Inna de Yard – The Soul of Jamaica

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In einem Haus an den Hängen der jamaikanischen Hauptstadt Kingston treffen sich die legendärsten Stimmen des Reggaes, um in einer Jam-Session ein neues Album aufzunehmen, aber auch zu den Wurzeln zurückzukehren. Ohne Tonstudio, ohne großes Planen, einfach, indem man loslegt und der Musik und dem Gefühl freien Lauf lässt. Im Garten, eben „Inna de Yard“, entsteht ein Unplugged-Album, das von den Höhen und Tiefen des Reggaes zeugt. Regisseur Peter Webber offenbart Interessantes über eine Musikrichtung, aber auch die Kultur, die dahintersteckt. Nur bei der soziokulturellen und geschichtlichen Einordnung könnte der Film etwas präziser sein.

Webseite: www.mfa-film.de

Frankreich 2018
Regie: Peter Webber
Darsteller: Cedric Myton, Ken Boothe, Winston McAnuff
Länge: 99 Minuten
Verleih: MFA+
Kinostart: 20. Juni 2019

FILMKRITIK:

Sie sind die Größen des Reggaes: Ken Boothe, Winston McAnuff, Kiddus I und Cedric Myton, die sich nicht nur auf eine Tournee – ihre vielleicht letzte – vorbereiten, sondern an einem neuen Album arbeiten, das den Namen „The Soul of Jamaica“ trägt und zu den Wurzeln dessen zurückkehren soll, mit dem sie in den 1970er Jahren auch weltweit erfolgreich waren. Dass mit dem Ruhm nicht automatisch auch Reichtum kam, zeigt diese Dokumentation eher nebenher, dringt dafür aber auch tief ins Leben und Denken dieser musikalischen Größen vor.
 
Man erlebt jeden dieser Sänger dabei, wie er seinen größten Hit noch einmal vorträgt – für das Album und auf der Tournee. Es geht aber auch um ihre Philosophie. Um das, was hinter dem Reggae steckt, um die Sprache dieser Nation, wie es jemand in diesem Film so schön sagt. Um Liebe, die das Zentrum des Reggaes ist. Um Jamaika selbst und die Kultur, die diese Musik hervorgebracht hat. Gerade da scheitert „Inna de Yard“ aber etwas, denn Peter Webber setzt zu viel historische Kenntnis voraus. Wenn einer der Sänger der Viceroys davon erzählt, wie sein Vater diskriminiert wurde, weil er ein Rastafari war, wie er deswegen immer wieder eingesperrt und dem Sohn der Zugang zur Schule verwehrt wurde, dann wäre es schon interessant, mehr über die historischen Hintergründe zu erfahren. Warum war das so? Wie war das gesellschaftliche Bild Jamaikas in den 1970er Jahren? Kam die Musik als solches damit in Konflikt?
 
Der Film wirft Fragen auf, die er nicht beantwortet. Natürlich könnte man sagen, er lädt den Zuschauer ein, sich über „Inna de Yard“ hinaus mit dem Thema zu befassen, letztlich sollte er aber auch Antworten liefern, aus denen sich durchaus neue Fragen ergeben können, die aber auch die Wissensbildung mehren.
 
So bleibt der Film etwas oberflächlich und erzählt eher von den persönlichen Höhen und Tiefen der Sänger, die manchmal am Weltruhm kratzten, dann aber in ihrer Heimat wieder abgestürzt sind. Die Gründe hierfür sind unterschiedlich, das Ergebnis aber letztlich dasselbe. Brechen ließ sich davon aber keiner, weil es eben nicht um Ruhm und Geld, sondern um die Musik an sich geht. Passion steht hier über allem, das spürt man in jeder Sekunde dieses Films. Darüber hinaus wird man mit einigen phantastischen Songs beglückt, die Reggae-Fans wieder- und Unkundige erstmals entdecken können. So wie „Row, Fisherman, Row“ von Cedric Myton, dem Mann mit der ungewöhnlichen Gesangsstimme, oder „Everything I Own“ von Ken Boothe, den man früher nicht von ungefähr den Frank Sinatra von Jamaika genannt hat, da er denselben Schmelz in der Stimme hat.
 
Peter Osteried