Back to Maracana

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In diesem vergnüglichen, aber auch tiefgründigem Roadmovie erzählt Regisseur Jorge Gurvich eine Geschichte, für die er selbst die Inspiration war. Aus Argentinien nach Israel ausgewandert, war und ist er ein großer Fußballfan und hat seinem Sohn aufgetragen, ihm nach seinem Tod am Grab nach jeder WM mitzuteilen, wie Argentinien gespielt hat. Selbes hat auch der alte Samuel in „Back to Maracana“ seinem Vater versprochen. Nun, im Alter von 72 Jahren, reist Samuel mit seinem Sohn und seinem Enkel zur WM nach Brasilien, droht aber, dieselben Fehler wie sein eigener Vater zu machen. Ein schöner Film, der mit leichter Ironie betrachtet, wie Fanbegeisterung zur Obsession wird.

Webseite: jip-film.de/back-to-macarana/

Deutschland / Israel / Brasilien 2019
Regie: Jorge Gurvich
Drehbuch: Jorge Gurvich, Hagai Lipschitz
Darsteller: Asaf Goldstien, Antonio Petrin
Länge: 92 Minuten
Verleih: jip film & verleih
Kinostart: 18. Juli 2019

FILMKRITIK:

Roberto ist ein erfolgloser Geschäftsmann in Tel Aviv, der bei seinem Vater unterkommen musste. Sein Sohn Itay hat für Fußball nichts übrig, verbringt aber die Tage der WM bei seinem Vater. Als Robertos Vater Samuel erfährt, dass er schwer krank ist, packt er Roberto und Itay und reist mit ihnen nach Brasilien. Dort will er miterleben, wie die Mannschaft seiner ehemaligen Heimat den Sieg davonträgt, doch Samuel läuft die Zeit davon.
 
Im Grunde ist es ein Roadmovie, das Jorge Gurvich hier erzählt, nur dass die Reise erst mit dem Flugzeug und dann mit einem Wohnmobil stattfindet, da man zu Zeiten der WM natürlich keine Hotelzimmer mehr bekommt. Es ist eine Reise, bei der sich Väter und Söhne näherkommen, weil Dinge angesprochen werden, die bislang verschwiegen wurden. Oder weil Missstände ans Licht gebracht werden, die sich längst verselbstständigt haben. So lässt Samuel an Roberto kein gutes Haar, weil dessen Geschäftsideen ständig den Bach runter gehen. Etwas, das der kleine Itay, dessen Kontakt zum eigenen Vater auch nicht der Beste ist, so nicht hinnehmen kann und dem alten Herrn Paroli bietet. Jede der Figuren ist gezwungen, den eigenen Blickwinkel zu relativieren. Weil das Leben sie alle dazu zwingt.
 
In erster Linie lebt der Film in den ersten zwei Dritteln vom leisen Humor dieser Reise, zum Ende hin wird er jedoch deutlich dramatischer und auch tragischer, wenn sich zeigt, dass sowohl Samuel als auch Roberto, der nach seinem Großvater benannt wurde, kaum wussten, welche Schande dieser Mann auf sich geladen hat. Das bringt Samuels Weltbild ins Schwanken, weil er erkennt, dass er droht, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen. Er droht, zu dem zu werden, was sein Vater war – jemand, der mit den Träumen und Sehnsüchten des Sohnes spielt und dabei alles auf eine Karte setzt. Das gipfelt in einem sehr emotionalen Moment, wundervoll gespielt von Asaf Goldstien und Antonio Petrin, in dem der Teufelskreis endlich durchbrochen wird.
 
Dass Gurvich für seine Geschichte Brasilien und nicht Argentinien gewählt hat, liegt vor allem daran, dass die WM-Geschichte des Landes so schön die der Familie widerspiegelt. Sowohl 1950 als auch 2014 waren Schicksalsjahre, in denen Brasilien fest mit dem WM-Sieg rechnete, die Spiele jedoch in ernüchternden und demütigenden Niederlagen endeten. Am Ende von „Back to Maracana“ verkehrt sich das jedoch, denn Samuel hat im hohen Alter dazugelernt und erkannt, dass eine Niederlage in der WM einen Neuanfang für seine Familie bedeuten kann, auch wenn er diesem nicht mehr beiwohnen wird.
 
Peter Osteried