Van Gogh – An der Schwelle zur Ewigkeit

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Vielleicht ist ein Künstler der Richtige, einen Film über einen Künstler zu drehen. Zumal es dem Maler und Filmemacher Julian Schnabel in „Van Gogh - An der Schwelle zur Ewigkeit“ weniger darum geht, einen klassischen biographischen Film zu drehen, als einen filmischen Weg zu finden, den besonderen Blick zu verstehen, den van Gogh auf die Welt hatte. Ein außerordentlicher Film über einen außerordentlichen Maler.

Webseite: dcmworld.com

At Eternity's Gate
USA 2018
Regie: Julian Schnabel
Buch: Julian Schnabel, Jean-Claude Carrière, Louise Kugelberg
Darsteller: Willem Dafoe, Rupert Friend, Oscar Isaacs, Mads Mikkelsen, Mathieu Amalric, Niels Arestrup, Emmanuelle Seigner, Vincent Perez
Länge: 110 Minuten
Verleih: DCM
Kinostart: 18. April 2019

FILMKRITIK:

1888 siedelt Vincent van Gogh (Willem Dafoe) von Paris in den Süden Frankreichs um, in das kleine Dorf Arles. 35 Jahre ist er zu diesem Zeitpunkt alt, hat hunderte Gemälde gemalt, doch noch keins verkauft. Nur das Geld, das sein Bruder Theo (Rupert Friend) als Kunsthändler verdient, hält Vincent über Wasser. Es ermöglicht ihm, sich in einem winzigen Zimmer in einer Pension einzumieten und ziellos durch die atemberaubende Natur zu streifen, zu beobachten, wie sich das Licht in den Weizenfeldern und den sattgrünen Bäumen bricht, wie die Farben leuchten und zu malen. Ein Bild nach dem anderen entsteht, doch es scheint, dass van Gogh es kaum aushält, die Welt endlich klar zu sehen.
 
Immer wieder wird er von Anfällen geplagt, die seinen Bruder schließlich dazu bringen, ihn für einige Zeit in ein Spital einweisen zu lassen. Ein Besuch von seinem guten Freund und Kollegen Paul Gauguin (Oscar Isaacs) lindert für einige Wochen van Goghs Schmerz, doch Gauguin verlässt ihn bald, van Gogh bleibt allein zurück, mit sich und seinen Gedanken.
 
Viele große Regisseure wie Robert Altman, Vincenti Minelli oder Akira Kurosawa haben sich mit Vincent van Gogh beschäftigt, über keinen Maler gibt es so viele Filme wie über ihn. Sicher kein Zufall, gelingt van Gogh doch etwas, wonach auch die besten Regisseure streben: Nicht zu erzählen, sondern durch Bilder Emotionen zu evozieren. Weniger um eine konventionelle Narration geht es somit auch Julian Schnabel in seinem Film, weniger um ein Abhaken der bekannten Daten von van Goghs Biographie, sondern um den Versuch anzudeuten, wie van Gogh die Welt sah.
 
Weite Passagen von „Van Gogh - An der Schwelle zur Ewigkeit“ bestehen aus impressionistischen Aufnahmen, gefilmt vom brillanten Kameramann Benoît Delhomme, der ebenfalls ein Maler ist und zusammen mit Schnabel Bilder gefunden hat, die es schaffen, anzudeuten, was van Gogh gesehen haben mag: Gleißendes, mal weiches, mal hartes Licht, satte Farben, geprägt von dem Gelb der Felder, dem Grün der Blätter, dem Blau des Himmels, das van Goghs Gemälde prägt.
 
Als Schule des Sehens mag man Schnabels Film begreifen, aber auch als Andeutung der Kosten, den die besondere Gabe mancher Künstler fordert. Zunehmend von Verzweiflung ist das markante Gesicht von Willem Dafoe gezeichnet, der van Gogh weniger spielt, als mit ganzem Einsatz verkörpert. Nur wenn er sich allein durch die Natur bewegt scheinen ihm Momente des Glücks vergönnt, Momente, in denen er ganz rein mit sich und der Welt ist. Als wahnsinnige Gabe schildert Schnabel van Goghs Fähigkeit, in seinen Bildern Momente einzufangen, die die Welt nicht zeigen, wie sie oberflächlich aussieht, sondern wie sie im Kern ist.
 
Natürlich huldigt Schnabel dabei auch einem Geniekult, verklärt er den genialisch-wahnsinnigen Künstler, als der er sich auch selbst gerne gibt. Und doch: Selten wurde der Schaffensprozess eines Künstlers so authentisch auf die Leinwand gebracht wie es Schnabel, Dafoe und Delhomme hier gelingt.
 
Michael Meyns