Captain Phillips

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Mit „Bloody Sunday“ oder dem Politthriller „Greenzone“ hat Paul Greengrass ambitioniertes Kino der kritischen Art präsentiert, mit den beiden „Bourne“-Actionkrimis bot er profitables Popcorn-Kino der Premium-Klasse. Nun erzählt der Brite die wahre Geschichte eines Piratenangriffs auf ein US-Schiff vor der somalischen Küste. Ein atemberaubendes Drama auf hoher See. Spannend erzählt. Visuell virtuos inszeniert. Und mit einem hochkarätigen Helden wider Willen: Tom Hanks in Bestform.

Webseite: www.captain-phillips.de

USA 2013
Regie: Paul Greengrass
Darsteller: Tom Hanks Barkhad Abdi, Barkhada Abdirahman, Fayal Ahmed, Catherine Keener
Filmlänge: 134 Minuten
Verleih: Sony
Kinostart: 14. November 2014

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Es sollte eine ganz normale Schiffspassage werden, wie so viele, die der erfahrene Kapitän Richard Phillips bereits unternahm. Im April 2009 geht er im Hafen von Oman an Bord des unter amerikanischer Flagge fahrenden Containerschiffs „Maersk Alabama“. Die Ladung besteht vor allem aus Lebensmitteln des UN-Hilfwerks für Ostafrika. Doch bevor das Ziel Mombasa in Kenia erreicht wird, kommt es vor der Küste von Somalia zu einem dramatischen Zwischenfall. Eine Handvoll bewaffneter Piraten verfolgt das 17.000-Tonnen-Schiff. Mit einem cleveren Bluff kann der Kapitän die Verfolger zunächst abschütteln. Doch die Seeräuber bleiben hartnäckig. Mit einem tollkühnen Manöver entern die Angreifer von zwei kleinen Booten aus das riesige Schiff. Die unbewaffnete Crew kann sich im Maschinenraum verstecken. Mit den Bargeld-Vorräten im Tresor versucht Phillips den Raubzug zu beenden. Doch 30.000 Dollar sind für den Anführer Muse viel zu wenig: „Bin ich ein Bettler?“ fragt er selbstbewusst und hofft auf massive Lösegelder der Reederei. Als die Crew einen der Piraten in ihre Gewalt bekommen, eskaliert die Lage. Bei der Flucht der Angreifer im Rettungsboot wird der Kapitän als Geisel genommen. Mit dem Zerstörer „USS Bainbridge“ eilt schließlich Hilfe herbei, der US-Präsident höchstpersönlich erwartet eine schnelle Lösung - schließlich ist dies seit 1845 das erste amerikanische Schiff, das von Piraten geentert wurde. Die Lage in dem kleinen Rettungsboot spitzt sich fortan immer dramatischer zu.

Mit spektakulären Bildern auf hoher See, zum größten Teil real gedreht, gelingt Greengrass ein wahnwitzig realistisches Actionspektakel. Mit seiner Handkamera im engen Rettungsboot erzeugt er eine klaustrophobische Atmosphäre, wie sie einst in „Das Boot“ kaum besser zelebriert wurde. Ähnlich überzeugend wie das visuelle Konzept fällt die für Hollywood-Verhältnisse erstaunliche Ausgewogenheit der Story aus. Statt pathetisch patriotischer Helden-Saga mit üblichem Feindbild, kommen hier auch die Piraten zu Wort, mehrfach erzählen die eigentlichen Fischer, wie sich aus purer wirtschaftlicher Not zu Verbrechern wurden, obendrein gezwungen durch eine übelste Warlord-Mafia ihrer Heimat. Dass die Somalis ihrer Sprache nicht beraubt werden, sondern mit Untertiteln übersetzt sind, kann fast schon als revolutionär für das kommerzielle US-Kino gelten (auch in der deutschen Fassung wird das Prinzip glücklicherweise beibehalten!).

Als reiner Thriller funktioniert das Werk ebenfalls perfekt - obwohl man den Ausgang kennt. Und trotz einer Länge von 134 Minuten. Seine Spannung verdankt das Actiondrama der atmosphärisch dichten Stimmung sowie der psychologischen Präzision des ausgefeilten Drehbuchs. Nicht zuletzt bietet Hauptdarsteller Tom Hanks einmal mehr das, was er so konkurrenzlos grandios beherrscht: Den unscheinbaren Typen, der in auswegloser Lage über sich hinauswächst. Den maximalen Spießer, der zum Helden wider Willen mutiert - breaking good! Wie Hanks am Ende im Schiffshospital zusammenbricht ist eine Klasse für sich. Vor einer echten Krankenschwester übrigens - auch das wiederum so ein cleverer kleiner Schachzug des grandiosen Glaubwürdigkeits-Freaks Paul Greengrass.

Dieter Oßwald