Vakuum

Zum Vergrößern klicken

Nach einer Schockdiagnose verändert sich das Leben eines über die Jahrzehnte gemeinsam alt gewordenen Paars in Christine Reponds eindringlichem Drama „Vakuum“ schlagartig. Nichts ist mehr, wie es war. Und auch die Vertrautheit, die 35 Jahre Ehe dominiert hat, ist verschwunden. Das alte Leben ist vorbei. Als Zuschauer kann man das in diesem aufrichtigen, unprätentiösen Film sehr gut nachvollziehen.

Webseite: www.realfictionfilme.de

Deutschland 2018
Regie & Drehbuch: Christine Repond
Darsteller: Barbara Auer, Robert Hunger-Bühler
Länge: 80 Minuten
Verleih: RFF Real Fiction Filmverleih
Kinostart: 14. März 2019

FILMKRITIK:

Eigentlich ist das Leben für Meredith (Barbara Auer) perfekt. Sie ist seit 35 Jahren glücklich mit André (Robert Hunger-Bühler) verheiratet, das Paar ist wohlsituiert, hat erwachsene Kinder, aufgeweckte Enkel, einen guten Freundschaftskreis, liebt sich und hat sogar noch Sex miteinander. Aber dann ändert sich alles, als Meredith nach einer Blutspende erfährt, dass sie HIV-positiv ist. Sie kann nur von André infiziert worden sein, da sie weder Blutkonserven bei einer Operation benötigt hätte, noch ihren Mann betrogen hat. Der wiederum war offenkundig außerehelich aktiv. Ein Vertrauensbruch, der Meredith in ihren Grundfesten erschüttert. Weil sie nun definieren muss, wie ihr Leben sein soll. Kann sie ihrem Mann vergeben und weitermachen, oder muss sie das vertraute Leben zurücklassen und sich neu erfinden?
 
Der zweite Film der Schweizer Regisseurin Christine Repond basiert auf authentischen Ereignissen, wie sie selbst erklärte. Dieses schwierige Thema war also eines, das nicht sie sich ausgesucht hat, sondern von dem sie ausgesucht wurde. Weil sie dem Kern der Geschichte auf den Grund gehen und sehen wollte, wohin dies führt. Herausgekommen ist ein etwas sprödes, aber authentisches Drama, das vor allem von zwei großen Schauspielern getragen wird.
 
Mehr noch als Robert Hunger-Bühler entblößt sich hier jedoch Barbara Auer – und das nicht nur emotional, sondern auch körperlich. Repond beschönigt nicht, sie blickt ohne Voyeurismus auf ein Leben und wahrt dabei die respektvolle Distanz, während man als Zuschauer miterlebt, wie das alternde Paar Sex hat, wie es in Streit gerät und wie die Einsamkeit und das Gefühl des Verlusts Meredith zu übermannen drohen.
 
Im Film herrscht dann das „Vakuum“ des Titels, weil das alte Leben, wie es war, nicht mehr existiert, und das neue, wie es sein könnte, noch nicht da ist. Meredith und André befinden sich in einer Übergangsphase, die entscheiden wird, ob beide weiterhin denselben Weg beschreiten oder sich trennen werden. Denn wieder und wieder stellt der Film die Frage, wie viel Verletzung und Enttäuschung Liebe erdulden kann, bis der Moment gekommen ist, da sie vergehen muss.
 
Repond erzählt das in nüchternen Bildern, unterstützt von Kamerafrau Aline László, die es versteht, die Authentizität des Gezeigten einzufangen. Der Film hätte sich in den üblichen Parametern einer Krankengeschichte ergehen können, verzichtet aber darauf und konzentriert sich stattdessen auf das schonungslos ehrliche Porträt einer Frau, die an zwei Fronten kämpfen muss, den Zeiten des emotionalen Aufruhrs aber mit enormer Stärke begegnet.
 
Peter Osteried