Andere, Der

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Eine erfolgreiche Frau zwischen zwei Männern, ein verstörter Ehemann und ein schillernder Nebenbuhler. Mit seinem sensiblen Ehebruchsdrama „Der Andere“ um Liebe, Verlust, Verrat und Vergebung verweigert sich Regisseur Richard Eyre bequemen Lösungen. Seine komplexe Dreiecksgeschichte, angelehnt an eine Erzählung von Bestsellerautor Bernhard Schlink („Der Vorleser“) aus dessen Prosaband „Liebesfluchten“, lebt vor allem vom Gegensatzpaar seiner männlichen Protagonisten Liam Neeson und Antonio Banderas: Blonder, introvertierter Hüne trifft auf romantischen, leichtlebigen Latin-Lover.

Webseite: www.24bilder.net

UK/USA 2008
Regie: Richard Eyre
Buch: Richard Eyre
Darsteller: Liam Neeson, Laura Linney, Antonio Banderas, Romola Garai,
Länge: 88 Minuten,
Verleih: Koch Media / 24 Bilder
Kinostart: 1. Juli 2010
 

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Weiße Gischt spritzt über die Reling der eleganten Motoryacht. Der azurblaue See schimmert zwischen Palmen und ewigem Eis. Vor der traumhaften Kulisse des Comer Sees genießt die erfolgreiche Schuhdesignerin Lisa (Laura Linney) unbeschwerte Stunden voller Romantik. Der elegante Lebemann an ihrer Seite (Antonio Banderas) passt perfekt ins harmonische Bild. Aber der Schein trügt. Nach dieser kurzen Auftaktsequenz landet der Zuschauer mit Lisa in der Welt der Reichen und Schönen am Rande einer Modenschau. Der Mann (Liam Neeson) neben ihr, ein wohlsituierter Chef einer Softwarefirma, ähnelt ihrem Latin Lover in keinster Weise.

Doch mit ihm führt die zierliche Frau seit Jahren eine nach außen hin glückliche Ehe. Peter, ihr Ehemann fühlt sich sicher. Zweifelt nicht an ihrer Liebe. Bei einem Abendessen feiern die beiden ihre neue Kollektion. Können Paare wirklich ein ganzes Leben lang zusammenbleiben, will Lisa plötzlich von ihm wissen. Und ob er nie den Wunsch verspüre fremdzugehen? Irritiert wehrt der eher nüchterne Unternehmer solche Fragen ab. Kurze Zeit später verrät ihm ein Anruf auf Lisas Handy, dass es tatsächlich einen anderen Mann in ihrem Leben gab.

Mysteriöse Emails, ein Ordner auf Lisas Computer mit der Aufschrift „Love“, der Fotos des nackten Nebenbuhlers enthält, zeigen dem selbstbewussten Geschäftsmann eine andere Wahrheit. Das erschüttert sein Leben in den Grundfesten. Vergeblich versucht seine fast erwachsene Tochter Abigail (Romola Garai) ihm beizustehen. Rachsüchtig nimmt er trotzdem die Spur des Anderen auf. Fährt Hals über Kopf nach Mailand. Setzt sich zu verschiedenen Tageszeiten auf eine Anlagenbank gegenüber einer Jugendstilvilla. Denn dort wohnt sein Rivale angeblich. Endlich sieht er ihn. Er trägt einen Anzug mit Weste und ein zur Krawatte passendes Tüchlein in der Brusttasche. Ein Filou. In einem nahegelegenen Café spielt er eine Schachpartie aus einem Buch nach.

Als der Andere am nächsten Tag zur gleichen Zeit wieder auftaucht, sitzt Peter bereits mit einem Schachspiel im Café und zieht dadurch die Aufmerksamkeit des anderen auf sich. Sie sprechen über Schach, spielen eine Partie und verabreden sich auch an den nächsten Tagen. Der Andere, Ralph (Antonio Banderas), ist ein charmanter Hochstapler und unverbesserlicher Optimist. Er schwärmt von Peters Frau, seiner einzig wahren Liebe. Die Situation spitzt sich zu. Peter, der sich fast masochistisch nach Details der Affäre seiner Frau erkundigt, verliert die Nerven. Ein verwirrendes Katz- und Maus-Spiel beginnt.

Das scheinbar simple Ehebruchsdrama von Regisseur Richard Eyre wartet im Lauf des Films mit überraschenden Wendungen auf. Die Perspektiven verschieben sich gegen Ende hin. Damit versucht der 67jährige Brite („Tagebuch eines Skandals“) zu zeigen, dass die Beziehungen der Menschen untereinander derart viele Facetten haben, dass einfache Antworten nicht befriedigen. Und so durchläuft der verstörte Ehemann eine bemerkenswerte emotionale Entwicklung. Der Verschlossene lernt seine Gefühle auszudrücken. Besonders gegenüber seiner erwachsenen Tochter zeigt er zum Schluss mehr Verständnis. Tolerant akzeptiert er ihren Lebensentwurf.

Bereits der schreibende Jurist Bernhard Schlink konstruierte seine Geschichte „Der Andere“ auf unerwartete Handlungsstränge hin. Als Erzähler blieb der Erfolgsautor jedoch enorm distanziert, fast teilnahmslos und holzschnittartig. Mag sein, dass dies der Grund ist warum die Filmadaption trotz aller schauspielerischer Leistung streckenweise etwas sperrig wirkt. Allen voran freilich überzeugt der Malagueño Antonio Banderas, Hollywoods amtierender Latin Lover, als charmanter, geistreicher Lebemann. Aber auch sein Gegenspieler der hünenhafte Ire Liam Neeson, der seit seiner Rolle in „Schindlers Liste“ zur Spitze der Charakterdarsteller aufstieg, agiert im Duell mit dem ehemaligen Almodóvar-Star äußerst glaubwürdig.

Luitgard Koch

Cambridge, England. Peter und Lisa sind seit einem Vierteljahrhundert verheiratet. Er leitet eine IT-Firma, sie ist Schuh-Designerin. Die beiden scheinen glücklich zu sein. Abigail ist die erwachsene Tochter. Von deren Verlobtem George, einem Steinmetz, hält Peter nicht allzu viel. Deshalb ist das Verhältnis zur Tochter gespannt.

Lisa fährt beruflich nach Mailand. Peter stößt auf eine verdächtige Mail. Er recherchiert und recherchiert. In einer verschlüsselten Datei findet er schließlich Fotos: Lisa mit einem anderen Mann: Umarmungsszenen, Kussszenen, Bettszenen, Aufenthalt am Comer See. Das Ganze vor zwölf Jahren.

Peter ist geschockt und verzweifelt. Er liebt seine Lisa. Sofort fährt er nach Mailand, findet Lisas ehemaligen Liebhaber Ralph, genannt Rafe. Peter gibt sich nicht zu erkennen, sondern tut so, als freunde er sich – beim Schachspiel – mit Ralph an. Dann schickt er an diesen verführerische Mails, die ein Wiedersehen mit der schönen Lisa versprechen.

Ralph ist ein Charmeur, ein Schürzenjäger, ein Hochstapler. Er hat sich immer als feinen Pinkel ausgegeben, in Wirklichkeit ist er Hausmeister. Alles nur Fassade.

Abigail will ihren Vater unterstützen, muss aber vor allem darauf achten, dass der nichts Unbedachtes oder gar Kriminelles tut.

Peter ist es, der Ralph zu einem angeblichen Treffen mit Lisa an den Comer See einlädt. Dort kommen die Karten auf den Tisch.

Von Lisa ist leider für keinen mehr etwas zu erwarten. Sie ist schwer an Krebs erkrankt.

Und Peter? Und Ralph? Wie geht es mit ihnen weiter?

Wem kann man vertrauen? Wie tief kann die Menschenkenntnis gehen? Kann eine Frau wirklich zwei Männer lieben? Wie weit ist man nach einem „Verrat“ bereit zu vergeben? Das sind Themen, die zwar nicht im Einzelnen tiefer gehend analysiert werden, die aber die – manchmal durch viele Rückblenden etwas komplizierte – Handlung ausschmücken. Mit der Realität – und auch mit der Dramaturgie – hapert es ein wenig, aber insgesamt ist das doch ein echtes typisches Kinostück geworden.

Wie so oft haben auch hier die Schauspieler einen entscheidenden Anteil daran. Der beliebte Liam Neeson als entgeisterter Ehemann – eine Spitzenleistung. Laura Linney als zwei Männern verfallene Frau – eine Spitzenleistung. Antonio Banderas als verführerischer Schein-Superkerl – eine Spitzenleistung.

Thomas Engel