The Girl King

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Schon die Hollywood-Industrie mit der legendären Greta Garbo interessierte sich für die kapriziöse Königin Kristina von Schweden. Der unkonventionelle Lebensstil der charismatischen Monarchin, die im 17. Jahrhundert die Fesseln ihrer Zeit sprengt, inspiriert Regisseur Mika Kaurismäki zu seinem faszinierend, facettenreichen Kostümdrama. Basierend auf geschichtlichen Fakten zeichnet der versierte Finne das mutige und leidenschaftliche Leben dieser starken Frau, die Weltgeschichte schrieb, überzeugend nach. Weder sentimental noch pathetisch verkörpert die junge Schwedin Malin Buska ihre schillernde Persönlichkeit im Ränkespiel um Liebe und Macht.

Webseite: www.thegirlking-derfilm.de

Finnland/ Kanada/ Deutschland/ Schweden 2015
Regie: Mika Kaurismäki
Drehbuch: Michel Marc Bouchar
Darsteller: Malin Buska, Sarah Gadon, Michael Nyqvist, François Arnaud, Hippolyte Girardot, Lucas Bryant, Laura Birn, Martina Gedeck, Peter Lohmeyer, Patrick Baucha, Jannis Niewöhner, Hippolyte
Länge: 106 Minuten
Verleih:   NFP
Kinostart: 21.7.2016
 

FILMKRITIK:

„Mit dem Schwert deines Vaters gehört Schweden dir“, erklärt Ziehvater und Kanzler Axel Oxenstierna (Michael Nyqvist) der unbefangenen Kristina (Malin Buska). Reiten, jagen und fechten bedeuten der jungen Frau wesentlich mehr als Etikette und Kleidung. Auf dem Thron jedoch erweist sich Gustav Adolfs Tochter als energische Herrscherin und pragmatische Politikerin. „Ich will Stockholm zum neuen Athen machen“, verkündet sie kurz nach ihrer Krönung. „Um diesen Traum zu erreichen müssen wir uns eine der größten Herausforderung stellen: Frieden“. Ein Affront, der die konservativen, protestantischen Herren ihres Hofstaats erschauern lässt.
 
Denn den dreißigjährigen Krieg zu beenden scheint ihnen als Eingeständnis der Niederlage vor den Katholiken. Doch damit nicht genug. Die ungestüme Herrscherin lehnt auch sämtliche Heiratsanträge ab. Stattdessen wirft die 18jährige ein Auge auf ihre reizende Kammerzofe Gräfin Ebba Sparre (Sarah Gadon). Trotzdem erlebt Stockholm, beflügelt durch ihre freigeistige Lebensart, eine kulturelle Blüte und wird zum Anziehungspunkt für bedeutende Künstler und Gelehrte. Selbst den größten Philosophen seiner Zeit, den Franzosen René Descartes (Patrick Baucha) holt Kristina an ihren Hof. Der wichtigste Wegbereiter der Aufklärungsphilosophie soll sie unterrichten.
 
Und auch damit macht sie sich unter den protestantischen Schweden keine Freunde. Gleichzeitig verärgert sie mit ihrer immer offener gelebten Leidenschaft für ihre Hofdame Ebba ihre besten Freunde, Oxenstiernas Sohn Johan (Lucas Byrant) und ihren Cousin Karl Gustav (Francois Arnaud). Denn schließlich gefährdet eine Beziehung ohne Thronfolger die Dynastie. Und so wird es immer einsamer um die Königin in den hohen, dunklen Räumen ihres Schlosses. Die wagemutige Pionierin isoliert sich mehr und mehr und verliert selbst ihren letzten Verbündeten, den loyalen Ratgeber Axel Oxenstierna als sie vorhat zum katholischen Glauben überzutreten.
 
Hollywood ließ seinen Klassiker über Königin Christine von Schweden, die Thron und Liebhaber verliert, mit einer leinwandfüllenden Aufnahme von Greta Garbos unbewegtem Gesicht enden. Regisseur Mika Kaurismäkis Schlussbild vermittelt dagegen Hoffnung und Aufbruchsstimmung. „Jeder will Freiheit und seine Zukunft selbst bestimmen“, glaubt er und hofft, dass sich junge Menschen von heute mit seinem historischen Psychodrama identifizieren können. Das könnte durchaus gelingen. Denn seine Hauptdarstellerin, die junge Schwedin Malin Buska, verkörpert die schillernde Persönlichkeit der außergewöhnlichen jungen Frau im Ränkespiel um Liebe und Macht weder sentimental noch pathetisch.
 
Zusammen mit seinem jüngeren Bruder Aki revolutionierte der versierte Filmemacher Anfang der 1980er Jahre das Gesicht des finnischen Kinos. Mit seinen exzellenten Musikdokumentationen “Moro no Brasil” und “Brasileirinho” feierte der Globetrotter und Grenzgänger des internationalen Kinos die Musik der Brasilianer  „als eine Art soziales Überlebensritual”.  Brasilien wurde nicht zuletzt deshalb seine zweite Heimat. Der sympathische Mika Kaurismäki erprobte sich in vielen Genres, bevorzugt im Road Movie und der Außenseiterballade. Obwohl seine Filme nationale und internationale Preise erhielten, blieb er ein wenig im Schatten seines als originellen Autorenfilmer geehrten Bruders.  
 
Spätestens, seit er in der Verfilmung von Stieg Larssons Millenniums-Trilogie „Verblendung“, „Verdammnis“ und „Vergebung“ den Journalisten Michael Blomkvist darstellte, ist der schwedische Schauspieler Michael Nyqvist ein internationaler Superstar. Nicht selten ist seine Spezialität Leinwand-Bösewichtern eine besonders abgründige Note zu verleihen. Selbst Tom Cruise engagierte den Charakterdarsteller für seinen „Mission Impossible 4“ als Gegenspieler. Diesmal brilliert der 55-Jährige mit den durchdringend hellblauen Augen in der Rolle des väterlichen Freundes.
 
Die britische Zeitung „The Sunday Times“ nannte Martina Gedeck einst die „deutsche Meryl Streep“. Bereits zwei ihrer Filme waren für den Oscar nominiert. Robert de Niro holte sie für seinen Film „Der Gute Hirte“ vor die Kamera. Doch die gebürtige Münchnerin wirkt nicht wie die glitzernd, glatte Hollywood-Schönheit. Oft strahlt sie eine gewisse Schwermut aus. „Meine Figuren müssen, selbst wenn es nur für Sekunden ist, immer ihre dunkle Seite zeigen“, betont die 54jährige. Wohl deshalb meistert sie ihre drei kurzen bestechenden Auftritte als irre Mutter Königin Maria Eleonora von Brandenburg derart überzeugend.

Luitgard Koch