Norman

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Ein soignierter, freundlicher Herr gibt vor, Berater zu sein, und versucht so, in New York Kontakte zu einflussreichen Politikern und Geschäftsleuten zu knüpfen – bislang ohne Erfolg. Sein Blatt wendet sich, als er einen israelischen Politiker kennen lernt und mit einem großzügigen Geschenk seine Freundschaft gewinnt. Das hätte er besser gelassen… Intelligent geschriebener, vielschichtiger Politthriller um einen selbsternannten Berater, der sich in ein Netz aus Lügen und falschen Versprechungen verstrickt. In der Titelrolle von Richard Gere nuanciert und bravourös gespielt.

Webseite: www.normanfilm.de

OT: Norman: The Moderate Rise and Tragic Fall of a New York Fixer
USA/Israel 2017
Regie: Joseph Cedar
Darsteller: Richard Gere, Lior Louie Ashkenazi, Michael Sheen, Charlotte Gainsbourg
Länge: 118 Min.
Verleih: Sony
Kinostart: 21.9.2017

FILMKRITIK:

So ganz wird nicht deutlich, was Norman Oppenheimer eigentlich macht. Ist er ein Geschäftsmann? Ein Lobbyist? Ein Strippenzieher? Mit Mantel, Schirmmütze und Ohrstöpseln läuft er durch die Straßen Manhattans, telefonierend und gestikulierend. Nie sieht man ihn in einem Büro, nie Zuhause, stets ist er unterwegs. Herausgekommen ist dabei bislang allerdings noch nichts. Bis Norman auf einer Konferenz Micha Eshel kennen lernt, einen israelischen Politiker, der gerade an einem Tiefpunkt seiner Karriere angekommen ist. Norman folgt Eshel in ein Luxusgeschäft und schenkt ihm ein Paar sündhaft teure Schuhe, um seine Freundschaft zu gewinnen. Drei Jahre später. Eshel ist Premierminister Israels geworden. Er erinnert sich an seinen Freund aus Amerika und nimmt ihn quasi in seinen Inneren Kreis auf. Doch dann macht Norman zahlreiche Versprechen – seinem Neffen, dem Rabbi in seiner Gemeinde, dem Assistenten eines Finanzmagnaten. Versprechen, die er nicht einhalten kann. Eshel hingegen gerät ins Fadenkreuz einer parlamentarischen Untersuchung: Er soll unerlaubte Geschenke angenommen haben…

Regisseur und Drehbuchautor Joseph Cedar hat mit Norman einen vielschichtigen und widersprüchlichen Charakter geschaffen, der von Richard Gere lebendig und facettenreich verkörpert wird. Den ganzen Film über gelingt es ihm, ein mimisches Spannungsfeld aus Freude, Furcht und Enttäuschung zu erzeugen. So wie Gere diesen Mann spielt, muss man Norman aber nicht mögen. Er lügt unentwegt und missbraucht das Vertrauen seiner engen Umgebung. Trotzdem: Norman nimmt seine Geschäfte ernst, das sieht man an dem Diagramm, das er – in einer schicksalhaften Begegnung – seiner Sitznachbarin im Zug aufmalt: Er ist das Zentrum eines wilden Durcheinanders, bei dem alle Fäden zusammen laufen. Dass er sich auch Illusionen macht, zeigt jene Traumsequenz, in der die Zeit eingefroren ist, und Norman sich die Gesichter derjenigen anschaut, die er zu kennen meint.

Joseph Cedar bricht seine in vier Kapitel aufgeteilte Erzählung gelegentlich durch solche Verfremdungseffekte auf. So bleibt Norman in einer originellen Szenenfolge im selben Sessel sitzen, der dann tricktechnisch in eine andere Umgebung gestellt wird. Während er telefoniert, steht sein Gesprächspartner gleich neben ihm – so als sollte hier eine besondere Nähe zwischen Berater und Klient evoziert werden. Eine Nähe, die es nicht gibt: „Nobody knows anything about you,“ sagt Charlotte Gainsbourg, die Sitznachbarin im Zug, beim erneuten Wiedersehen und bringt damit Normans Dilemma auf den Punkt. Und das ist das eigentlich Faszinierende an diesem Film: Man fiebert mit Norman mit, obwohl er ein Rätsel bleibt.

Nebenbei geht es hier auch um anderes, zum Beispiel eine jüdische Gemeinde, die sich um sozial Benachteiligte kümmert, um einen israelischen Premierminister, der nach einer Lösung für den Nahostkonflikt sucht und dabei keine Rücksicht auf Freundschaften nehmen kann. Kleine Nebenstränge, die „Norman“ mit seinen Themenfeldern um politische Einflussnahme und Korruption, Freundschaft und Betrug perfekt abrunden.

Michael Ranze