Die Unglaublichen 2

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Vor rund vierzehn Jahren setzte Pixars Superheldenfilm „Die Unglaublichen” neue Maßstäbe in puncto Storytelling und Inszenierung von Animationsfilmen. Die digitale Technik macht es möglich, dass die Fortsetzung nun trotzdem unmittelbar nach der Handlung des Vorgängers einsetzt, ohne dass die im PC konservierten Protagonisten gealtert sind. Der Regisseur und Autor Brad Bird („Ratatouille“, „A World Beyond“) erfüllt die hohen Erwartungen an das Sequel und legt einen emotional runden, sehr lustigen, extrem unterhaltsamen Animationsfilm mit klasse Actionszenen vor.

Webseite: disney.de

OT: Incredibles 2
USA 2018
Drehbuch & Regie: Brad Bird
Sprecher/innen: Craig T. Nelson, Holly Hunter, Sarah Vowell, Huck Milner, Catherine Keener, Eli Fucile, Bob Odenkirk, Sophia Bush
Laufzeit: 118 Min.
Verleih: Walt Disney Germany
Kinostart: 27. September 2018

FILMKRITIK:

Wie zwischendurch mal die „Avengers“ lebt die fünfköpfige Superheldenfamilie, bekannt als die „Unglaublichen“, neuerdings in einer Welt, in der Superheld/innen per Gesetz verboten wurden. Helen und Bob aka Mr. und Mrs. Incredible sowie Tochter Violet, Sohn Dash und das Baby Jack-Jack (Stimmen OV: Holly Hunter, Craig T. Nelson, Sarah Vowell, Huck Milner) hadern mit der ungeliebten Situation. Sie ärgern sich über Politiker, die nervös werden, wenn Leute einfach nur Gutes tun, ohne dafür etwas zu verlangen.
 
Da kommt das Angebot des wohlhabenden Winston (Bob Odenkirk) und seiner exzentrischen Schwester Evelyn (Catherine Keener) gerade Recht: Helen soll als Lobbyistin für Superhelden auftreten, um das Gesetz wieder zu ändern. Während Violet unter ihrem neuen Namen „Elastigirl“ undercover zur Tat schreitet, soll Bob im neuen Luxusheim der Familie auf die Kinder aufpassen... Als der Bösewicht „Screen-Slaver“ auftaucht und die Gedanken aller Menschen kontrollieren kann, sobald diese auf einen Bildschirm schauen, agiert die Heldenfamilie wieder so nachdrücklich und aufeinander eingespielt wie eh und je.
 
Der aktuelle Trend, starke Frauenfiguren im Actiongenre zu inszenieren (siehe u.a. „Atomic Blonde“), mag verdächtig erscheinen, weil er aus einem wichtigen Gesellschaftsthema, dem der Gleichberechtigung zwischen Mann, Frau und „Sternchen“, Kapital schlagen will. Dennoch erscheint Repräsentation wichtig, gerade im Kinder- und Jugendsegment. Hier trifft Brad Bird exakt ins Schwarze, wenn er Rollen- und Geschlechterbilder unverkrampft-komisch darstellt, ohne den Unterhaltungswert zu vergessen. Während das Baby Jack-Jack immer mehr und immer absurdere neue Fähigkeiten offenbart – jedes Schweizer Taschenmesser würde vor Neid erblassen – ringt Bob mit der Hausmannskost und Helen brettert auf ihrem Elastibike über den Asphalt. Das Baby im Clinch mit einem Waschbär kann locker als eine der lustigsten Sidekick-Szenen aller Zeiten bezeichnet werden.
 
Inszeniert hat das der Oscarpreisträger Brad Bird exakt auf den Punkt und ohne jede Länge. Emotion, Humor, Spannung und Action halten sich die Waage: Nie wird es dumm, nie öde. Dazu erklingt die hervorragende Musik des Filmkomponisten Michael Giacchino („Oben“). Auffallend schön fällt die Lichtsetzung auf, wenn immer wieder das Abendrot den Himmel erleuchtet und Lampen viele Farbakzente setzen.
 
Der Plot der lang angekündigten Fortsetzung und wie dieser sich entwickelt, ähnelt den Sujets üblicher Filme des nach wie vor zugkräftigen Superheldengenres sehr, auch und gerade in der Inszenierung der zwei großen Actionszenen. Nur, dass „Die Unglaublichen 2” in fast allen Aspekten die Nase vorn hat und sogar ein Stück runder ausfällt als Birds ohnehin schon erstklassig inszenierter Originalfilm. Aller Parallelen zum Trotz setzt Birds Film sich vom Einerlei ab: „Die Unglaublichen 2” ist ein Familienheldenfilm für die ganze Familie – und einer der gelungensten Animationswerke der letzten Jahre. Ein Film, in dem Diskussionen über das kindliche Zähneputzen, die Verknalltheit der Tochter und Abenteuer à la James Bond Hand in Hand gehen.
 
Ein Highlight für sich ist der treffend benannte Konterpart Screen-Slaver. Wie der gruselige Kilgrave aus der Netflix-Serie „Jessica Jones“ kann dieser Menschen und ihre Taten kontrollieren. Dafür benötigt er keinen realen Kontakt, sondern es genügt, wenn seine Opfer auf einen Screen schauen: Laptop, Smartphone, TV-Gerät zum Beispiel... Da stellt sich am Ende die Frage, ob der Screen-Slaver vielleicht nicht schon längst gewonnen hat, vielleicht ja sogar schon lang, bevor der Film überhaupt angefangen hat.
 
Christian Horn