Triple 9

Zum Vergrößern klicken

Das Leben eines Einzelnen zählt nicht allzu viel in manchen Vierteln amerikanischer Großstädte. Wo Straßengangs herrschen und korrupte Cops Streife fahren, sind Gewalt und Tod allgegenwärtig. Im Crime-Thriller „Triple 9“ gerät ein idealistischer Polizist (Casey Affleck) in das Fadenkreuz seiner kriminellen Kollegen, die für die russische Mafia riskante Raubzüge ausführen. Das von „The Road“-Regisseur John Hillcoat straff inszenierte Actiondrama schickt seinen A-Cast (darunter Chiwetel Ejiofor, Anthony Mackie und Woody Harrelson) auf einen temporeichen, blutigen, harten Trip, dessen Rhythmus man sich aber kaum entziehen kann.

Webseite: www.wildbunch-germany.de

USA 2016
Regie: John Hillcoat
Drehbuch: Matt Cook
Darsteller: Casey Affleck, Anthony Mackie, Chiwetel Ejiofor, Woody Harrelson, Aaron Paul, Kate Winslet, Clifton Collins Jr., Norman Reedus
Verleih: Wild Bunch, Vertrieb: Central
Laufzeit: 115 Minuten
Kinostart: 6.4.2016
 

FILMKRITIK:

In John Hillcoats Crime-Actioner „Triple 9“ ähnelt Atlanta dem Vorhof zur Hölle. Rivalisierende Gangs, Drogenhandel, Prostitution, Morde, Schießereien. Die Südstaaten-Metropole wird uns als verschlungener Moloch präsentiert, in dem besonders das Leben eines Polizisten kaum etwas wert zu sein scheint. Wenn der Polizeifunk einen Code „999“ meldet, wurde wieder ein Beamter im Dienst tödlich verletzt. Den ehrgeizigen Chris (Casey Affleck) halten diese Schreckensberichte jedoch nicht davon ab, sich auf eine freie Stelle in einem Problemviertel Atlantas zu bewerben. Protegiert von seinem Onkel (Woody Harrelson), einem erfahrenen Sergeant Detective, tritt er schließlich seinen Dienst auf der neuen Wache an. Was er zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnt: Sein Partner Marcus (Anthony Mackie) gehört zu einer Gruppe korrupter Cops, die für die russische Mafia Banken ausrauben und andere dreckige Aufträge erledigen.
 
Hillcoats Film beginnt rasant und geradezu unvermittelt mit einem jener Überfalle. Für die russische Clan-Chefin Irina (Kate Winslet) soll die Truppe um Marcus und Michael (Chiwetel Ejiofor) brisante Dokumente aus einem Bankschließfach besorgen. Es ist eine von gleich mehreren unglaublich intensiven, exakt komponierten Action-Sets, in denen die Kamera einerseits dicht an den Akteuren bleibt und man als Zuschauer andererseits nie den Überblick verliert. Schnittfrequenz und Tempo sind hoch und dennoch zweckmäßig. Und es zeigt sich bereits, welche Sogwirkung „Triple 9“ entfalten kann und noch mehrmals entfalten wird. Die atmosphärisch aufgeladenen Bilder von Nicolas Karakatsanis mit ihren bunten Bokehs verwandeln die Figuren in Wildtiere auf Beutezug und die Großstadt Atlanta in einen undurchsichtigen Dschungel. „Triple 9“ spielt an Orten, an denen man Schönheit und Ordnung meist vergeblich sucht. Stattdessen bestimmt wie in der später von Chris und Marcus besuchten Sozialbausiedlung ein unaufhaltsamer Verfall die Ästhetik des Films.
 
Man darf vermuten, dass sich Hillcoat der durchaus offensichtlichen Limitierungen des Plots bewusst war. In weiten Teilen folgt die Geschichte schließlich den Mechanismen des Genres. Dies betrifft sowohl die Charaktere – was besonders bei Woody Harrelsons Detective und der von Kate Winslet verkörperten Mafia-Chefin auffällt – als auch die Logik der Handlung, deren Glaubwürdigkeit gelegentlich durch Zufälle und Verkürzungen angekratzt wird. Grundsätzlich entwickelt der Film aber ein insgesamt authentisches, raues Großstadt-Setting und ein echtes Gefühl der Bedrohung. „Triple 9“ lebt dabei wie jeder guter Crime-Thriller von einer diffusen, nur schwer fassbaren Anspannung und Unsicherheit. Niemand ist hier sicher und keine Wendung undenkbar.
 
Dafür nimmt man gewisse Originalitätsdefizite gerne in Kauf. „Triple 9“ bedient sich bei Figurenzeichnung und Story großzügig aus dem Fundus seines Genres. Von den Werken eines James Ellroy, über Cop-Geschichten wie „Training Day“ bis hin zu Cronenbergs „A History of Violence“ sind die Anleihen zahlreich und unübersehbar. Für den im Umgang mit apokalyptischen Szenarien vertrauten Hillcoat boten die dreckigen Ecken Atlantas indes die perfekte Bühne für ein durchweg düsteres Crime-Drama, das mit hypnotischen Bildern, einem treibenden Score und harter Action reichlich Adrenalin produziert. Und wer genau hinhört, entdeckt darin sogar den Schlag eines dunklen, kalten Herzens.
 
Marcus Wessel