Bliss

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Einen langen, zunehmend exzessiven Drogentrip visualisiert Joe Begos in seinem Film „Bliss“, der weitestgehend auf eine konventionelle Handlung verzichtet und statt dessen mit Bildern und Tönen arbeitet. Früher gab es dafür in schmuddeligen Kinos die Mitternachtsschiene, heute dagegen haben es solche Experimente schwer.

Webseite: dropoutcinema.org

USA 2019
Regie & Buch: Joe Begos
Darsteller: Dora Madison, Tru Collins, Rhys Wakefield, Jeremy Gardner, Graham Skipper, Rachel Avery
Länge: 80 Minuten
Verleih: Drop-Out Cinema
Kinostart: 20. Februar 2020

FILMKRITIK:

Dezzy (Dora Madison) ist Malerin, lebt in Los Angeles und befindet sich gerade in einer schweren Schaffenskrise. Seit Monaten versucht sie ein abstraktes Bild zu beenden, doch ihr fehlt jede Inspiration. Da sowohl die Eröffnung ihrer nächsten Ausstellung näher kommt, als auch die Klagen ihres Vermieters, ob der ausbleibenden Miete immer drängender werden, ruft Dezzy ihren Dealer an, der ihr noch etwas schuldet. Und zwar eine besonders potente Droge, ein wildes Gemisch, dass Dezzy in andere Sphären befördern soll.
 
Schnell stellt sich ein Effekt ein, doch der ist nicht nur positiv: Wilde Träume plagen Dezzy – oder sind es gar keine Träume? Bald fällt es ihr schwer, zwischen Realität und Fiktion zu unterscheiden, zu erkennen, ob all der Sex, all die Exzesse und schließlich auch all das Blut nur in ihrer Phantasie existiert oder doch real ist. Aber immerhin läuft es mit dem malen deutlich besser.
 
Kino als Drogenrausch ist ein winziges Genre, das dennoch immer wieder besonders experimentierfreudige Regisseure reizt und zu oft aufregenden Filmen verführt. Erst letztes Jahr zeigten Gaspar Noe mit „Climax“ und Panos Cosmatos mit „Mandy“ was möglich ist, wenn man sich weitestgehend von klassischer Narration löst und seinen Visionen, seinen Dämonen freien Lauf lässt.
 
In gewisser Weise geht Joe Begos in seinem Film „Bliss“ sogar noch weiter, verzichtet er doch noch mehr auf Handlung. Statt dessen schickt er seine Heldin auf einen schnell ausartenden Trip, in den sich Hauptdarstellerin Dora Madison mit ganzem Körpereinsatz stürzt. Dass der Weg ihrer Figur allerdings so sehr von jeglicher Bodenhaftung losgelöst ist, lässt „Bliss“ sehr schnell in reine Bilderwelten abdriften, in pure visuelle Experimente, die bald zu ermüden drohen.
 
Zwar gelingen Begos und seinem Kameramann durch die Verwendung von 16mm Material etliche eindrucksvolle Bilder, sparen sie zum Ende auch nicht mit Momenten reinen Exzesses, in denen Blut und andere Körperflüssigkeiten eimerweise fließen, doch gerade dadurch bleibt „Bliss“ auch stets seinem rein experimentellen Ansatz treu.
 
Nimmt man „Bliss“ aber als das an, was er ist, als wildes, exzessives Experiment, das den Zuschauer auf visuelle und akustische Weise in die Perspektive einer psychisch labilen, Drogen nehmenden Künstlerin versetzt, dann ist Joe Begos ein immersives, mitreißendes Kinoerlebnis gelungen.
 
Michael Meyns