Alpha Dog

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Wie aus einer an sich harmlosen Situation ein brutales Verbrechen wurde, schildert Nick Cassavetes in seinem neuen Film. Basierend auf wahren Begebenheiten versucht Alpha Dog, gleichzeitig semidokumentarische Rekonstruktion und Gesellschaftsporträt der oberen Mittelschicht Südkaliforniens zu sein. Als Analyse eines Verbrechens ist er allerdings fragwürdig, als Studie über eine verrohte, hedonistische Gesellschaft dagegen überaus sehenswert.

Webseite: www.concorde-film.de

USA 2006
Regie und Buch: Nick Cassavetes
Darsteller: Emile Hirsch, Ben Foster, Anton Yelchin, Shawn Hatosy, Justin Timberlake, Christopher Marquette, Bruce Willis, Sharon Stone
117 Minuten, Format 1:2,35 (Scope)
Verleih: Concorde-Film
Kinostart: 15. März 2007

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Am 9. November 1999 entführten der 19jährige Drogendealer Johnny Truelove (Emile Hirsch) und drei seiner Kumpane den jungen Zack (Anton Yelchin), dessen Bruder Jake (Ben Forster) Johnny Geld schuldete. Was genau sie mit dieser „Geisel“ anfangen wollten, wusste wohl niemand und so hat die Entführung auch eher den Anschein eines großen Spaßes. Zack fühlt sich zunehmend wohl in der Gesellschaft der älteren, cooleren Jungs, die all das ausleben, von dem er selbst nur zu träumen gewagt hat. Und in der Welt Südkaliforniens, in den Häusern der oberen Mittelschicht, in der der Film angesiedelt ist, bedeutet das vor allem herumhängen, nichts tun und die Zeit zwischen zwei Joints mit Bier, Computerspielen und Mädchen zu füllen.

Es ist eine vollkommen hedonistische, sinnlose, aber faszinierende Existenz, die Cassavetes mit der richtigen Mischung aus Distanz und Nähe filmt. In diesen Szenen hat Alpha Dog seine stärksten Momente, da gelingt es ihm eine Welt zu zeigen, in der der tägliche Konsum von Drogen und Alkohol, der Einfluss von Hip-Hop Musik und Computerspielen zu einer vollkommen verrohten, amoralischen Gesellschaft geführt hat, in der normale moralische Werte nicht mehr existieren. Nur aus diesem Verständnis heraus ist zu Begreifen, wie aus der zufälligen Entführung ein brutaler Mord wurde. Die nicht haltbare Vermutung, dass ihnen für ihre Tat lebenslängliche Haft droht, steigert die Paranoia Johnnys, der sich wieder besseren Wissens schließlich dazu entschließt, einem ihm treu, um nicht zu sagen hörig ergebenen Bandenmitglied zu befehlen, Zack zu töten.

In der Folge der Bluttat floh Johnny Truelove – der in Wirklichkeit den nicht minder ikonischen Namen Jesse James Hollywood trug – durch die Staaten und schließlich nach Brasilien. Für einige Zeit war er der jüngste Kriminelle, dessen Antlitz die Liste der zehn meist gesuchten Verbrecher des FBI zierte. Während Cassavetes schon mit dem Schnitt seines Films beschäftigt war, wurde er verhaftet und wird demnächst vor Gericht gestellt.

Diese enge Verbindung des realen Verbrechens und seiner fast zeitgleichen Darstellung in einem Kunstwerk, führte für die Produzenten zu erheblichen Problemen. Zwar wurden in Alpha Dog die Namen der Beteiligten geändert, mit ständig eingeblendeten Daten und Zeitangaben und der Benennung der zahlreichen Zeugen, die Zack im Laufe seiner dreitägigen Entführung gesehen haben, gibt sich Alpha Dog dennoch den Anschein des Authentischen. Vor allem die Entscheidung immer wieder pseudodokumentarische Aufnahmen einzusetzen, die vorgeblich die „echten“ Personen, die mit dem Fall zu tun hatten, zeigen, in Wirklichkeit aber auch gestellte, von Schauspielern gespielte Szenen zeigen, ist überaus fragwürdig. Abgesehen davon, dass sie den narrativen Fluss unterbrechen, scheint Cassavetes hier versucht zu haben, seinem Film zusätzliche Relevanz zu verleihen. Dabei wäre das gar nicht nötig gewesen, denn allein die Darstellung der verrohten Gesellschaft, in der sowohl Kinder als auch Eltern konstant auf Droge sind und ziellos durch das Leben taumeln, hätte ausgereicht, um Alpha Dog zu einem überaus sehenswerten Film zu machen.
Michael Meyns

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Los Angeles 1999. Ein Außenviertel, in dem gut situierte Leute wohnen. Allerdings haben die beschäftigten Eltern relativ wenig Zeit für ihre Zöglinge. Nicht zuletzt deshalb kommt es zur beliebten und häufigen Bandenbildung. Party, Fun, Trinken und Drogen scheinen der Hauptzeitvertreib zu sein.

Johnny Truelove, Frankie, Elvis und Jake bilden eine solche Bande. Ihre Mädchen nicht zu vergessen. Sie hocken zusammen, machen Partys, lungern herum, kiffen und dealen. Das Hauptvokabular besteht aus „fuck“, „shit“, „motherfucker“. Aber sie sind auf der anderen Seite auch patente, sympathische Kerle.

Jake schuldet Johnny viel Geld. Von seinen Eltern erhält er es nicht. Es kommt zum Streit, zu einer ernsthaften Schlägerei. Mehr aus Langeweile denn aus Vergeltung entführen Johnny, Frankie und Elvis Jakes jüngeren Bruder Zack.

Zack, der mit den Eltern eine Auseinandersetzung hatte, kommt das Kidnapping nicht einmal so ungelegen, zumal Frankie sich wie sein Kumpel verhält, Zack dadurch eine Art Urlaub hat, Alkohol und Mädchen ebenfalls in ausreichendem Maße vorhanden sind.

Weil der Streit zwischen Johnny und Jake – nicht zuletzt wegen der Entführung Zacks – tödlich eskaliert und die Kidnapper auch nicht wissen, wie sie aus dem von ihnen verschuldeten Vergehen wieder herauskommen sollen, wird Zack kurzerhand erschossen. Das Schlimmste daran: Der Film stützt sich auf Fakten, die so tatsächlich passiert sind.

Ein wilder, ungebändigter, heftiger Film, in dem neben den jungen Darstellern wie Justin Timberlake (Frankie), Ben Foster (Jake), Emile Hirsch (Johnny) und Anton Yelchin (Zack) auch Stars wie Sharon Stone (Zacks Mutter) und Bruce Willis (Johnnys Vater Sonny) spielen.

Es ist ein offensiver, unmittelbarer, improvisierter und oft auch übertriebener Naturalismus, der in diesem Subkultur-Bild zum Ausdruck kommt, das inhaltlich einen Domino-Effekt hat, zum Selbstläufer wird und in den Abgrund führt.

Eine immerhin sehr beachtliche Script- und Regieleistung von Nick Cassevetes. Wie dünn die Linie zwischen Spiel und Leben ist, wird hier erschreckend klar. Und auch, welche Folgen für Leben und Tod die Ignoranz hat. Trotz oftmaliger Übertreibung und Überhöhung eine ganz schön authentische Milieuzeichnung.

Thomas Engel