Auf der Suche nach dem Gedaechtnis

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Das Portrait des Nobelpreisträgers Eric Kandel verknüpft Regisseurin Petra Seeger in dieser Dokumentation (die in einer kurzen Version schon vor anderthalb Jahren im Fernsehen lief) mit dem Versuch, den Geheimnissen des Gedächtnisses auf die Spur zu kommen. Die Dokumentation lebt erheblich vom Charme Kandels.

Webseite: www.kandel-film.de

Deutschland 2008 - Dokumentation
Regie und Buch: Petra Seeger
Länge: 95 Minuten, Format: 1:1,85
Verleih: W-Film
Kinostart: 25. Juni 2009
 

PRESSESTIMMEN:

Ein dokumentarisches Meisterwerk der Wissenschaftsgeschichte.
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Dokumentarfilm über den Hirnforscher Eric Kandel und seine mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Arbeiten zur Wirkungsweise des Gedächtnisses. Dem kurzweiligen Film gelingt eine erstaunlich homogene Verbindung zwischen Wissenschaft und Erfahrung, wobei der humorvolle Intellektuelle freimütig und spannend aus seinem Leben und seinen Forschungen erzählt. Die Einblicke ins neuronale Synapsensystem verströmen eine überdies ästhetisch-mysteriöse Faszination.
film-dienst

Der Film, lässt uns der aus Wien stammende und in New York aufgewachsene Hirnforscher wissen, wird deine Gene im Gehirn aktivieren und dessen Anatomie möglicherweise für alle Zeiten verändern, bei denen einen mehr, bei den anderen weniger. Müssen wir das glauben? Wir dürfen es. Und diese autobiographische Dokumentation, verwirklicht nach dem gleichnamigen Buch „Auf der Suche nach dem Gedächtnis“ von der deutschen Regisseurin Petra Seeger, macht diese Erkundungen im Gehirn zu einem phantastischen, zu Herzen gehenden Kinoerlebnis.
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Ein genialer, 95 Minuten langes Porträt... Die Größe des Films besteht darin, die Schilderungen naturwissenschaftlicher Vorgänge nicht auszublenden, sondern in die Lebenserzählung zu integrieren. Das Genre Dokumentation erreicht so eine neue Dimension: eine Reise durch den Schädel als Fahrt durch ein Schicksal.
Der Spiegel

FILMKRITIK:

Eric Kandel gilt als einer der bedeutendsten Neurowissenschaftler des 20. Jahrhunderts. Eng verbunden ist sein Interesse am Gedächtnis mit seiner eigenen Lebensgeschichte. In Österreich geboren, musste er 1939 mit seiner Familie vor den Nationalsozialisten fliehen und fand in Amerika eine neue Heimat. In seiner Autobiographie benennt Kandel die Überlegungen, wie Menschen zu den Schrecken des Holocausts fähig sind, als Initialzündung für seine spätere Arbeit, die ihn zu bahnbrechenden Erkenntnissen und schließlich dem Nobelpreis führte. Worin genau diese Erkenntnisse liegen, bemüht sich der Film zu zeigen.

Immer wieder sieht man Kendel Diagramme zeichnen, die von der Verbindung der Synapsen, ihrer Veränderung und Bedeutung für die Zusammensetzung der bruchstückhaften Informationen, mit denen ein Mensch in jedem Moment konfrontiert ist, erzählen. Ein wirkliches Verständnis dieser komplexen Wissenschaft erwächst daraus nur bedingt. Gleiches lässt sich über die Szenen sagen, in denen Kendels Kollegen und Studenten aus seinem Labor an der Columbia University in New York über ihre Forschungen berichten. Aus bizarren Computerbildern, die bunt leuchten, wird der Laie nicht wirklich schlau, doch es geht in diesen Szenen auch um etwas anderes: Die Begeisterung, mit der die jungen Wissenschaftler aus aller Welt über ihre Arbeit berichten, eine Begeisterung, die nicht zuletzt dem Wesen Kendels geschuldet ist.

Der war bei den Dreharbeiten Mitte 70, zeigt aber keine Spur von Müdigkeit. Er treibt Sport, plant mit Kollegen immer neue Projekte und reist auf den Spuren seiner Vergangenheit um die Welt. Zusammen mit Frau und Kinder fährt er nach Wien, in seine Geburtsstadt, an die Orte seiner Kindheit. Leider bedient sich auch Petra Seeger hier dem heutzutage offenbar unvermeidlichen Stilmittel der Nachstellung. Da sieht man dann in betont nostalgischen Sepiafarben einen kleinen Jungen spielen, sieht betont finstere Nazitypen und fragt sich, ob der Gedächtnisforscher Kendel mit dieser plakativen Darstellung seiner Erinnerungen einverstanden wäre.

Es ist das konventionellste Stilmittel, das Petra Seeger in ihrem Film einsetzt, einer Dokumentation, die ganz erheblich vom Charme ihres Subjekts lebt. Wäre Kendel nicht so ein faszinierender Charakter, voller Lebensfreude und Begeisterung für seine Arbeit, vor allem aber für andere Menschen, dazu ohne den Hauch von Verbitterung ob des Schicksals seiner Familie, die Schwächen des Films würden deutlicher zum Vorschein kommen. So ist „Auf der Suche nach dem Gedächtnis“ an sich ein durchschnittlicher Dokumentarfilm, der vom Charisma einer Persönlichkeit lebt, die wie gemacht für das Medium Film ist.

Michael Meyns

Das aus Milliarden und aber Milliarden bestehende menschliche Gehirn ist eines der kompliziertesten Körperorgane überhaupt. Vieles, zu vieles liegt noch im Dunkeln, obwohl auf Teufel komm raus geforscht wird. Einer der führenden Wissenschaftler auf diesem Gebiet weltweit ist der Amerikaner Eric Kandel, jüdischer und Wiener Abstammung und seit 2000 Nobelpreisträger für Medizin.

Wie funktioniert das Erinnerungsvermögen? Was ist mit dem Kurzzeit-, mit dem Langzeitgedächtnis? Welche Informationsverbindungen bauen sich im Gehirn auf und wie? Warum entsteht Alzheimer? Wie weit sind die Tierversuche und Forschungen vorangekommen? Was sind Synapsen? Was hat das alles mit Sigmund Freud zu tun? Wie also ist die Verbindung zwischen Psychologie/Psychiatrie und Neurobiologie?

Dutzende solcher Fragen werden in diesem faszinierenden Dokumentarfilm von Petra Seeger gestellt und auf elegante Weise beantwortet. Kandel hat die Fähigkeit, verwickelte Prozesse allen auf einfache Weise zu erklären – immer wieder durchsetzt mit viel Humor.

Die wissenschaftliche Arbeit, die unzähligen Versuche im Labor, die Unterstützung durch eine fähige Crew, die Fortschritte und Rückschläge, die Reisen, die Vorträge, sie sind das eine. Das andere sind die menschlichen und schicksalhaften Aspekte des Lebens von Eric Kandel.

Als Kind musste er Wien verlassen, ausgeplündert wurden die Juden von den verbrecherischen Nationalsozialisten sowieso. Diese Erlebnisse haben Kandel geprägt, und deren psychische Aufarbeitung bestimmten wahrscheinlich auch seinen beruflichen Lebensweg.

Orthodox ist Kandel nicht, aber man spürt, dass er sich mit Leib und Seele als Jude empfindet.

Mit seinen Angehörigen kommt der Nobelpreisträger im Film nach Europa zurück: in das französische Kloster, in dem seine Frau als Kind vor den Nazis versteckt wurde; nach Wien an die Stationen seiner Kindheit; an die Orte, an denen seine Eltern tätig waren; an die schönsten Plätze Wiens, das er liebt; zu Studenten, zu denen er in einem Vortrag versöhnliche Worte findet; zum österreichischen Bundespräsidenten, von dem er empfangen wird.

Der Kreis hat sich geschlossen, sagt Kandel – und empfindet so etwas wie Glück.

Ein großartiger Film, den man nur empfehlen kann.

Thomas Engel