4 Tage im Mai

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Wenige Tage vor Ende des 2. Weltkrieges ergibt sich an der Ostsee-Küste eine ungewöhnliche Patt-Stellung: Acht russische Soldaten quartieren sich in einem Waisenheim ein und werden fast nur freundlich empfangen. Die deutschen Truppen in Sichtweite wollen auch nicht mehr kämpfen und so entsteht für kurze Zeit eine Insel im Kriegstreiben. Mit sicherer Inszenierung und gutem Spiel gelingt Regisseur Achim von Borries ein Antikriegs-Film, der tatsächlich das Pausieren vom Krieg in unerwarteten Stimmungen erlebbar macht.

Webseite: www.4tageimmai.x-verleih.de

BRD, Russland 2011
Regie und Buch: Achim von Borries
Darsteller: Pavel Wenzel, Aleksei Guskov, Andrej Merzlikin, Grigoriy Dobrygin, Angelina Häntsch, Gertrud Roll, Petra Kelling, Alexander Held, Martin Brambach
Länge: 97 Min.
Verleih: X-Verleih
Kinostart: 29.9.2011

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Achim von Borries, Regisseur von „England!“ (2001) und „Was nützt die Liebe in Gedanken“ (2004), musste sieben Jahre auf seinen dritten Kinofilm warten. Er nutzt nun nach einigen TV-Krimis und Drehbüchern die Chance, das Historiendrama „4 Tage im Mai“ stilsicher und mitnehmend zu präsentieren. Bei der internationalen Premiere auf dem 64. Filmfestival von Locarno 2011 zählte „4 Tage im Mai“ zu den Favoriten für den Publikums-Preis der Piazza Grande.

Der Antikriegs-Film „4 Tage im Mai“ dreht sich um die historisch verbriefte Begebenheit einer kleinen russischen Truppe, die in den letzten Tagen vor der deutschen Kapitulation ein Waisenhaus an der Ostsee einnimmt. Sieben Soldaten unter ihrem Hauptmann (Aleksei Guskov) werden fast ausnahmslos freundlich empfangen. Die Leiterin stammt aus dem zaristischen St. Petersburg und spricht daher russisch. Wie auch der tragische, 13-jährige Held Peter. Als einziger Junge unter den Waisen will er Mann spielen und das blonde Dienstmädchen Anna beschützen. Während eine Kollegin von einer anderen Einheit verschleppt wurde, versteckt sich die junge blonde Frau auf dem Heuboden.

Als deutsche Truppenreste am Strand in Sichtweite nach Dänemark übersetzen wollen, erhofft sich der vom Nazitum infiltrierte Junge dorther Hilfe. Aber auch diese Soldaten haben genug vom Krieg. So arrangiert man sich in einer seltsamen Pattsituation. Im Waisenhaus ergibt sich ein fast paradiesisches Zusammenleben. Peter, der so gerne Krieg spielen wollte, findet im Hauptmann einen väterlichen Freund, der sieht in dem deutschen Kind seinen gefallenen Sohn. Als jedoch ein besoffener russischer Offizier die gemeinsame Feier des Kriegsendes unterbricht und Anna als Beute fordert, gibt es eine letzte Schlacht, in der Russen gegen Russen und Deutsche zusammen mit Russen kämpfen...

Die Idee zum Film stammte von Hauptdarsteller und Ko-Produzent Aleksei Guskov, der als verhinderter Dirigent aus „Das Konzert“ auch bei uns bekannt wurde. Erstaunlich friedlich und harmonisch zeigt sich Krieg in „4 Tage im Mai“: Gräuel werden nur angedeutet, Schrecken ereignet sich allein im Off. „Ich habe den Jungen zu der wahren Geschichte hinzu erfunden und versuche, das Ganze aus einer naiven und kindlichen Perspektive zu erzählen,“ erklärte Achim von Borries die ungewöhnliche Sichtweise. So entsteht in dieser einzigartigen, isolierten Situation eine seltsame Patt-Stellung, bei der es immer wieder Treffen der feindlichen Truppen, aber lange keine Gefechte gibt.

Von Borries referiert bewusst nicht auf bekannte deutsche Antikriegs-Filme wie „Die Brücke“, „Das Boot“ oder „Ich war 19“. Aber auch Guskov setzt sich von der viel zahlreicheren Tradition sowjetischer Kriegsfilme ab. Die ungewöhnliche Entscheidung, Russen von Russen spielen zu lassen und die Wehrmachts-Krieger mit Deutschen zu besetzen, sorgt ebenso wie die Beibehaltung der jeweiligen Sprachen ohne Synchronisation für größere Glaubhaftigkeit. Die ungewöhnliche Episode aus dem Mai 1945 fand eine ungewöhnliche, aber bis ins Detail durchdachte Umsetzung, die von Produzent Stefan Arndt (X-Filme) und von Borries sowohl gegen russische als auch gegen deutsche Vorbehalte durchgesetzt wurde. Mit dem Glücksfall eines interessanten und sicher viel besprochenen Films, der auch internationales Publikum stark bewegte.

Günter H. Jekubzik

Anfang Mai 1945 an einem Strand der Ostseeküste bei Rügen. Ein Kinder- und Waisenheim befindet sich dort. Trotz der Wirren des schrecklichen Krieges waren die Kinder bis dahin noch geborgen.

Eine Einheit deutscher Soldaten, an die 80 bis 100 Mann, verschlägt es hierher. Man will möglichst rasch nach Dänemark übersetzen.

Doch auch die Russen sind längst in der Nähe. Ein Spähtrupp von acht Mann besetzt das Kinderheim. Ein Teil der Insassen kam rechtzeitig fort, der Rest, etwa zehn Kinder, sind noch hier.

Die russischen Soldaten würden sich gerne an die die Kinder pflegenden Frauen heranmachen – und im Fall des jungen Pianisten sowie des Mädchens Anna gelingt das auch auf romantische Weise -, doch ihr Hauptmann ist ein nobler Kerl, er lässt nur die Romanze zu, keine anderen Sexgeschichten.

Es ist bereits der 6. oder 7. Mai. Die Kapitulation steht bevor. Sollen die Russen und die Deutschen noch auf einander losgehen, noch möglichst viele umbringen? Auf beiden Seiten gibt es dafür Befürworter – einen deutschen Unteroffizier und einen russischen Oberst beispielsweise.

Dazu gehört auch der deutsche Junge Pawel Wenzel, der vom Nazi-Virus infiziert wurde.

Der entscheidende Mann ist aber der russische Hauptmann Kalmykow. Er sorgt dafür, dass es nicht in vollem Ausmaß Kämpfe entstehen. Bis zu einem gewissen Grad arrangiert er sich mit den im Kinderheim Verbliebenen. Es kommt schließlich im Gegensatz zu denjenigen Russen, die um jeden Preis „siegen“ wollen, zu einer Verbrüderung zwischen „feindlichen“ Soldaten. Doch Kalmykow wird sich dafür opfern müssen.

Die Noblesse des Mannes ist die Botschaft des Films, der handlungsmäßig und dramaturgisch nicht in allem schlüssig und manchmal leicht klischeehaft erscheint, ansonsten jedoch regelgerecht inszeniert und vor allem gut gespielt ist. (Der Kalmykow-Darsteller ist Koproduzent und hat sich deshalb das Filetstück einer Rolle sichern können.)

Auf einfache aber radikale Weise wird vor allem durch den Hauptmann demonstriert, dass ein Krieg so ziemlich zum Sinnlosesten und Schwachsinnigsten von allem gehört, was es auf dieser Welt gibt.

Thomas Engel