Affaere, Die

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Sensibel inszeniert Regisseurin Catherine Corsini in ihrem romantischen Drama „Die Affäre“ das Portrait einer radikal entschlossenen Frau, die sich in der zweiten Hälfte ihres Lebens keinen gesellschaftlichen Konventionen mehr beugt. Konsequent arbeitet die 53jährige Französin die sinnlich-erotischen Aspekte ihrer klassischen „Amour fou“- Geschichte heraus und beschreibt intensiv das Begehren, die Lust und die Schmerzen dieses emotionalen Ausbruchs. Vor allem ihre Hauptdarstellerin Kristin Scott Thomas, einer der besten Schauspielerinnen unserer Zeit, überzeugt durch ihr authentisch-verletzliches leidenschaftliches Spiel.

Webseite: www.alamodefilm.de

Frankreich 2009
Regie: Catherine Corsini
Drehbuch: Catherine Corsini, Gaëlle Macé
Länge: 85 Minuten
Darsteller: Kristin Scott Thomas, Sergi López, Yvan Attal, Bernard Blancan, Aladin Reibel, Alexandre Vidal, Daisy Broom, Berta Esquirol, Gerard Lartigau
Verleih: Alamode Filmverleih
Kinostart: 28.01.2010
 

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Kristin Scott Thomas, versteht es, sowohl in persönlichen europäischen Filmen wie diesem, als auch in großen Hollywood-Produktionen, angefangen von Anthony Minghellas „Der englische Patient“ bis hin zu „Der Pferdeflüsterer“, Frauenporträts zwischen Sinnlichkeit und Kontemplation, Wehmut und Erwartung zu zeichnen. Der „ernste Blick“, den sich die gebürtige Britin einmal selbst attestierte, steht ihrer Karriere längst nicht mehr im Weg. Vielmehr verhilft er ihren Figuren zu einer tragischen Greta-Garbo-Dimension.

Lange freilich war das Innehalten vor dem endgültig letzten Schritt, gehörte das versäumte Wagnis zu den von ihr verkörperten Frauenrollen. In ihrem neuen Film nicht. Ganz im Gegenteil: mit unübersehbarer Spielfreude, als leidenschaftlich Begehrende verliert die 49jährige Wahl-Pariserin unter Catherine Corsinis Regie ihre Reserviertheit total. Als verheiratete Frau und Mutter zweier fast erwachsener Kinder lebt das vielfache Inbild englischer Oberklasse in Corsinis Erotikdrama eine chancenlose, unvernünftige, rauschhafte Liebe, maßlos, unkontrollierbar. Rückhaltlos opfert sie ihrer Liebe alles, ihren Status, ihre Privilegien, ihre ganze wohlsituierte bürgerliche Existenz.

„Ohne mich“, droht Samuel (Yvan Attal) seiner Frau Suzanne (Kristin Scott Thomas)„bist du rein gar nichts“. Grund: Die Mitte 40jährige will den erfolgreichen Arzt verlassen. Ihre leidenschaftliche Affäre mit dem spanischen Gelegenheitsarbeiter Ivan (Sergi López) überwältigt sie. Trotz aller Vernunft gelingt es der Physiotherapeutin nicht sich gegen diese „Amour fou“ zu wehren. Nun, da sie in ihrer Midlife-Crisis unvermittelt die Regellosigkeit der Liebe überfällt, lässt sie sich voll darauf ein. Radikal bricht sie alle Brücken hinter sich ab. Hals über Kopf verlässt sie ihren goldenen Käfig, die elegante Luxusvilla im südfranzösischem Nimes. Doch ihr Mann sabotiert die gemeinsame Zukunft des Liebespaares. Der rasend eifersüchtige Egozentriker hält den Geliebten seiner Frau für einen kriminellen Proleten. Ihre Gefühle für ihn erscheinen ihm lächerlich.

Finanziell ruiniert und gelähmt von der Boshaftigkeit ihres Ehemannes sitzt Suzanne in der Falle. Ihre Tochter gibt ihr die Schuld am Zerbrechen der Ehe. Auch Ivan zweifelt mehr und mehr an ihrer Liebe. Aber die hellwache Lebenshungrige gibt nicht auf. Als sie erfährt, dass ihr Mann mit den Kindern verreist und die Villa leer steht überredet sie Ivan dort einzubrechen. Ein folgenschwerer Fehler. Damit besiegelt sie unausweichlich ihr Schicksal. Blind vor Liebe, gedemütigt durch die erzwungene Rückkehr in ihr Ehegefängnis, löst sie sich endgültig aus kulturellen und gesellschaftlichen Ordnungen.

In einer einzigen langen Rückblende zeigt Regisseurin Corsini die tragische Geschichte bewusst aus dem Blickwinkel ihrer gebrochenen Heldin, einer radikal entschlossenen Frau. Behutsam tastet sich die Kamera zunächst an die Figuren heran. Bleibt in der Totalen, um ein Gefühl von Freiheit zu erzeugen. Keine schnellen Schnitte begrenzen das Bild der beiden Liebenden. In den Sequenzen zwischen Hauptdarstellerin Suzanne und ihrem emotional hilflosen, in wehleidiger Selbstgerechtigkeit gefangenen Mann verkürzen sich die Einstellungen dagegen mehr und mehr. Druck wird dadurch schmerzhaft spürbar. Steigert sich bis zu Handgreiflichkeiten. Szenen einer gescheiterten Ehe. Die Kamera fängt sie hektisch ein.

Gleichzeitig ist da diese ungeheure Musikalität in der Montage der lichtdurchfluteten mediterranen Landschaftsbilder. Obwohl es keine Sequenzen gibt, die rein auf die Musik geschnitten sind. Insgesamt ist „Die Affäre“ vor allem ein durch und durch französischer Film. In seiner radikalen Perspektive wirkt er wie das Gegenstück zu Woody Allans nihilistischen „Match Point“ aus seiner düsteren London-Trilogie, in der ein Mann seine Liebesbeziehung opfert, um aufzusteigen. Nicht zuletzt erinnert die vitale körperliche Präsenz des spanischen Schauspielers Serge Lopez in etlichen Passagen an die kraftstrotzenden und trotzdem sensiblen Charaktere, die Galionsfigur Gérard Depardieu immer wieder bravourös verkörperte. Stimmig spielt der Katalane den großzügigen Liebhaber, der am Ende ebenfalls bereit ist alles für diese gesellschaftlich unlebbare Liebe zu riskieren.

Luitgard Koch

Susanne, um die 40, ist eine verheiratete französische Arztfrau, die nach 15 Jahren Kinderbetreuung wieder als Krankengymnastin arbeiten will. Der Ehemann, Samuel, ist davon nicht begeistert, gibt aber nach. In den spanischen Arbeiter Ivan, der ihre neue Arbeitsstätte herrichtet, verliebt sich Susanne.

Für den Ehemann ist das eine Katastrophe. Er will Susanne unter keinen Umständen hergeben. Als alles nichts nützt, gibt er ihr nichts mehr, sperrt die Bankkonten, sorgt dafür, dass sie nicht mehr als Krankengymnastin arbeiten kann.

Susanne lässt sich davon nicht beeindrucken. Sie ist Ivan leidenschaftlich verfallen. Die beiden richten sich in den Bergen ein altes verfallenes Häuschen ein.

Eine glückliche Zeit. Susanne und Ivan fahren nach Spanien, um das Töchterchen des Geliebten zu besuchen, das dieser seit seinem Gefängnisaufenthalt nicht mehr gesehen hat. Susannes Sohn hält zu der Mutter, die Tochter nicht.

Wenn das Geld fehlt, wird jedes Zusammensein schwierig. Die Trennung droht. Ivan muss sich irgendwo als Kellner versuchen, Susanne vielleicht sogar zu ihrem strengen Ehemann zurückkehren - nicht aus Liebe, sondern wegen dessen Besitzanspruchs.

Die beiden Verliebten greifen zu einem letzten Mittel. Als Samuel mit den Kindern verreist ist, dringen sie in die Arztvilla ein, lassen Susannes persönliche Dinge, aber auch allerlei Wertgegenstände mitgehen.

Ivan versucht alles an den Mann zu bringen. Hehlerei ist jedoch für einen ehemaligen Häftling eine riskante Sache. Er wird geschnappt. Frei kommen wird er auf Veranlassung Samuels nur dann, wenn Susanne zu ihrem Ehemann zurückkehrt. Sie tut es.

Bevor sie zum Äußersten greift.

Eine heftige leidenschaftliche Angelegenheit. Wenn man sieht, wie abends im Bett Susanne in einem Gymnastikbuch liest, Samuel mit dem Handy herumspielt und beide sich absolut nichts zu sagen haben, kann man verstehen, dass Susanne nach dem Strohhalm einer stürmischen neuen Liebe greift. Das wird ziemlich naturgetreu und einleuchtend dargestellt. Man folgt dem mit Interesse und beinahe, aber nur beinahe, einem gewissen Maß an persönlicher Identifizierung. Catherine Corsini weiß, wovon sie spricht, wovon das Drama, ja die Tragödie handelt, und entsprechend geglückt sind ihr Drehbuch und ihre Regie.

Wie so oft hängt viel von den Hauptdarstellern ab. Kristin Scott Thomas, die man öfter sehen möchte, läuft hier als Susanne zur Hochform auf. Sergi Lopez (Ivan) ebenfalls. Die undankbarste Rolle als unsympathischer, herrschsüchtiger Ehemann, der ja seine Strafe erhält, hat Ivan Attal zu spielen.

Eine leidenschaftliche Kinotragödie, ganz schön wirklichkeitsnah und fast glaubwürdig abgehandelt.

Thomas Engel