You Drive Me Crazy

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Neue Erfahrungen macht man nur außerhalb der Komfortzone, heißt es. Oder eher außerhalb der Knautschzone? Das gilt zumindest für drei Menschen, die im Ausland leben und dort den Führerschein neu machen wollen. Die Deutsche Mirela wagt sich in den tobenden Straßenkampf von Mumbai, der US-Amerikaner Jake verzweifelt an undurchschaubaren Riten der japanischen Autofahrer in Tokio, und für die Südkoreanerin Hye-won präsentiert sich das gemütliche München auf der Straße plötzlich recht stressig.

Webseite: www.youdrivemecrazy-film.de

Deutschland 2012
Regie: Andrea Thiele
Buch: Lia Jaspers
Produktion: Stefan Kloos
Verleih: Real Fiction
Kinostart: 21. März 2013

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Mirela will ihr eigenes Modelabel gründen und ist dafür nach Mumbai gezogen. Sie will von dort aus Stoffe in ganz Indien suchen. Aber nachdem die gemieteten Autos samt Fahrer sie fast in den Wahnsinn treiben – mal gibt die Batterie den Geist auf, mal kennt sich der Fahrer nicht aus – beschließt sie, selbst den indischen Führerschein zu machen. Neben Todesverachtung angesichts des tobenden Verkehrs braucht dieser Plan vor allem starke Nerven. Über die verfügt Jake, ein in Tokio lebender Grafikdesigner aus Atlanta, nicht. Sein Fahrlehrer macht ihn verrückt, bevor die beiden überhaupt ins Auto einsteigen. In Japan, lernt Jake, brauchen Fahrschüler sogar eine bestimmte Technik, um die Autotüre zu schließen. Neben Hye-wo sitzt mit dem Fahrlehrer Herr Krieger ein echtes Münchner Original. Er lässt es eigentlich immer recht entspannt angehen. Angesichts Hye-wos Fahrkünsten allerdings wächst sein Entsetzen, so dass die zarte Koreanerin bayerisches Gepolter über sich ergehen lassen muss.

„You Drive Me Crazy“ ist eine „cultural comedy“ im besten Sinne. Lange war keine Doku mehr so lustig, zuletzt vielleicht „Full Metal Village“ über ein Heavy-Metal-Festival in dem kleinen Dorf Wacken. Ähnlich wie dort prallen auch hier die größtmöglichen Gegensätze aufeinander und schlagen Comedy-Funken, die für Lachattacken sorgen. Viele Szenen in „You Drive Me Crazy“ sind reiner Slapstick: Wenn der Fahrlehrer in Mumbai während der Fahrt in dem infernalischen Chaos um ihn herum in aller Ruhe telefoniert und von seiner verzweifelten Schülerin irritierte Blicke erntet; oder wenn Jake in seiner ersten Fahrstunde losfahren möchte und von seinem Lehrer erst einmal zu einer Art Meditation hinter dem Steuer verdonnert wird.

Langsam aber weitet sich der Blick von Andrea Thieles Film. Die Fahrstunden inszeniert die Deutsche zunehmend als Lektionen in kultureller Toleranz und persönlichem Wachstum. Sie beobachtet ihre Protagonisten auch außerhalb des Autos; nach und nach gewinnen sie Konturen und wachsen weit darüber hinaus, reine Witzfiguren wie aus der Reality-Soap eines Privatsenders zu sein. Exemplarisch dafür steht die Entwicklung von Hye-won: Sie muss damit fertig werden, dass ihr Mann nach Korea zurückkehrt, um dort seinen Militärdienst zu absolvieren, und ihren kleinen Sohn mitnimmt. Im Verlauf des Films lernt Hye-won, mehr zu ihren eigenen Bedürfnissen zu stehen – was sich auch im Verhältnis zum leicht übergriffigen Herrn Krieger äußert. In einer fremden Kultur, so zeigt der Film, befinden Menschen sich in einer Extremsituation, die nicht nur verlangt, das Verhältnis zum Außen neu zu justieren, sondern auch in eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Ich zu gehen. Oder, wie es die Regisseurin Andrea Thiele formuliert: „Wir sind es heute ja gewöhnt, kulturelle Unterschiede als negativ besetzt zu erfahren. Genau dem wollten wir entgegensteuern.“

Oliver Kaever

Die Globalisierung ist zwar im Gange, doch in den Einzelheiten scheint es noch ganz schön zu hapern. In diesem diesbezüglich kennzeichnenden und teilweise witzigen Film werden charakteristische Beispiele vorgeführt.

Und zwar geht es dabei um drei junge Menschen, die aus ihrer jeweiligen Heimat in drei unterschiedliche Länder gezogen sind, sich dort einleben müssen – und Auto fahren wollen. Aber Pech gehabt. So einfach geht das nicht.

Der Amerikaner Jake in Tokio, die Koreanerin Hye-won Chung in München und Mirela Sarnardzija in Bombai, sie müssen, obwohl sie eigentlich bereits Auto fahren, den Führerschein noch einmal machen. Denn: Die Regeln und die Schilder sind anders; der Rechts-links-Verkehr ist unterschiedlich; viele Gesten und Handzeichen müssen vor allem in Tokio und Bombai beherrscht werden; für Fahrschüler gilt in Indien ein besonderes Tempolimit; die Prüfung mehrere Male nicht bestehen ist in Japan keine Seltenheit (man kann schon durchfallen, wenn man die Türen falsch öffnet oder schließt); und mit der sprachlichen Verständigung ist das auch so eine Sache.

Hye-won versteht zwar deutsch, hat aber einen Mann, der zur Armee muss, und ihren kleinen Sohn Zion, der, bevor er bei der Großmutter in Korea gut unterzubringen ist, noch getauft wird. Sie, die Fromme, kann auch nicht verstehen, dass man sich in der Nähe einer Kirche betrinken kann (Oktoberfest). Und dazu noch die an den Nerven zehrenden Fahrstunden – wenigstens bei einem netten Fahrlehrer.

Jake sucht in Tokio Arbeit. Als Grafiker findet er sie schließlich. Den Führerschein macht er oder schafft er dann doch nicht.

Mirela fährt schon lange und gut. Trotzdem muss sie sich anpassen – und die Sprachschwierigkeiten meistern. Sie besteht. Sie ist eine Art Designerin und findet schließlich auch, was sie sucht.

Die Fremde, das Heimweh, die Sehnsucht nach dem Kind, das völlig andere Leben in einem anderen Erdteil, die zur Show und zur Farce ausartende Bürokratie (die in Indien beispielsweise verlangt, dass man ein Auto nicht ohne Fahrer mieten kann oder dass man jede Kleidung tragen, nur nicht nackt sein darf), die mentalen und sprachlichen Verständigungsschwierigkeiten, die völlig unterschiedlichen Denkweisen, der Zustand der Autos („Schrottkarre“), hier wird alles – geschickt montiert – plastisch und gut gespielt vorgeführt.

Thomas Engel