Arbitrage

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Was hat Richard Gere nur die letzten Jahre gemacht? Egal. Mit „Arbitrage“ meldet sich der Hollywood-Star eindrucksvoll zurück. Und nicht nur das. Mit seiner Rolle als skrupelloser Wall-Street-Spekulant beerdigt er ganz nebenbei das Image vom sensiblen „Mr. Right“. Nicholas Jarecki legt mit seinem Spielfilmdebüt einen überaus raffiniert konstruierten Thriller um Geld, Einfluss und Machtmissbrauch vor, der große Vergleiche heraufbeschwört und diesen mühelos standhält.

Webseite: www.studiocanal.de

USA 2012
Regie & Drehbuch: Nicholas Jarecki
Darsteller: Richard Gere, Susan Sarandon, Brit Marling, Laetitia Casta, Tim Roth, Nate Parker
Laufzeit: 100 Minuten
Studiocanal
Kinostart: 2013

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Es wird zugegeben nur wenige Leute geben, die ausgerechnet an der Wall Street die höchsten ethischen wie moralischen Standards vermuten würden. In der Kathedrale des Finanzkapitalismus sind Skrupel für das eigene Geschäft eher hinderlich, das wissen nicht zuletzt Gordon Gekko und Bernie Maddoff. Auch der schwerreiche Hedge-Fonds-Investor Robert Miller (Richard Gere) lebt nach dem Prinzip, dass Gier etwas Gutes sei. Miller hat nicht nur eine einflussreiche Investmentfirma aufgebaut, er zählt zugleich zu den meistgeachteten wie gefürchteten Figuren in diesem Multi-Milliarden-Dollar-Spiel. Damit hat er es sogar auf das Titelbild des „Forbes“-Magazine geschafft. Das Leben meinte es bislang gut mit ihm, und doch sieht er sich plötzlich in gleich mehrere, für ihn kaum mehr zu kontrollierende Ereignisse verstrickt, die ihn letztlich für Jahre ins Gefängnis bringen könnten.

Da wäre zum einen der anstehende Verkauf seines Investmentgeschäfts, das an einem versteckten Bilanzloch zu scheitern droht. Um den Deal dennoch abwickeln zu können, greift Miller zu unorthodoxen und eindeutig illegalen Mitteln, von denen seine Tochter (Brit Marling), die inzwischen zusammen mit ihm die Geschicke der Firma leitet, nichts ahnt. Miller führt darüber hinaus ein Doppelleben. Während er bei offiziellen Anlässen stets mit seiner Ehefrau Ellen (Susan Sarandon) auftritt, vergnügt er sich zwischen zwei Terminen nur zu gerne mit der schönen Nachwuchskünstlerin Julie (Laetitia Casta). Ein gemeinsamer Ausflug endet schließlich in einer Katastrophe. Nach einem schweren Autounfall, bei dem seine Begleiterin stirbt und den er zu verantworten hat, begeht der einflussreiche Wall-Street-Mogul Fahrerflucht. Alle Spuren, die ihn mit dem Geschehen in Verbindung bringen könnten, versucht er noch in der gleichen Nacht zu verwischen. Allein mit der Hartnäckigkeit des mit dem Fall beauftragten Detective (Tim Roth) hat Miller nicht gerechnet.

In seinem Spielfilmdebüt erzählt Nicholas Jarecki eine Geschichte ohne Helden, der es gleichwohl nicht an hochinteressanten und spannenden Charakteren mangelt. Allen voran Robert Miller ist – so wie Richard Gere ihn spielt – ein faszinierender, charismatischer Manipulator mit einem äußerst fragwürdigen Moralverständnis. Für ihn existiert kein Problem, das sich nicht mit Geld und Einfluss lösen ließe. Und doch passt er nicht in die vermutete Schublade des Oberschurken in Nadelstreifen. Er bleibt bei aller Gerissenheit letztlich eine Figur, für die man sich brennend interessiert, weil ihre Gefühlswelt gewisse Rätsel und Widersprüche aufgibt. Auf der einen Seite agiert sie scheinbar rücksichtslos, dann wieder lässt Gere in ihr Anflüge von Einsicht und sogar Reue erkennen. Aus diesem emotionalen Zwiespalt, in den uns Jarecki geschickt hineinmanövriert, entwickelt „Arbitrage“ eine überzeugende Sogwirkung. Die Frage, ob Miller am Ende mit seiner Version davonkommt, ist das „Whodunit“ dieses wunderbar altmodischen High-Society-Thrillers, dessen Inszenierung kaum stimmiger und eleganter ausfallen könnte.

Verteilt auf 100 Minuten entwickelt sich so die Dramaturgie eines geradezu klassischen Spiels um Recht und Gerechtigkeit, auf dem keine Seite über eine weiße Weste verfügt. Die Suspense dient Jarecki dabei als Motor, über den er sein narratives Netz spannt. Mitunter erinnert „Arbitrage“ gar an ein Hitchcock-Stück, so raffiniert und zugleich gradlinig wirkt seine Komposition. Man möchte kaum glauben, dass Jarecki zuvor nur als Kurz- und Dokumentarfilmer in Erscheinung trat. Auch sein Skript zur Bret-Easton-Ellis-Adaption „The Informers“ gibt keinen Hinweis, dass man von ihm schon bald ein solches Thrillerjuwel erwarten durfte. Komplettiert wird sein bis in die Nebenrollen exzellent besetztes Debüt von durchaus unbequemen Beobachtungen zum Verhältnis von Schwarzen und Weißen in der US-amerikanischen Gesellschaft.

Marcus Wessel

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