Gimme Danger

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Jim Jarmusch würdigt in seiner mitreißenden Musikdokumentation die Pionierleistung seiner Lieblingsband, The Stooges. Mit ihrem extrovertierten Frontmann Iggy Pop verschaffte die Band aus Ann Arbor, Michigan, bei ihren ersten Auftritten im Jahre 1967 dem Publikum ein völlig neues musikalisches Hörerlebnis. Die rohe Mischung aus Blues, R&B, Free Jazz und Rock war ebenso neu, wie die provokante Bühnenshow von Iggy Pop.  Jim Jarmusch hat nicht nur großartige 16mm-Aufnahmen aus der Frühzeit der Stooges gesammelt, sondern den Aufstieg und Fall der Vorläufer des Punk-Rocks mit originellen Filmzitaten gegengeschnitten. Vor allem beweist der Regisseur großes Verständnis für die Bedeutung der Stooges, der sich nicht in kommerziellem Erfolg widerspiegelt, sondern in dem Einfluss, den die Band bis heute auf viele Musikern der Subkultur-Szene hat.

Webseite: www.gimmedanger.de

USA  2016
Regie & Drehbuch: Jim Jarmusch
Darsteller: James Osterberg alias Iggy Pop, Ron Asheton, Scott Asheton, James Williamson, Steve Mackay, Mike Watt
Laufzeit: 108 Min.
Verleih: Studiocanal
Kinostart: 27. April 2017

FILMKRITIK:

Konzerte der Stooges müssen Ende der 1960er Jahre auf die damaligen Besucher wie reine Pöbel- und Krawall-Shows gewirkt haben. Die lärmende Mixtur aus brachialen Rock- und Bluessongs, gepaart mit Iggy Pops provokanten und ungewöhnlich extrovertierten Bühnen-Shows sorgten für gespaltene Resonanz bei den konsternierten Konzertgästen. Das Quartett aus Ann Arbour in der Nähe von Detroit bestand in der Anfangsformation aus Drummer Scott Ashton, seinem Bruder Ron an der Gitarre, Dave Alexander als Bassist und Iggy Pop als Sänger.
 
Nicht selten endeten die Shows damit, dass die Musiker von einem Hagel an Wurfmaterial fliehen mussten. Heute kann Iggy Pop Anekdoten über die wilden und wechselhaften ersten Jahre der Stooges mit einem schelmischen Grinsen in die Kamera von Jim Jarmusch erzählen. Die Band hatte es damals zwar nie zu nennenswerten Plattenverkäufen gebracht und musste sich bereits Anfang der 1970er Jahre aufgrund von Drogenexzessen und finanziellen Schwierigkeiten zum ersten Mal trennen, aber die Stooges sind längst ein Stück Musikgeschichte geworden.
 
Iggy Pop selber feiert am 21. April 2017 seinen siebzigsten Geburtstag und erfreut sich, als einer der Überlebenden der Rockmusik, einer stetig wachsenden Medienpräsenz. Entsprechend entspannt kann er über die damaligen Misserfolge berichten, denn die Stooges durchlebten das Schicksal der meisten Pioniere. Als Urväter des Punks, später oft kopiert und kultisch verehrt, bereiteten sie auf steinigem Grund den Weg vor, den Bands wie die Sex Pistols oder Ramones, aber auch Sonic Youth oder Nirvana später mit größerem, kommerziellen Erfolg beschritten.
 
Iggy Pops umfangsreiches Interview zur Geschichte der Band steht im Fokus des Films. Dazwischen streut Jim Jarmusch selten gezeigtes Archivmaterial von Auftritten der Band und illustriert die Erinnerungen des Musikers teilweise mit Animationssequenzen, noch öfters aber mit ironisch kommentierten Filmzitaten aus alten Kino-Streifen oder aus TV-Sendungen. So entsteht ein dichtes Zeitkolorit dieser Jahre und man kann die ungewöhnliche Wirkung der Band erahnen.
 
Während in Kalifornien die Hippies im Flower-Power schwelgten, hämmerten die Musiker aus der Industrieregion von Michigan mit nihilistischem Nonkonformismus ihren harten Sound ins Publikum. Wilder und wütender konnte ein Gegenentwurf zu Love, Peace and Happiness kaum ausfallen. 
 
Zu dem umfangreichen Interview mit einem ungemein charmant und reflektiert daherkommenden Iggy Pop, gibt es noch weitere Film-Aufnahmen mit Gesprächen der übrigen Stooges-Mitglieder, die bis auf James Williamson im Laufe der Jahre verstorben sind. So konzentriert „Gimme Danger“ die ersten Jahre beleuchtet, verliert Jim Jarmusch bei der weiteren Bandgeschichte, die von verschiedenen Reunion-Versuchen geprägt war, mitunter den Faden. Das schmälert aber nicht den Unterhaltungswert, der sich nicht zuletzt durch die Präsenz eines großartig aufgelegten Iggy Pop beim Schauen einstellt.
 
Norbert Raffelsiefen