen. Über Atemwolken und gruselige Geräusche wird die Präsenz des Wesens allerdings spürbar.
Nach einem Schnitt springt „Wolf Man“ 30 Jahre weiter. Und siehe da: Ein bisschen Grady steckt auch im erwachsenen Blake (Christopher Abbott), der seine Tochter Ginger (Matilda Firth) vor den Bedrohungen der Welt abschirmen will. Anders als sein Vater entschuldigt er sich jedoch sofort, wenn er sie barsch zurechtgewiesen hat. Die Bindung zu seinem Kind ist eng. Irgendwie wird man aber das Gefühl nicht los, dass der zur Zeit mit einer Auftragsflaute kämpfende Autor ein wenig mit seiner Rolle als Hausmann hadert. Das Verhältnis zu Ehefrau Charlotte (Julia Garner), die stark in ihre journalistische Arbeit eingebunden ist, könnte zudem besser sein.
Für etwas Abwechslung sorgt schließlich ein Brief, dem Blake entnehmen kann, dass sein schon lange verschollener Vater inzwischen für tot erklärt wurde. Da ein paar Dinge zu regeln sind, überredet er Charlotte und Ginger, über den Sommer in die Einsamkeit Oregons zu reisen. Vor Ort treffen sie zunächst auf den unvermeidlichen Klischee-Hinterwälder und sehen sich dann einem haarigen Ungeheuer gegenüber, das nach einem Unfall Jagd auf sie macht. Zu allem Überfluss merkt Blake an sich auch noch seltsame körperliche Veränderungen, die von einer Bisswunde herrühren.
Eine Familie, in der es ohnehin schon etwas knirscht, wird durch die langsame Mutation des Vaters vor schmerzhafte Herausforderungen gestellt. Die Basis des Drehbuchs, das Whannell zusammen mit seiner Ehefrau Corbett Tuck verfasste, hat eigentlich ausreichend dramatisches Potenzial, um den Film bis zum Ende zu tragen. Emotional bleibt „Wolf Man“ dann aber einiges schuldig, weil die Figuren nur rudimentär ausgearbeitet sind und manche Konflikte bloß angerissen werden.
Männliche Aggressionen, für die das Werwolf-Motiv die perfekte Metapher ist, das Weiterreichen bestimmter Verhaltensweisen von einer Generation zur nächsten, Eltern-Kind-Beziehungen, Geschlechterrollen und -klischees – thematisch macht der Horrorstreifen einige Fässer auf, kann sich allerdings nicht entscheiden, worauf er seinen Schwerpunkt legen will. In der Konsequenz fühlt sich vieles unausgegoren an, nicht zu Ende gedacht oder nur halbherzig zugespitzt.
Zu den erzählerischen Schwächen gesellt sich eine zweckdienliche, jedoch nie wirklich originelle Inszenierung. „Wolf Man“ spielt fast ausschließlich in einer Nacht, ist räumlich und zeitlich stark begrenzt. Der Kammerspielcharakter sorgt aber nur selten für eine intensive, nervenaufreibende Atmosphäre. Daran ändern auch die regelmäßig eingestreuten und überzeugend getricksten blutigen Spezialeffekte wenig. Horrorneulinge dürften zwar ein ums andere Mal zusammenzucken. Wer indes Erfahrung mit gruseligen Spannungswerken hat, wird meistens erahnen können, wann das Monster plötzlich hervorspringt. Einen ärgerlichen Fauxpas erlaubt sich Leigh Whannell übrigens im verhuschten Finale, bei dem sich der Nacht-Tag-Wechsel binnen Sekunden vollzieht.
Christopher Diekhaus