Die Erscheinung

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Ein rationaler Journalist wird mit einer möglichen Marien-Erscheinung konfrontiert. Das ist der spannende Ansatz von Xavier Giannolis Film „Die Erscheinung“, der lange Zeit vor allem durch die Präsenz von Vincent Lindon funktioniert, vielfältige Fragen anreißt, zum Ende aber etwas unentschlossen mit seinem Thema umgeht.

Webseite: www.filmperlen.com

L'apparition
Frankreich 2017
Regie: Xavier Giannoli
Buch: Xavier Giannoli, Jacques Fieschi, Marcia Romano
Darsteller: Vincent Lindon, Galatea Bellugi, Patrick d'Assumçao, Anatole Taubman, Elina Löwensohn, Claude Lévèque
Länge: 137 Minuten
Verleih: Filmperlen
Kinostart: 13. Dezember 2018

FILMKRITIK:

Gerade ist der Journalist Jacques Mayano (Vincent Lindon) aus einem Krisengebiet zurückgekehrt, wo ein Kollege einem Terroranschlag zum Opfer gefallen ist, da bekommt er einen Anruf aus dem Vatikan. Warum er unbedingt nach Rom kommen soll, kann man ihm nicht sagen, doch die Neugier des Reporters siegt. In den heiligen Hallen erfährt Jacques schließlich warum man ihn braucht: Im Süden Frankreich soll es eine Marien-Erscheinung gegeben haben, seitdem ist ein kleines Dorf zur Pilgerstätte geworden.
 
Eine offizielle Untersuchungskommission des Vatikans, in der vor allem Vertreter der Kirche sitzen, aber auch der atheistische Journalist, soll nun feststellen, ob die Geschichte der 18jährigen Anna (Galatea Bellugi) der Wahrheit entspricht. Wie ein Jahrmarkt wirkt der Trubel vor Ort, die Gemeinde verkauft allerlei Reliquien, Pilger aus aller Welt sorgen für enorme Einnahmen, so dass der Borrodine (Patrick d’Assumcao), der Priester der Gemeinde, wenig Interesse an einem Zweifler wie Jacques hat.
 
Dessen journalistischer Eifer ist schnell geweckt und so ermittelt er vor allem in der Vergangenheit Annas, die als Waisenkind in verschiedenen Pflegefamilien lebte und schließlich im örtlichen Kloster ein zuhause fand. Und in der Vergangenheit findet Jacques schließlich auch die Antwort auf die Frage, ob Anna tatsächlich eine Erscheinung hatte.
 
Das Jacques im letzten Drittel des Films tatsächlich Antworten findet, ist die größte Schwäche von Xavier Giannolis Film, der bis dahin vor allem Fragen in den Raum stellte, Zusammenhänge andeutete und auf überzeugende Weise mit der Möglichkeit spielte, dass es tatsächlich übernatürliche Erscheinungen – und damit letztlich Gott – gibt. Vor allem in dieser Ambivalenz kann ein Film überzeugend funktionieren, der sich diesem Thema annimmt, würde er klare Position beziehen, wäre es entweder ein allzu frommes, religiöses Werk, das nur Gläubige interessieren würde, oder ein offen Religions-skeptischer Film, der zu eindeutig wäre, um von Interesse zu sein.
 
Von der Spannung zwischen einem im Kern rationalen Mann, der nicht an Gott glaubt und einem Ereignis, das nicht zu erklären scheint, lebt Gianollis Film lange. Ohne sich zu positionieren werden hier die finanziellen Interessen angedeutet, die bei einer Bewertung einer möglichen Erscheinung eine Rolle spielen, wird die Rolle des Vatikans hinterfragt, der Strukturen der Kirche, die ihre Macht bekanntermaßen nicht immer zu noblen Zwecken benutzt.
 
Im Stile einer Detektivgeschichte ist das inszeniert, agiert Lindon in seiner typischen, stoischen Manier wie ein Ermittler, der sich immer mehr in das Thema verbeißt, der zwar ein Skeptiker ist, aber auch gewillt scheint, seinen Glauben zu hinterfragen, wenn er alle rationalen Erklärungen für die Erscheinung ausgeschlossen hat. Das Gianolli es nicht wagt, diese Ambivalenz bis zum Ende durchzuhalten, sondern stattdessen klare Antworten gibt, ist schade, sollte aber auch nicht überschatten, dass „Die Erscheinung“ über weite Zeit ein hervorragend gefilmtes Drama ist, das sich schwierigen Fragen stellt.
 
Michael Meyns