Maria Stuart, Königin von Schottland

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Eine sehr moderne, feministisch geprägte Lesart des Lebens der legendären Maria Stuart legt die Theaterregisseurin Josie Rourke mit ihrem Regiedebüt „Maria Stuart, Königin von Schottland“ vor. Atemberaubend ästhetisch, hervorragend besetzt, in seinem Versuch, zeitgenössische Relevanz zu erlangen, allerdings auch ein wenig bemüht.

Webseite: www.facebook.com/Maria.Stuart.DE/

Mary, Queen of Scots
Großbritannien 2018
Regie: Josie Rourke
Buch: Beau Willimon, nach der Biographie “Queen of Scots: The True Life of Mary Stuart” von Dr. John Guy
Darsteller: Saoirse Ronan, Margot Robbie, Jack Lowden, Joe Alwyn, David Tennant, Guy Pearce, Gemma Chan, Martin Compston
Länge: 124 Minuten
Verleih: Universal
Kinostart: 17. Januar 2019

FILMKRITIK:

Im Jahre 1561 kehrt Maria Stuart (Saoirse Ronan) in ihre Heimat zurück, erst 18 Jahre alt, aber schon Witwe und Königin von Schottland. Ihre Kindheit und Jugend hatte sie in Frankreich verbracht, wo sie zur Stärkung der Bande mit dem Dauphin von Frankreich verheiratet war, der 1560 starb. Während ihrer Abwesenheit hatten Regenten das Land regiert, nun ist Maria volljährig und selbst Königin. Doch sie beansprucht nicht nur den Thron Schottland, sondern sieht sich auch als rechtmäßige Herrscherin über England.
 
Dort regiert ihre Cousine Elisabeth I. (Margot Robbie), die nach der Abspaltung der protestantischen anglikanischen Kirche durch ihren Vater, Henry VIII., die Herrschaft übernommen hat. Doch die Katholiken im Land unterstützen Maria Stuart, die in ihrem Land betont liberal regiert und die Protestanten nicht verfolgt.
 
Ein Fernduell der Cousinen entbrennt, ein Kampf um die Nachfolgereglungen im Vereinigten Königreich, um Erben, Religion und Toleranz.
 
Vor genau 20 Jahren hatte Shekhar Kapur in „Elisabeth“ Cate Blanchett als aufstrebende Königin gezeigt, als starke Frau unter intriganten Männern, die sich am Ende für ein Leben ohne Kinder entschied und nur für ihr Land lebte. Eine Art Gegenstück ist nun das Regiedebüt von Josie Rourke, einer etablierten Theaterregisseurin, die sich schon oft mit den komplizierten Verwandtschaftsstrukturen englischer Königshäuser und den blutigen Intrigen an Hof beschäftigt hat. Doch theatralisch wirkt ihr Historienfilm in keinem Moment, im Gegenteil. Abseits aller inhaltlicher Fragen (und auch Kritikpunkte) ist „Maria Stuart, Königin von Schottland“ ein atemberaubend ästhetisches Vergnügen: Diese Landschaften! Diese Burgen! Diese Kostüme! Diese Frisuren! Man könnte hier einfach nur zwei Stunden zuschauen, sich an all der Pracht laben und hätte keine Zeit vergeudet.
 
Doch natürlich geht es Rourke auch um anderes als bloße Schauwerte, namentlich eine ausgesprochen feministische, moderne Lesart des Fernduells zweier Frauen, die im Zentrum der politischen Geschicke ihrer Zeit standen. Dass sowohl Elisabeth als auch Maria Stuart ihrer Zeit weit voraus waren und sich in einer von Männern dominierten Welt durchsetzen, steht außer Frage. Doch das reicht Rourke nicht. Sie beschreibt Maria Stuart als durch und durch tolerante Person, die nicht nur anderem Glauben tolerierte, sondern auch Homosexualität unter ihren Hofdamen - und einem schwulen Hofmann - duldet, als wäre es das 21. Jahrhundert.
 
Und so fühlen sich manche Aspekte des Films auch an: Im Bemühen besonders woke zu sein, also zu zeigen, wie bewusst man sich all der Diskriminierungen und Vorurteile ist, die noch herrschen, schreckt Rourke auch nicht davor zurück, diverse Asiaten und Schwarze für Rollen am Hof zu besetzen, was zwar sehr modern, aber auch weitestgehend ahistorisch ist.
 
All dieses Bemühen um einen betont modernen, toleranten, feministischen Blick auf Maria Stuart, Elisabeth und ihre Zeit wäre gar nicht nötig gewesen, denn diese beiden Frauen waren ihrer Zeit ohnehin weit voraus. Zumindest eine Zeitlang, denn bekanntermaßen ließ Elisabeth ihre Cousine bald einsperren, um ihre immer stärker werdenden Ansprüche auf den Thron, besonders durch ihren Sohn James, mit dem sie der kinderlosen Elisabeth voraus war, zu bremsen. Doch diese weiblichen Hauptfiguren auch als manipulativ zu zeigen, so wie es etwa Yorgos Lanthimos in seinem fast zeitgleich ins Kino kommenden „The Favourite“ tut, wagt Josie Rourke nicht. Was ihren Film am Ende dann doch etwas weniger modern wirken lässt als intendiert und „Maria Suart, Königin von Schottland“ zu einem im Kern altmodischen, aber immer noch sehenswerten und vor allem enorm ästhetischen Film macht.
 
Michael Meyns