Big Time

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Er gilt als einer der großen Stars der Architektur – aber auch als Selbstdarsteller: Bjarke Ingels, dänischer Architekt, der in seiner Heimat und zunehmend auch in Amerika für seine gewagten Entwürfe bekannt ist, die – ganz dem Zeitgeist entsprechend – innovatives Design mit Nachhaltigkeit verbinden. In der Dokumentation „Big Time“ porträtiert Regisseur Kaspar Astrup Schröder den Architekten, sein rastloses Leben und seine Weltsicht.

Webseite: www.salzgeber.de

Dokumentation
Dänemark 2017
Regie, Buch: Kaspar Astrup Schröder
Länge: 92 Minuten
Verleih: Salzgeber
Kinostart: 8. Februar 201

FILMKRITIK:

Wenn man Bjarke Ingels heißt, liegt es einerseits nah, sein Architekturbüro Bjarke Ingels Group zu nennen, wenn man andererseits ein solch gesundes Ego hat wie der 1974 geborene Däne, dann stört es sicherlich auch nicht, dass dieser Name zu BIG abgekürzt werden kann. Und groß denken Ingels und seine Partner (die in diesem Film und wohl auch in der Realität allerdings maximal die zweite Geige spielen) in jedem Fall: Das erste von BIG gebaute Gebäude war zwar nicht mehr als ein Vereinsheim für einen Schwimmklub in Kopenhagen, doch seitdem geht es steil bergauf: Museen, Wohnanlagen, ein Kraftwerk, Hochhäuser in Manhattan und nun sogar ein Gebäude an einem der prestigeträchtigsten Orte der Welt: Dem Gelände des ehemaligen World Trade Centers, wo Ingels unter der Ägide eines anderen Star-Architekten, Daniel Libeskind, das World Trade Center 2 entwerfen soll.

Zu diesem Zweck hat Ingels eine Dependance seines Büros in New York gegründet, fährt rastlos durch Manhattan, mal im Taxi, mal wie er es aus dem Fahrradfreundlichen Kopenhagen gewohnt ist mit dem Fahrrad, hetzt von Treffen mit Investoren zu Besichtigungen der Baustellen, trifft zwischendurch Mitglieder des dänischen Königshauses und ist mit banalen Fragen des Alltags konfrontiert: Zu wenig Umsatz macht seine Firma, was nicht zuletzt daran liegt, dass potentielle Investoren Sorge haben, dass sie zwar einen Entwurf von BIG bekommen, aber nicht von Ingels selbst.

Der hat sich in den letzten zehn Jahren zu einem der größten Stars der Architekturszene entwickelt, wurde im New Yorker und dem Rolling Stone porträtiert, veröffentlichte mit Yes is More ein in Comicform gehülltes Manifest seiner Ideen, die er auch in Schröders Film auf mitreißende Weise präsentiert. Ob Ingels die Inspiration für einen der Grundgedanken seiner Architektur – das Ausnutzen der Dächer – tatsächlich dadurch bekam, dass er in einem Haus am Hang aufwuchs, das in typischer 60er Jahre ein Flachhaus hatte, das von ihm als Spielplatz genutzt wurde, sei dahingestellt. Aber es ist eine hübsche Geschichte, die nicht zuletzt einen Aspekt der Ingelschen Architektur andeutet: Der Versuch, herausragendes Design mit Nachhaltigkeit und Praktikabilität zu verbinden. Keine schönen, aber unpraktischen Gebäude will Ingels bauen, sondern schöne Gebäude, die für die Menschen, die sie bewohnen und nutzen, gebaut sind.

Aktuellstes Beispiel für diesen eigentlich ganz pragmatischen Ansatz ist ein riesiges Wärmekraftwerk am Rand von Kopenhagen, das nicht nur saubere Energie produziert, sondern auf dessen Dach eine Skipiste gebaut wurde, die im flachen Dänemark Wintersport ermöglicht. Solche und andere auf dem Papier verrückten Ideen durchzusetzen ist nicht leicht, den Gedanken, dass Architektur mehr sein kann als praktisch in den Köpfen der Menschen und vor allem Investoren einzuimpfen, hat Ingels auch viele Feinde eingebracht.

Kaspar Astrup Schröders „Big Time“ zeigt Ingels dann auch als Visionär, der durchaus zweifelt, der die Zeit davonrennen sieht, Zeit, die er benötigt, um seine Marke auf der Welt zu hinterlassen, Zeit, die nötig ist, um die zwei, drei Gebäude zu bauen, die Ingels als einen der visionärsten Architekten der Gegenwart etablieren sollen. Dass nicht weniger das Ziel dieses erst 43 Jahre alten Mannes ist, mag man für größenwahnsinnig halten, Bjarke Ingels würde wohl antworten, dass er eben einfach in Dimensionen denkt, die BIG sind.

Michael Meyns