Bottled Life

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Wasser ist Leben heißt zwar einer dieser gern zitierten Sinnsprüche, doch aus Sicht der Nahrungsmittelindustrie heißt es zunehmend: Wasser ist Geld. Wie dieses Geschäft mit abgefülltem Quellwasser funktioniert, welche ökologischen und wirtschaftlichen Folgen es hat, das zeigt der Schweizer Regisseur Urs Schnell in seiner Dokumentation „Bottled Life“ am Beispiel Nestlé.

Webseite: www.wfilm.de.de

Schweiz 2012 - Dokumentation
Regie: Urs Schnell
Buch: Res Gehriger, Urs Schnell
Länge: 94 Minuten
Verleih: W-Film
Kinostart: 12. September 2013

PRESSESTIMMEN:

"...ein lehrreicher Report."
Cinema

FILMKRITIK:

Es ist eines der Grundprinzipien des Kapitalismus: Nachfrage kreieren und sie dann mit eigenen Produkten befriedigen. Und so kommt es, das das Leitungswasser in den westlichen Industriestaaten zwar einerseits immer besser wird, die Nahrungsmittelindustrie mit abgefülltem Wasser aber Milliarden verdient. Längst ist die stets griffbereite Trinkflasche zum Symbol des geschäftigen Großstädters geworden, der von Termin zu Termin hetzt und dabei offenbar stets am Rande des Verdurstens ist. Gut, in manchen der Wässerchen sollen sich auch wertvolle Mineralien finden, die mal beim Abnehmen helfen, mal Krebs vorbeugen, mal alle anderen möglichen Vorteile haben sollen, die sich die Industrie aus den Fingern saugt.

So überflüssig im Westen abgefülltes Wasser ist, so lebensnotwendig wäre es in unterentwickelten Ländern, wo Bakterien das Leitungs- bzw. Brunnenwasser oft zu einer der Hauptquellen für allerlei Krankheiten macht. Doch wo ein erheblicher Teil der Bevölkerung ohnehin unter der Armutsgrenze lebt, ist natürlich kein Geld für teures Flaschenwasser vorhanden. Dass zudem durch Landwirtschaft (und Golfplätze) die Süßwasservorräte der Erde langsam zur Neige gehen, in manchen Ländern durch Stauseen schon Wasserknappheit herrscht, lässt manche Experten davon sprechen, dass in Zukunft Kriege um Wasser geführt werden könnten.

In diesem Wust aus Themen und Problemen setzen der Schweizer Dokumentarfilmer Urs Schnell und sein Co-Autor Res Gehriger an und haben sich mit dem Riesen Nestlé einen Gegner ausgesucht, der gleichzeitig ein unbesiegbarer und leichter Kontrahent ist. Wenn da Gehriger in bester Michael-Moore-Manier versucht, ein Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden Peter Brabeck zu bekommen, aber nicht mal in die Nähe der Konzernspitze kommt, ist das Muster klar: Hier kämpft David gegen Goliath, der sich hinter Anwälten versteckt und sonst keinen Kommentar abgibt. So macht man es sich als Filmemacher einfach, liegt zwar nicht falsch, aber greift doch zu kurz. Denn nicht Nestlé allein ist natürlich Schuld an der Situation, die etwa zur Wasserentnahme in Naturschutzgebieten führt oder zur absurden Situation, dass die Bürger einer US-Stadt für genau das Wasser, dass sie aus der Leitung bekommen, im Supermarkt viel Geld zahlen müssten.

Bisweilen verzetteln sich die Autoren in ihrem Versuch, über die vielfältigen Aspekte des Wasser-Problems zu berichten und mit Nestlé einen sichtbaren Antagonisten zu kreieren. Viel spannender als die Machenschaften des Großkonzerns sind Szenen aus Pakistan und Nigeria, wo der Versuch, halbwegs sauberes Wasser in Plastiktüten zu verkaufen, zu enormer Umweltverschmutzung führt. In solchen Szenen erzählt „Bottled Life“ viel über ein schwieriges Problem, dessen Lösung wieder andere Probleme nach sich zieht. Hier und in Interviews mit Umweltaktivisten in Amerika und anderen Länder verzichten Schnell und Gehriger auf allzu einfache Polemik und deuten an, wie sehr gerade der westliche Verbraucher Teil des Problems ist. Denn so lange dieser auf das Versprechen, mit unmäßigem Genuss von Wasser in Flaschen etwas für seine Gesundheit zu tun, so lange machen alle Nahrungsmittelkonzerne ein Milliardengeschäft – die Lösung wäre also ganz einfach.

Michael Meyns

HINWEIS: Der Film hatte bereits im September 2012 eine Ausstrahlung auf ARTE und im November im WDR