Anleitung zum Unglücklichsein

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Was wäre das deutsche Kino ohne seine Bestseller-Verfilmungen? In „Anleitung zum Unglücklichsein“ nach der Vorlage von Paul Watzlawick sucht eine nicht ganz unkomplizierte Mittdreißigerin das große Glück. Dass sie sich bei dieser Aufgabe meist selbst im Wege steht, ahnt man als Zuschauer schon früh. Große Namen wie Johanna Wokalek, Iris Berben und Michael Gwisdek sollen nicht nur Leser des Romans ins Kino locken. Regie führte Sherry Hormann („Wüstenblume“).

Webseite:
wwww.anleitungzumungluecklichsein.studiocanal.de

D 2012
Regie & Drehbuch: Sherry Hormann
Produzent: Peter Herrmann
Darsteller: Johanna Wokalek, Richy Müller, Benjamin Sadler, Katharina Maria Schubert, Iris Berben, Itay Tiran, David Kross, Michael Gwisdek
Laufzeit: 87 Minuten
Verleih: Studiocanal
Kinostart: 29.11.12

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Die Menschen im kleinen Königreich Bhutan sind glücklich. Deutschland, so erfahren wir in Sherry Hormanns „Anleitung zum Unglücklichsein“, rangiert hingegen nur auf Platz 43 der globalen Glücks-Rangliste. Woran das liegt? Hormanns Film versucht sich an einer einfachen und zugleich etwas unbefriedigenden Antwort. Eigentlich stehen wir die meiste Zeit unserem Glück selbst im Wege. Wir sind blind für das, was uns Gutes widerfährt und was uns glücklich macht. Und wenn wir uns doch plötzlich so fühlen, als sei uns dieses schwer fassbare Glück begegnet, fragen wir uns ängstlich, wie lange es wohl bei uns bleiben wird. „Die Absicht, dass der Mensch glücklich sei, ist im Plan der Schöpfung nicht enthalten“ hat Sigmund Freud einmal gesagt. Es ist nur eines von unzähligen Zitaten und Alltagsweisheiten, die Hormann ihre Hauptfigur Tiffany Blechschmid (Johanna Wokalek) aufsagen lässt.

Tiffany ist davon überzeugt, die „Anleitung zum Unglücklichsein“ zu besitzen. Dabei ist es erst dieser Gedanke, der sie mitunter bedrückt oder an sich selber zweifeln lässt. Ihr eigener Feinkostladen im Berlin-Kreuzberg könnte nämlich besser kaum laufen und zu ihren Angestellten hatte sie schon immer mehr als nur ein nüchternes Arbeitsverhältnis. Allein in der Liebe will sich der Erfolg nicht so recht einstellen. Auch ihrer jüngsten Bekanntschaft zu dem smarten Polizisten Frank (Benjamin Sadler) droht bereits in der ersten Phase des Kennenlernens das Aus. Das mag auch damit zusammenhängen, dass Tiffany regelmäßig ihre verstorbene Mutter (Iris Berben) erscheint, die glaubt, ihrer Tochter altkluge Ratschläge an die Hand geben zu müssen.

Hormanns Film funktioniert nach dem Muster einer romantischen Kiezkomödie mit melancholischen und fantastischen Untertönen. Als Single um die 30 steht Tiffany zugleich für eine ganze Generation gestresster Großstädter, bei denen der berufliche Erfolg und antrainierte Selbstzweifel der erwünschten Zweisamkeit im Wege stehen. Berlin-Kreuzberg ist hierfür ein durchaus plausibles Beobachtungsfeld, wobei die Abgrenzung zur eingewanderten Latte-Macchiato-Schikeria des Prenzlauer Berges relativ schwach ausfällt. Mehr noch als bloß hip und trendig zu sein, was sich im Retro-Charme von Tiffanys Laden widerspiegelt, möchte der Film jedoch eine eigene Poesie entwickeln. Neben den surrealen Elementen muss vor allem der verträumte, kindlich-naive Charme der Hauptfigur für dieses Bestreben herhalten. Tiffanys Aberglaube und ihre zahlreichen Macken sind aber auf die Dauer nicht nur für ihre Umwelt, sondern auch für den Zuschauer ziemlich anstrengend.

Hinzu kommt ein weiteres Problem. Hormann inszeniert Johanna Wokalek manchmal zu offensichtlich als Audrey-Tautou-Double und ihre Komödie als Berliner „Amélie“-Kopie. Auch die Musik wirkt wie ein Duplikat von Yann Tiersens allseits bekannter Melodie. Der resultierende Vergleich mit dem Welterfolg kann „Anleitung zum Unglücklichsein“ am Ende nur verlieren, was etwas schade ist, heben sich manche Einfälle wie die Rückblicke in Tiffanys Kindheit durchaus angenehm vom deutschen Komödieneinerlei ab. Johanna Wokalek – sonst meist in ernsten oder historischen Stoffen auf der Leinwand zu sehen – hat sichtlich Spaß an dieser für sie ungewohnten Rolle, die es ihr erlaubt, einmal neue Facetten von sich zu zeigen. Allerdings stielt ihr ausgerechnet Iris Berben die Show. Ihre Kurzauftritte als Tiffanys temperamentvolle Mutter zählen zu den heimlichen Höhepunkten dieser leider nur bedingt überzeugenden Komödie.

Marcus Wessel

Motto: „Der Mensch ist unglücklich, weil er nicht weiß, dass er glücklich ist“ (Dostojewski).

Tiffany Blechschmid hält sich für unglücklich. Schon als Kind bildete sie sich das ein. Doch eigentlich gibt es keinen triftigen Grund dafür. Sie führt in Berlin-Kreuzberg einen gut gehenden Feinkostladen mit kleinem Restaurant, hat tüchtige Mitarbeiter und den Vermieter Paul, der sie mag, schließlich in der Ferne auch einige Männer, die mit ihr liebäugeln (und sie mit ihnen), wie etwa der Fotograf Thomas und der Polizist Frank.

Und doch gibt sich Tiffany eher unzufrieden. Sie scheint psychisch angeschlagen; hört die abträgliche visionäre Stimme ihrer toten Mutter; glaubt dass Frank, weil sie ihn unabsichtlich abwies, ihretwegen zu Tode gekommen sei; trauert um ihren toten kleinen Bruder; spielt schon lange nicht mehr Klavier; erfährt, dass ihr früherer Klavierlehrer Luboschinski ihre Mutter liebte und der Vater deswegen die Familie verließ; muss jetzt sogar noch miterleben, dass Luboschinski sich das Leben nehmen wollte und in letzter Sekunde von Paul gerettet wurde.

Soviel Pech auf einmal. Da wird es allerhöchste Zeit, dass endlich Besserung eintritt. Und das ist letzten Endes auch der Fall.

Im Vergleich zu Sherry Hormanns berühmter „Wüstenblume“ muss man hier, was Inhalt und Dramaturgie angeht, qualitativ wohl einige Abstriche machen. Trotzdem gibt es noch Kino-Erlebenswertes. Zum Beispiel verkörpert Johanna Wokalek die Tiffany. Das ist sehenswert. Iris Berben tritt als (tote) Mutter auf, Michael Gwisdek gibt Tiffanys liebenswerten und weise gewordenen Vermieter Paul. Richy Müller ist der Klavierlehrer Hans Luboschinski, David Kross ein Küchenjunge. Als Tiffanys Vater fungiert Rüdiger Vogler, und Katharina Marie Schubert sorgt ab und zu für Witz. Also durchaus eine Schar namhafter Darsteller.

Man kann letztlich nur einen Rat geben: Wer sich ständig unglücklich fühlt, sollte sich an das oben genannte Dostojewski-Motto halten.

Thomas Engel