Yes I am!

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Wer bin ich? Das wäre vermutlich die Frage auf die im Titel von Sven Halfars Dokumentarfilm nachzulesende Antwort. Wie es ist, in Deutschland als Kind eines schwarzen Vaters nur mit einem Elternteil aufwachsen zu müssen, davon erzählt Yes I am! aus einem angenehm unaufgeregten und gleichzeitig sehr persönlichen Blickwinkel. Gegen Ende schlägt der Film einen Bogen zu dem Bandprojekt „Brothers Keepers“, das als Antwort auf die Ermordung des Afrikaners Alberto Adriano von rund zwanzig afrodeutschen Musikern Leben gerufen wurde.

Webseite: www.movienetfilm.de

Deutschland 2006
Regie: Sven Halfar
Konzept: Sven Halfar, Aurel Bantzer
Kamera: Dirk Heuer, David Schultz
Mit Daniel Kretschmer (D-Flame), Amadee Wappler, Adè Odukoya
Kinostart: 15.2.2007
Verleih: Movienet

PRESSESTIMMEN:

Zivilcourage und schwarze Musik: das afrodeutsche Bandprojekt Brothers Keepers... Ein entlarvender Blick auf Rassismus in Deutschland und eine einzigartige Form von Widerstand.
Cinema

Dokumentarfilm über HipHop und drei farbige Rapper in Deutschland, die ohne ihre nichtdeutschen farbigen Väter aufwuchsen. Ihre Identitätssuche mündet in einer kraftvollen Musik mit vorwiegend deutschen Texten, in denen sie von einem schönen, aber auch von einem aggressiven Deutschland, von Fremdenhass, Rechtsradikalen und Vorurteilen singen. Noch beklemmender als die Aussagen der Musiker sind die ihrer deutschen Mütter, die sich wünschen, dass ihre Kinder endlich ihre Identität und ihren Frieden finden. Eine Sozialstudie mit der Musik als rotem Faden, die den HipHop und das dahinter stehende Anliegen des Rap nahe bringt.
film-dienst

FILMKRITIK:

Sie sind drei junge Musiker, und sie teilen sich ein gemeinsames Schicksal. D-Flame, Adé und Mamadee wuchsen als deutsche Kinder schwarzer Väter auf. Ohne ihre Väter, teilweise in Deutschland, teilweise in Nigeria wie Adé, der erst als er fünfzehn ist und sein Vater ermordet wurde mit seiner Mutter und den Geschwistern nach Deutschland zieht. D-Flame kommt in ein Heim, nachdem die Streitereien mit seiner Mutter Überhand nehmen. Er gerät auf die schiefe Bahn, klaut, dealt und wird verhaftet. Mamadee hat den Fall der Mauer aus der Perspektive einer Zehnjährigen in der DDR erlebt. Als sie Anfang zwanzig ist, zieht es sie in den Westen in die Großstadt Köln, wo ihre Schwester studiert. Dort widmet sie sich intensiv ihrer Gesangskarriere.

 

Ein Ereignis bringt sie alle zusammen. Die rassistisch motivierte Ermordung des Afrikaners Alberto Adriano im Jahr 2000 bildete den Startschuss für das Projekt „Brothers Keepers“, bei dem auch andere bekannte Musiker wie Xavier Naidoo und Afrob mitmachten. Gemeinsam mit den „Sisters Keepers“ – der weiblichen Ausgabe der Brothers – machen die Musiker Front gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. Dazu besuchen sie ostdeutsche Schulen, da gerade in der ehemaligen DDR – aber nicht nur dort – Rechtsradikale Sympathien und Zulauf erfahren.

Regisseur Sven Halfar begleitete die Musiker auf ihrem Weg der Erinnerungen an ihre Kindheit und Jugend. An die Erlebnisse, die sie damit machten, dass sie anders waren. Anders als die Masse. D-Flame, Adé und Mamadee lassen uns vor dem Hintergrund ihrer unterschiedlichen Milieus sehr persönlich teilhaben, an dem, was sie bewegt. Eng mit dem Gefühl des Nichtdazugehörens ist die Suche nach der eigenen Identität verbunden. Weil ein Elternteil fehlte bzw. wie im Fall von Adé ihm während der Pubertät durch eine fürchterliche Tat genommen wurde, scheint sie eine innere Unruhe anzutreiben, die sie nachforschen lässt, wo ihre Wurzeln liegen, wo sich ihr wirkliches Zuhause befindet. Für Adé ist das Nigeria.

In der Musik des Films, den die Künstler und die beiden Bandprojekte beisteuerten, spiegeln sich bereits Einflüsse aus den unterschiedlichsten Lebenswelten wider. D-Flames harter Rap verbindet sich in seinen Texten mit den Erfahrungen, die er hier in Deutschland machen musste. Mamadee besingt in ihren souligen Liedern eindringlich, wie es sich für sie anfühlte, erstmals mit der bitteren Erkenntnis konfrontiert zu werden, sich von den meisten in ihrem Umfeld zu unterscheiden und dadurch für manche angreifbar zu werden. So stark und selbstbewusst sich Halfars Interviewpartner mitunter auch geben, so sehr merkt man als Zuschauer in den ruhigen Momenten, dass sie – wie es Mamadees Mutter einmal ausdrückt – immer die Last ihrer Vergangenheit wie einen unsichtbaren Rucksack mit sich herumtragen müssen. Wer befürchtete, ein Film über das zu Tode diskutierte Thema Integration und den Umgang mit Rassismus müsse sich in moralinsaure Belehrungen ergehen, der dürfte von Yes I am! mehr als positiv überrascht sein. Aber auch alle anderen können dank der offenherzigen Schilderung das Gefühl mit nach Hause nehmen, einen ehrlichen Einblick in eine andere deutsche Lebenswirklichkeit bekommen zu haben.

Marcus Wessel

 

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Eines der aktuellen Probleme ist die erfolgreiche Eingliederung der integrationswilligen Ausländer in unser Land. Was aber ist mit denen, die nur „halb“ Ausländer sind, die in unserem Land geboren wurden und seither hier leben, die einen deutschen Pass besitzen, echte Deutsche sind und lediglich eine andere Hautfarbe haben? Um die geht es in diesem Film.

Adé hat eine weiße Mutter, Barbara, und hatte einen nigerianischen Vater. Als dieser von Banditen ermordet wurde, kam die Mutter zurück nach Köln. Das war 1986. Adé war 15 Jahre alt. Seitdem lebt er abwechselnd in Köln oder in Lagos.

Wie schwer es war, nirgendwo richtig dazu zu gehören, halb Afrikaner, halb Deutscher, in einem gewissen Maße ausgeschlossen zu sein, berichtet Adé in ausführlichen, überzeugenden Passagen. Aufgefangen hat ihn sein Kontakt mit anderen Schwarzen, seine „Musik“ als Rapper und sein beharrlicher Kampf gegen Ausländerfeindlichkeit und Rechtsradikalismus.

Mamadee ist 27. Sie wurde in der ehemaligen DDR geboren. Ihr Vater war ein Student aus Sierra Leone. Als er ausgewiesen wurde, weil Studienzeit und Aufenthaltserlaubnis abgelaufen waren, blieb Mamadees Mutter mit ihren Kindern verlassen zurück. Auch Mamadee widmet sich der Musik, ist Sängerin. Lebhaft erzählt sie, wie sie eine im Grunde behütete Kindheit hatte, bei den Jungen Pionieren gerne mitmachte. Aber natürlich hat auch sie gelegentlich als „deutsche Ausländerin“ Ablehnung erfahren.

D-Flame alias Danny Kretschmar ist der Sohn eines farbigen GI. Dem Vater wurde das Drogengeschäft zum Verhängnis. Er wurde verhaftet und ausgewiesen. Dannys Verhältnis zu seiner oft betrunkenen Mutter war schlecht. Er selbst kam ziemlich rasch vom rechten Weg ab, stahl, dealte. Endstation Gefängnis. Heute arbeitet er als Rapper.

Allen drei ist gemeinsam, dass sie in „Brothers Keepers“ und „Sisters Keepers“, Organisationen gegen Fremdenfeindlichkeit, zusammenarbeiten, Schulen besuchen, aufklärende und mahnende Texte veröffentlichen.

Lebendig – und gut montiert – schildert der Dokumentarfilm zuerst das jeweilige persönliche Leben der drei und anschließend die geradezu die missionarische Arbeit vor allem im Osten Deutschlands.

Ein wichtiger Film über ein spezifisches Thema, der Schicksale schildert, unvermutete Einsichten vermittelt, zu gewissenhaftem Nachdenken antreibt, extremistische Mißstände aufdeckt, mahnt und kämpft. In Filmkunsttheatern und Programmkinos am richtigen Platz.

Thomas Engel