Die Migrantigen

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Schon lange nicht mehr nahm ein Film bekannte Vorurteile über Migranten und Asylanten, derart sarkastisch und pointiert aufs Korn. In der österreichischen Produktion „Die Migrantigen“ schlüpfen zwei Wiener für eine TV-Serie in die Rollen zweier arbeitsloser Ausländer. Der kriminelle Hintergrund fehlt da ebenso wenig wie die Gewaltbereitschaft und die Gossen-Sprache. Die schwungvolle Sozial-Komödie kritisiert Schubladendenken, Engstirnigkeit und fehlende Toleranz. Und auch das Genre der banalen, pseudo-realistischen Doku-Soaps, bekommt sein Fett weg.

Webseite: www.diemigrantigen.de

Österreich 2017
Regie: Arman T. Riahi
Drehbuch: Arman T. Riahi, Faris E. Rahoma, Aleksandar Petrovic
Darsteller: Faris E. Rahoma, Aleksandar Petrovic, Doris Schretzmayer, Josef Hader, Lisa Kreuzer
Länge: 95 Minuten
Verleih: Camino
Kinostart: 07. September 2017

FILMKRITIK:

Benny (Faris Rahoma) und Marko (Aleksandar Petrović) sind zwei Österreicher mit ausländischen Wurzeln. Doch sie sind vorbildlich in die Gesellschaft integriert und sogar mit Wiener Schmäh ausgestattet. Als sie sich eines Tages in einem Wiener Stadtviertel mit hohem Ausländeranteil aufhalten, werden sie von der Fernseh-Journalistin Marlene Weizenhuber (Doris Schretzmayer) angesprochen. In ihnen sieht sie die perfekten Darsteller für eine neue TV-Show, in der es um das Viertel und ihre Bewohner gehen soll. Ohne lange zu überlegen, täuschen die Freunde vor, arbeitslose Kleingangster mit Migrationshintergrund zu sein. Anfangs geht alles gut, doch dann holt sie die Realität ein.

Regisseur Arman T. Riahi legt mit dieser Culture-Clash-Komödie sein Spielfilmdebüt vor. Er verfasste das Skript gemeinsam mit den beiden Hauptdarstellern. Für eine Nebenrolle konnte Riahi den Kabarettisten Josef Hader gewinnen, der hier in einer Rolle als Regisseur zu sehen ist. „Die Migrantigen“ wurde von Mai bis Juni 2016 in Wien gedreht. Der Haupt-Handlungsort des Films, das Problemviertel „Rudolfsgrund“, ist fiktiv. Beim Filmfestival Max-Ophüls-Preis in Saarbrücken, gewann das Werk in diesem Jahr den Publikumspreis.

„Die Migrantigen“ lebt zum einen von seinem ambitionierten, überzeugenden Cast. Die beiden Hauptdarsteller, Faris Rahoma und Aleksandar Petrović, füllen ihre Rollen spielfreudig und hingebungsvoll aus. Kinderleicht gelingt es ihnen, gängige Ausländer- und Kleinganoven-Klischees realistisch – und extrem humorvoll – durchzuspielen. Überhaupt: nach dem Einstieg ins „TV-Geschäft“ der Zwei, präsentiert uns Regisseur Riahi jede erdenkliche Schublade, in welche die Gesellschaft Menschen mit Migrationshintergrund nur allzu gerne presst. Augenzwinkernd und schön auf die Spitze getrieben.

So schaffen es die neuen TV-Stars u.a., viele der Migranten des Viertels vor der Kamera als gewaltbereite Sozialschmarotzer mit zu viel Freizeit darzustellen. Und Dönerbuden werden freilich nur zur Geldwäsche benutzt, während sich in rauchigen Wettlokalen vorbestrafte Kriminelle und Wettbetrüger tummeln, die Frauen keinen Zutritt gewähren. Apropos Frau: Beachtenswert agiert auch Doris Schretzmayer als arglose und quotengeile TV-Redakteurin Doris Schretzmayer.

Der Grund, wieso die beiden leicht chaotischen Freunde überhaupt bei der Sendung mitmachen mimen, leuchtet ein: Geld. Vor allem Marko verspricht sich ein üppiges Honorar. Schließlich läuft es mit seiner Karriere als selbstständiger Unternehmer alles andere als gut. Dies wird bereits relativ zu Beginn in einer herrlich absurden, schwarzhumorigen Szene deutlich, in der Marko versucht, seine neuesten Entwürfe an eine PR-Agentur zu verkaufen. Ohne Erfolg.

Riahi spart übrigens auch nicht mit seiner Kritik an der Oberflächlichkeit des quotenabhängigen Schmuddel-Fernsehens und den Leuten, die dieses konsumieren. Unkritisch und widerstandslos wird rezipiert und letztlich geglaubt, was einem die Sendung vorgaukelt. Die im Film vorkommende, gescriptete Doku-Serie, gibt den Vorurteilen der Menschen letztlich nur neue Nahrung.

Dennoch: Benny und Marko gefallen sich (zunächst) gut in ihren neuen Rollen, die sie mit falschem Akzent und erfundenen kriminellen Lebensläufen ausstaffieren. Im letzten Drittel dann überschlagen sich die Ereignisse, wenn die Fassade immer schwieriger aufrecht zu erhalten ist. Auch in jenen letzten Minuten ist der Film ein durch und durch abgedrehter, absolut empfehlenswerter Spaß.

Björn Schneider