Weil du nur einmal lebst – Die Toten Hosen auf Tour

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Eine Punkband auf Tour. Da denkt man an Alkohol und Exzesse, doch bei den Toten Hosen ist das inzwischen anders. Denn die Düsseldorfer Musiker sind Mitte 50 und so verläuft eine Tour, wie sie Cordula Kablitz-Post in ihrer Dokumentation „Weil du nur einmal lebst - Die Toten Hosen auf Tour“ beschreibt, eher kontrolliert und gesittet ab. Für Fans der deutschen Punklegenden ist das natürlich dennoch ein Muss.

Webseite: www.dieTotenHosen-derFilm.de

Dokumentation
Deutschland 2019
Regie: Cordula Kablitz-Post, Paul Dugdale
Buch: Cordula Kablitz-Post
Länge: 107 Minuten
Verleih: NFP
Kinostart: 28. März 2019

FILMKRITIK:

Bei Namen wie Andreas Frege, Michael Breitkopf oder Andreas von Holst denkt man nicht unbedingt an Punkrocker, Campino, Breiti oder Kuddel hört sich dagegen schon eher nach simplen Akkorden und gegrölten Refrains an, zu denen das alkoholgeschwängerte Publikum Pogo tanzt. Anfang der 80er Jahre gründeten sich Die Toten Hosen in Düsseldorf und sind inzwischen längst im Establishment der Bundesrepublik angekommen. Ihre Konzerte füllen Stadien und gerade Leadsänger Campino tritt immer wieder als eine Art Elder Statesman auf, der sich auf Podien und anderen Veranstaltungen gegen Rassismus und Nazis ausspricht. Eine Haltung, die den Punkern stets zu eigen war und dieser Gehör zu verschaffen bedauerlicherweise immer noch notwendig ist.
 
So sind auch die Konzerte der Toten Hosen-Tour, die Cordula Kablitz-Post in ihrer Dokumentation „Weil du nur einmal lebst - Die Toten Hosen auf Tour“ zeigt, immer wieder Fanale gegen Fremdenfeindlichkeit und Rechte. Nicht nur in dieser Hinsicht hat sich bei den Toten Hosen in ihrer über dreißigjährigen Bandgeschichte wenig geändert, auch die Akkordfolgen ihrer Lieder sind gleichbleibend schlicht - im besten Fall aber höchst effektiv und mitreißend. Denn das vor allem zeigt die liebevolle Dokumentation, die die Band aus ein wenig verklärter Fansicht zeigt: Die Konzerte der Toten Hosen sind ein Ereignis, ein kollektives Fest.
 
Während ihrer Tour 2018 begleitete Kablitz-Post die Band, doch wenn man hier Exzesse, Groupies und klapprige Tourbusse erwartet, wird man enttäuscht. Die Toten Hosen operieren längst als mittelständisches Unternehmen, die eine Hundertschaft - fast ausschließlich - männlicher Mitarbeiter beschäftigt, kurven in komfortablen Bussen durch die Republik und trinken vor den Auftritten eher Kräutertee als Alkohol. Mit dem Klischee vom Punk hat das nur noch wenig zu tun, was der Band durchaus bewusst ist. Mit großer Ironie betrachten sich die gealterten Musiker selbst, sind sich ihrer körperlicher, aber auch musikalischen Defizite durchaus bewusst und unterhalten sich wie andere Mittfünfziger auch über ihre Wehwehchen: „Ich habe meinen Tinnitus seit 1994“ heißt es da einmal, nach schweißtreibenden Auftritten hängen sie erschöpft in den Sesseln, doch der Reiz, immer wieder auf die Bühne zu treten, ist ungebrochen: „Und immer wieder, sind es dieselben Lieder, die sich anfühlen, als würde die Zeit still stehen“ wie es in einem Text der Band heißt und das ist für die Fans wohl der Reiz: Egal ob in ihrer Düsseldorfer Heimat, in Stuttgart, Dresden oder gar in Argentinien, wo die Toten Hosen erstaunlich viele Anhänger haben: Die Begeisterung der Fans ist enorm und exzessiv und wohl der Grund, warum es immer weitergeht. Vor allem das ist die Qualität einer ansonsten sehr behutsamen, nicht in die Tiefe gehenden Dokumentation: Anzudeuten, was die Toten Hosen für ihre zahlreichen Fans bedeuten, die sie oft seit Jahrzehnten kennen und mit ihnen älter, ein bisschen weiser, aber nicht einen Deut leiser geworden sind.
 
Michael Meyns