Yuli

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Klassisches Ballett begeistert nicht jeden. Doch die wahre Geschichte des afrokubanischen Ballett-Stars Carlos Acosta, der sich aus einem bescheidenen Vorstadtviertel Havannas auf die Bühnen der Welt tanzt und zum ersten schwarzen Romeo avanciert, berührt. Der spanischen Regisseurin Icíar Bollaín gelingt eine elegante Mischung zwischen leidenschaftlichen Tanzfilm und einfühlsamen Biopic. Die inszenierten Sequenzen, in denen der Zuschauer Acosta als Tänzer erlebt, faszinieren. Gleichzeitig ist ihr kühner Film auch eine Hommage an Kuba. Denn trotz aller Widerstände zeigt das Schicksal des gefeierten Ballettstars, dass Rassismus auf der Zuckerinsel weniger ausgeprägt ist.

Webseite: yuli-der-film.de

Spanien, Kuba, Großbritannien 2018
Regie: Icíar Bollaín
Darsteller: Carlos Acosta, Santiago Alfonso, Keyvin Martínez,  Edlison Manuel Olbera Núñez, Laura De la Zu, Yerlín Pérez, Mario Elias, Andrea Doimeadiós, Cesar Domínguez, Yailene Sierra, Héctor Noas, Carlos Enrique Almirante.
Länge: 110 Minuten
Verleih: Piffl
Kinostart: 17. Januar 2019

FILMKRITIK:

Kuba, Anfang der 80er Jahre. Stolz nennt der Afrokubaner Pedro (Santiago Alfonso) seinen kleinen Sohn „Yuli“ (Edlison Manuel Olbera Núñez). Es ist der Name des Kriegsgotts Ogun aus der Santeria, der afrikanischen Yoruba-Religion seiner Vorfahren, Verschleppt aus Afrika  kamen sie als Sklaven auf die Insel. Der versierte LKW-Fahrer war selbst noch Enkel einer Sklavin, die auf der Acosta-Zuckerrohrplantage ausgebeutet wurde. Der Name der Plantage ging auf die Sklaven über. Als er das Tanztalent seines Sohnes entdeckt, sieht er darin die Hoffnung das Blatt ein für allemal zu wenden.

Doch Yuli will lieber Fussballstar werden, wie der Brasilianer Pelé. Nichts zieht ihn zum klassischen Ballett. Auf den Straßen ist er außerdem längst der Break-Dance-King. Auch Maria, seine spanischstämmige Mutter (Yerlín Pérez), die aus der weißen Mittelschicht stammt, kann ihm da nicht helfen. Er landet auf der Nationalen Ballettschule. Schlimmer noch, nachdem er den Unterricht schwänzt, kommt er ins Internat aufs Land nach Pina del Rio. Heimweh und Einsamkeit fressen ihn fast auf. Traumatisiert durch die Prügel seines Vaters, der sich nicht anders zu helfen weiß, zerbricht er fast.

Aber dank seiner verständnisvollen Lehrerin findet er doch noch Zugang zum Tanz. Aus Zwang wird Zuflucht. Als 16jähriger gewinnt er die Goldmedaille beim Pix de Lausanne. Das Royal Ballett holt den 18jährigen (Keyvin Martínez) nach London. Der Beginn einer einzigartigen Karriere, die er zeitweise nach einer Verletzung wieder aufs Spiel setzt. Denn sein Lebenshunger ist nach all den Jahren eiserner Disziplin ungestillt. Doch trotz des Ruhms hat er eines nie vergessen: Wo seine Wurzeln liegen. Die spanische Regisseurin inszeniert mit ihrem begeisternden Tanzfilm kein konventionelles Biopic.

Gemeinsam mit ihrem Ehemann und Drehbuchautor Paul Laverty sowie Carlos Acosta schlägt die gebürtige Madrilenin einen kunstvollen Bogen über drei Phasen der kubanischen Geschichte. Angefangen von der Kindheit Acostas in den 1980er-Jahren, als der karibische Sozialismus noch in voller Blüte stand, über die komplizierten Jahre der „Sonderperiode“ nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion bis hin zur Gegenwart. Zudem erinnert die brillante Erzählstruktur und Bildgestaltung an die wunderbaren Tanzfilme ihres Landsmann und Altmeister Carlos Saura. Unterstützt von den ausgezeichneten kubanischen Schauspielern wie Yerlín Pérez, den kubanischen Choreographie-Veteranen und last but not least dem spektakulären Debüt des jungen Edlison Manuel Olbera Núñez gelingen die Übergänge von Fiktion zu beindruckenden Tanzszenen.

Die karibische Insel ist nach wie vor der Stachel im Fleisch der Weltmacht USA. Dass ein afrokubanischer Ballettstar die Bühnen der Welt erobert und zum ersten dunkelhäutigen Romeo avanciert kommt nicht von ungefähr. Sein Werdegang hat sehr viel mit dem freien Zugang aller zur künstlerischen Ausbildung in Kuba zu tun. „Wir konnten alle etwas lernen“, sagt Carlos Acosta. „Wie hätte sich meine Familie aus eigenen Mitteln Ballettschuhe für mich leisten können? In Kuba war das möglich“. Dass die Hautfarbe dabei keine Rolle spielt, spiegelt sich in jedem kubanischen Orchester oder Ballettensemble wieder. Rassismus ist seit der Revolution auf der Zuckerinsel wenig ausgeprägt. Nicht umsonst kehrte der inzwischen 45jährige Ballett-Weltstar mit Frau und Kindern wieder in seine Heimat zurück.

Luitgard Koch