Away we go

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Sam Mendes gönnt sich mit diesem federleichten und frechen Road-Movie eine Auszeit von allzu ernster Kinokost. Ohne Stars und großem Aufwand erzählt er die Geschichte eines charmanten Außenseiterpärchens, das für den Start ins Familienleben nach Orientierung und Bezugspersonen sucht. Es beginnt eine skurrile Odyssee quer durch Nordamerika, entlang unterschiedlichster Lebensentwürfe, bis sich bei dem Paar die Erkenntnis durchsetzt, dass man das eigene Glück selbst schaffen muss.

Webseite: www.tobis.de

USA 2009
Regie: Sam Mendes
Darsteller: John Krasinski, Maya Rudolph, Jeff Daniels, Maggie Gyllenhaal
Länge: 98 Minuten
Verleih: Tobis
Kinostart: 15.10.2009

 

PRESSESTIMMEN:

Der grandiose Songwriter-Soundtrack und die unverbrauchten Darsteller machen dieses Roadmovie zu einem aufregenden Kinojuwel.
Cinema

FILMKRITIK:

Bislang haben sich Burt und Verona über ihr Leben nicht allzu viel Gedanken gemacht. Ohne große Ansprüche was das materielle Wohl betrifft, bewohnen die beiden Freiberufler eine kleine Hütte in Colorado und genießen die viele freie Zeit, die sie gemeinsam haben. Doch dann wird Verona schwanger und die beiden stehen plötzlich vor Problemen, die bislang keine Rolle spielten. Vor allem Verona überfällt eine leichte Panik: Vielleicht ist es doch ratsam, sich mit über Dreißig in den üblichen Trott von Karriere – und Familienplanung einzureihen, um sich ein sicheres Nest zu bauen.

Ausgerechnet in dieser heiklen Situation folgt ein weiterer Schock. Burts wohlhabende Eltern, die für die beiden nach der Geburt des Kindes die wichtigste Anlaufstelle sein sollten, eröffnen dem konsternierten Paar, dass sie für ein paar Jahre ihr Haus in Colorado untervermieten und nach Europa ziehen werden. Kurzentschlossen beschließt Verona vor der Niederkunft ihre übrigen Bekannten und Verwandten in Nordamerika abzuklappern, um vielleicht in deren Nähe den perfekten Platz für ihr neues Leben zu finden.

Doch schon bei der ersten Station in Phoenix, Arizona, stellt sich Ernüchterung ein. Entpuppt sich doch Veronas alte Freundin und Ex-Chefin Lily, als extrovertierte Egozentrikerin, die sich in der Öffentlichkeit mit Vorliebe über die eigenen Kinder lustig macht. Das andere Extrem führt Burts alte College-Freundin Ellen vor, die als esoterische angehauchte Übermutter mit Stillticks und Hass auf Kinderwägen („Ich darf mein Kind nicht von mir wegschieben“) in ihrer Uni zu fragwürdiger Berühmtheit gelangt ist. Ernster als auf den beiden ersten Stationen geht es in den weiteren Etappen des Roadtrips zu. In Montreal ist das geballte Familienglück einer Großsippe von dem Umstand überschattet, dass die Kinder allesamt adoptiert sind und bei Burts reichem Bruder in Florida haben sich die Ehefrau und damit auch das Lebensglück verflüchtigt. Allmählich dämmert es dem Paar, dass man sich bei der Suche nach dem eigenen Leben nicht an andere Lebensentwürfe andocken kann, sondern es gilt, einen eigenen Weg zu suchen.

Nach dem düsteren Drama „Zeiten des Aufruhrs“ verschlägt es den Regisseur Sam Mendes diesmal in heitere Gefilde. Sein Road-Trip durch das amerikanische Familiendasein arbeitet bewusst mit Übertreibungen und skurrilen Szenarien, um auf der Zielgerade einen etwas ernsteren Ton anzuschlagen. Über die Auswahl der illustren Nebenfiguren, die mitunter arg ausgestellt werden, kann man streiten. Dafür gelingt Mendes mit den beiden Hauptfiguren ein echter Glücksgriff. John Kasinski und Maya Rudolph kommen eigentlich aus dem komödiantischen Umfeld, hier glänzen sie zu allererst mit einer Natürlichkeit und Warmherzigkeit, der man sich als Zuschauer nicht verschließen mag. Wenn sich die beiden mit unerschütterlichem Vertrauen auf ihre gemeinsame Liebe einer scheinbar wahnwitzig gewordenen Welt stellen, dann wirkt der Film wie eine charmante Variante des Coen-Klassikers „Fargo“. Nur dass hier nicht Mord- und Totschlag das Paar enger zusammenschmieden, sondern die Auswüchse einer Gesellschaft, in der die Mitglieder auf der Suche nach Selbstverwirklichung ihre Mitte verloren haben.

Mag sein, dass diese Art der Feldforschung als Feel-Good-Movie sehr amerikanisch ausfällt, in ihrem Kern behält die Komödie mit Independent-Touch aber auch für europäische Zuschauer ihre Gültigkeit.

Norbert Raffelsiefen

Einem neuen Film von Sam Mendes kann man gespannt entgegensehen, und man wird kaum je enttäuscht – auch mit “Away we go” nicht.

Burt und Verona sind um die 30. Sie lieben sich, leben aber ein wenig ohne festen Kurs in den Tag hinein. Eine Waldhütte in Colorado genügt ihnen.

Verona wird schwanger. Sie ist jetzt im sechsten Monat, Zeit sich zu überlegen, wie das Leben weitergehen soll. Wo, zum Beispiel, sollen sie ihr endgültiges Heim aufschlagen?

Da beide freiberuflich arbeiten – Burt kümmert sich um Versicherungen, Verona fertigt anatomische Zeichnungen an -,beschließen sie, durch das Land zu fahren, um für sie den besten Ort zu finden.

Eine erste Enttäuschung gab es schon. Burts Eltern, in deren Nähe man hätte ziehen können, setzen sich für zwei Jahre ab – nach Antwerpen.

Burt und Verona fliegen nach Phoenix, Arizona. Dort leben Veronas Ex-Chefin Lily und ihr Mann Lowell. Was die Ehe aus den beiden gemacht hat, zeigt sich sofort. Lily ist extrovertiert und ordinär, wenn auch manchmal komisch, Lowell tut sich durch Unbedeutendheit hervor. Also keine möglichen Dauerfreunde.

Weiter geht es nach Tuscon zu Veronas Schwester Grace. Burt fällt aus der Rolle. Wieder nichts.

Die nächste Station ist Madison, Wisconsin. Dort ist Ellen zuhause, eine „Cousine“, deren Mutter einst mit Burts Vater befreundet war. Aber, oh Schreck, Ellen, die sich jetzt nur noch LN nennt, und ihr Lebensgefährte Roderick gehören zu den Erleuchteten, zu den New-Age-Leuten, zu den Meditierern, zu den Guru-Anhängern. Ihr Verhalten und ihre Kindererziehung sind entsprechend. Sie wollen beispielsweise keinen Kinderwagen, weil man im Kinderwagen „das Kind von sich wegschiebt“. Nichts für Verona und Burt.

Auf nach Montreal zu den Studienfreunden Munch und Tom. Sie haben Kinder adoptiert. Mit diesen herrscht fröhliche Stimmung. Eine Zeitlang. Doch dann legt sich wieder Schatten auf Munch und Tom. Sie sind tief unglücklich. Warum? Weil sie keine eigenen Kinder haben können.

Nicht viel besser geht es Burts Bruder Courtney in Miami, Florida. Seine Frau hat ihn und das Töchterchen Annabelle Knall auf Fall verlassen. Courtney ist völlig überfordert, hat es bis jetzt nicht über das Herz gebracht, dem Kind alles zu erzählen.

Verona und Burt haben genug erfahren. Nunmehr sind sie sicher, wo und wie sie ihr Heim und ihre Zukunft gestalten werden.

Eine ganze Schar vorzüglicher Darsteller füllt das ebenso unterhaltsame wie Erfahrungen vermittelnde Stück aus, das auf der Grundlage des Drehbuches von Dave Eggers und Vendela Vido sowie mit einer bemerkenswerten Regie von Sam Mendes entstand. Erwähnt werden müssen aber unbedingt Maya Rudolph als Verona und John Krasinski als Burt. Ihr harmonisches Zusammenspiel ist frappant.

Thomas Engel