In einem OFFENEN BRIEF weisen die unabhängigen Filmverleiher darauf hin, dass auch sie in dieser prekären Corona-Krise stark gefährdet sind und fordern ein Weiterdenken der jetzigen Förderungen. Zwar seien die Hilfen für die Kinos, insbesondere die Arthousekinos, gut und richtig gewesen - allerdings werde die Hilfe für die Kinos von den Verantwortlichen bei BKM, FFA und Länderförderern nicht zu Ende gedacht, denn "Ohne Filme kein Kino". Die 14 Millionen Euro aus dem Paket „Neustart Kultur“, die als Unterstützung für den Verleih Produktionen mit deutscher Beteiligung zugesagt wurden, seien ein erster Schritt, das ausschließliche Festhalten an den althergebrachten Förderinstrumenten jedoch nicht zielführend. Es brauche darüber hinaus zusätzliche Mittel sowie eine Unterstützung in Anlehnung an das erfolgreiche französische Modell, welche das CNC innerhalb weniger Wochen umgesetzt hat und das Anreize für Verleiher schafft, Filme mit großem Zuschauerpotential auch unter den derzeitigen prekären Bedingungen zu starten. "Der Erfolg dieser Notfall-Referenzförderung ließ sich eindrücklich beim Vergleich der aktuellen französischen und deutschen Kino-Besucherzahlen ablesen", so die 30 unterzeichnenden (von A wie Alamode bis X wie X Verleih) unabhängigen Filmverleiher. - Der ganze Offene Brief hier...
Offener Brief unabhängiger deutscher Filmverleiher zur Fördersituation der Filmwirtschaft in der Corona-Krise
Es ist eine gute Nachricht, dass den Kinos in der Corona-Krise von BKM, FFA und den Länderförderern zum jetzigen Zeitpunkt bereits mehr als 100 Millionen Euro zur Verfügung gestellt wurden. Diese Gelder sind zum Teil schnell und unbürokratisch geflossen. Ohne diese Förderungen und Billigkeitsleistungen wäre das Überleben vieler Kinos nicht möglich gewesen.
Doch die Hilfe für die Kinos wurde von den Verantwortlichen bei BKM, FFA und Länderförderern nicht zu Ende gedacht. Es fehlt bis heute die Gesamtsicht auf die Filmwirtschaft und Filmkultur und deren Repräsentanten. Der Kulturort Kino ist ein wichtiges Glied der Filmwirtschaft. Verkürzt man aber im Wesentlichen alle Bemühungen auf diesen einen Ort, werden Filmwirtschaft und Filmkultur insgesamt geschädigt. Hierdurch würde letztlich auch der Kulturort Kino, trotz aller gut gemeinten Förderung, in Mitleidenschaft gezogen. Ohne Filme kein Kino.
Bereits in der Vergangenheit lagen die wirtschaftlichen Risiken eines Filmstarts weitgehend auf den Schultern der Verleiher. Wir starten Filme mit hohem finanziellem und persönlichem Engagement. Dieses Risiko hat sich durch die pandemiebedingte Reduzierung der Sitzplätze vervielfacht. Dennoch sind wir in Vorleistung gegangen. Ohne uns hätten insbesondere die Arthousekinos, die im Fokus der Rettungsbemühungen stehen, seit der Wiedereröffnung der Kinos kein attraktives Filmangebot zu bieten.
Wir alle starten diese Filme in dem Bewusstsein, dass in diesen besonderen Zeiten nur noch ein kleiner Teil der Besucherzahlen möglich ist, die vor Corona möglich waren. Dies liegt nicht nur an den Platzbeschränkungen, sondern auch an der Zurückhaltung des Publikums. Massive Umsatzrückgänge sind die Folge, unter denen alle Verleiher, Produzenten und Kinobetreiber zu leiden haben.
Die Filmbranche ist eng verknüpft – weder startet die Wertschöpfung im Kino noch endet sie dort. Dies ist ein fundamentales Problem, auf das wir seit Beginn des Corona-Lockdowns im März immer wieder aufmerksam gemacht haben und das durch eine reine Risikopufferung althergebrachter Verleihförderung nicht gelöst wird. Die Konsequenz, die wir nun am Markt erleben, sind regelmäßige Startverschiebungen auf 2021 und danach oder gar der Verzicht auf Kinostarts zugunsten von Streaming-Angeboten.
In Deutschland wurden für die Bereiche der Kino- und der Produktionsförderung pragmatische Lösungen gefunden und neue Förderinstrumente aufgesetzt. Für den zentralen Bereich des Filmverleihs haben sich FFA und BKM jedoch entgegen unserer Expertise dazu entschieden, nur auf Fördermodelle aus der Zeit vor Corona zurückzugreifen. Eine Mittelaufstockung der alten Modelle ist aber zur Lösung der aktuellen Aufgaben ungeeignet, denn:
– Das Modell ausschließlich projektbezogener Förderung in Abhängigkeit von oftmals subjektiv geprägten Förderentscheidungen wird den Herausforderungen in der derzeitigen Situation nicht gerecht. Eine übergreifende strukturelle Unterstützung, in Anlehnung an die Förderung der Filmtheater, wäre hier zielführend.
– Die vorhandenen Förderinstrumente der BKM kommen ausschließlich deutschen Filme zugute, bei der FFA erweitert um deutsche Koproduktionen. Unsere Aufgabe besteht aber darin, die Kinos mit einem attraktiven und vielfältigen Filmprogramm zu versorgen: Kino ist ein Tor zur Welt. Mit ausschließlich deutschen Filmen lässt sich kein attraktives Programm kuratieren. Aus diesem Grund ist die Vergabe von Fördermitteln an die Kinos ja auch nicht an das ausschließliche Abspiel deutscher Filme gebunden.
Wenn Kulturstaatsministerin Monika Grütters, wie vor kurzem auf der Filmkunstmesse Leipzig, die Filme „Systemsprenger“ und „Parasite“ hervorhebt, müssen wir sie daran erinnern, dass die Herausbringung eines Films wie „Parasite“ von deutschen Verleihfördermitteln ausgeschlossen ist. Und wenn FFA-Vorstand Peter Dinges bei der gleichen Veranstaltung zum wiederholten Male die Ansicht äußert, eine erhöhte Förderquote bei der Herausbringung deutscher Filme käme auch der Herausbringung internationaler Filme zugute, muss man diese Aussage mindestens kritisch hinterfragen.
Um der eklatanten Abwärtsspirale schwindender Kinozuschauer, verschobener Filmstarts und reduzierter Verleihbudgets entgegenzuwirken, braucht es Mut und Expertise. Beides hat die bisherige Ausgestaltung des BKM-Programms „Neustart Kultur“ bisher vermissen lassen. Wir wollen nicht akzeptieren, dass die bisher begangenen Fehler erst im Nachhinein evaluiert werden, um dann die nicht mehr reparablen, strukturellen Schäden für die gesamte Kinobranche zu begutachten.
Wir unabhängigen Verleiher wollen starke Filme in die Kinos bringen, um den Stellenwert, den das Kino beim Publikum genießt, weiterhin zu ermöglichen! Wir wollen das Publikum begeistern und dazu bewegen, das Sofa zu verlassen und endlich wieder ins Kino zu gehen! Wir wollen weiterhin Produzenten verlässliche Partner sein und auch in Zukunft neue Projekte mit finanziellem und personellem Engagement ermöglichen!
Wir fordern deshalb dringend Gespräche zur Rettung der Kino- und Verleihbranche, mit dem Ziel, neue und angemessene Modelle zu entwickeln, die es der Filmwirtschaft ermöglicht, diese noch lange nicht ausgestandene Krise zu überleben. Eines dieser Modelle kann konkret die Einführung einer der französischen Referenzförderung entsprechenden Förderung sein, welche das CNC innerhalb weniger Wochen umgesetzt hat und das Anreize für Verleiher schaffte, Filme mit großem Zuschauerpotential auch unter den derzeitigen prekären Bedingungen zu starten. Der Erfolg dieser Notfall-Referenzförderung ließ sich eindrücklich beim Vergleich der aktuellen französischen und deutschen Kino-Besucherzahlen ablesen.
Die 14 Millionen Euro aus dem Paket „Neustart Kultur“, die als Unterstützung für den Verleih Produktionen mit deutscher Beteiligung zugesagt wurden, sind ein erster Schritt. Jedoch ist das ausschließliche Festhalten an den althergebrachten Förderinstrumenten nicht zielführend. Es braucht darüber hinaus zusätzliche Mittel sowie eine Unterstützung in Anlehnung an das erfolgreiche französische Modell. Nur so sind wir Verleiher aktuell überhaupt in der Lage dazu, das immense Risiko von Neustarts einzugehen, und es nicht den internationalen Studios gleichzutun, die viele Filme auf 2021 verschieben.
Es geht darum, schnelle und tatsächlich wirkungsvolle Hilfen bereit zu stellen, die der gesamten Wertschöpfungskette der Branche dienen. Es darf nicht sein, dass aus Mangel an Zeit oder Kenntnis zwar gut gemeinte, aber völlig unzureichende und ineffiziente Maßnahmen umgesetzt werden.
Es ist uns allen bewusst, dass es in einer Demokratie nicht immer einfach ist, schnell die richtigen Lösungen umzusetzen. Aber gerade hier zeigt sich die Stärke und die Fachkenntnis der Verantwortlichen, die bereitgestellten Mittel, auch effektiv einzusetzen und damit die Wiederbelebung der Kinos einzuleiten und die Vielfalt der Kultur zu schützen.
Alamode Filmdistribution – Fabien Arséguel, Tobias Lehmann
Camino Filmverleih – Thomas Reisser, Marcus Machura
Cine Global – Daniel O ́Dochartaigh
déjà-vu film UG – Peter Stockhaus, Jutta Meier
Eksystent Filmverleih – Jakob Kijas
farbfilm verleih GmbH – Alexandre Dupont-Geisselmann, Reno Koppe
Film Kino Text – Jürgen Lütz
Filmpalette Köln oHG – Dirk Steinkühler
FILMPERLEN Filmverleih – Claudia Oettrich
FOUR GUYS Filmdistribution – D. Utz, M. Schwimmer, M. Rößler, E. Lluca GMfilms – Michael Höfner
Grandfilm GmbH – Patrick Horn
Koch Media GmbH – Moritz Peters
Kurzfilm Agentur Hamburg e.V. – Alexandra Gramatke
Majestic Filmverleih GmbH – Benjamin Herrmann
MFA+ FilmDistribution e.K. – Christian Meinke
mindjazz pictures – Holger Recktenwald
Neue Visionen Filmverleih GmbH – Torsten Frehse, Sylvia Müller
Nordlichter Film – Daniel Karg
Pandora Film Medien GmbH – Björn Hoffmann
Piffl Medien GmbH – Hans-Christian Böse
PRO-FUN MEDIA Filmverleih – Marc Putman
Prokino Filmverleih GmbH – Stephan Hutter
Real Fiction Filmverleih e.K. – Joachim Kühn
RENDEZVOUS Filmverleih und Schwarz Weiss Filmverleih – Matthias Keuthen
Salzgeber & Co. Medien GmbH – Björn Koll
Splendid Film GmbH – Dr. Dirk Schweitzer
Tobis Film GmbH – Theo Gringel, Peter Eiff, Timm Oberwelland
Weltkino Filmverleih GmbH – Dietmar Güntsche, Michael Kölmel
Wild Bunch Germany – Marc Gabizon, Christoph Liedke
W-film Distribution – Stephan Winkler
X Verleih AG – Leila Hamid, Martin Kochendörfer