Che – Teil 1: Der Argentinier

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Eigentlich ist alles gesagt über Che Guevara, Fidel Castro und die kubanische Revolution und dennoch ist Steven Soderberghs epischer, zweiteiliger Film über den Revoluzzer ein faszinierendes Projekt. Als biographischen Film kann man ihn nur bedingt beschreiben, ohne Vorwissen ist der Erkenntnisgewinn gering. Vielmehr ist Che ein Versuch der Reflektion über das Genre an sich und ist als Gesamtwerk eine Dialektik über Erfolg und Scheitern eines Guerillakrieges.

Webseite: www.centralfilm.de

USA 2008
Regie: Steven Soderbergh
Buch: Peter Buchman
Darsteller: Benicio Del Toro, Demian Bichir, Rodrigo Santoro, Julia Ormond, Ramon Fernandez, Yul Vazguez
Länge: 126 Minuten, Format: 1:2,35 (Scope)
Verleih: Central
Kinostart: 26. März 2009
 

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Für die einen ist er ein idealistischer Freiheitskämpfer, der sich dem amerikanischen Imperialismus entgegengestellt hat, für die anderen ein skrupelloser Mörder und unfähiger Politiker. Irgendwo zwischen diesen beiden Extremen dürfte die Wahrheit über Ernesto „Che“ Guevara verborgen sein, die nach inzwischen fast 50 Jahren Mythologisierung bzw. Verdammung allerdings für immer verschüttet sein dürfte. Wie soll man sich als Künstler also dieser Figur nähern, zumal wenn man Regisseur ist, also mit einem Medium arbeitet, dass angesichts der Macht der Bilder allzu leicht – und oft auch ungewollt – zum Propagandainstrument wird. 

Steven Soderbergh ist natürlich zu intelligent, um einen Film wie „The Motocycle Diairies“ zu drehen, der vorgeblich nur von Guevara als junger Mann erzählte, sich aber dennoch in unreflektierter Mythologisierung verlor. Und natürlich ist Soderbergh auch nicht daran interessiert, einen klassischen biographischen Film zu drehen, inklusive der Reduzierung eines Lebens auf ein, zwei psychologisch entscheidende (Kindheits-)Momente, in denen die Ursache alles Folgenden liegt. 

Zwar bewegt sich eine Ebene von „Der Agentinier“ linear von 1955 bis 1959, eine wirklich lineare Erzählung entsteht dennoch nie. Vielmehr sieht man Vignetten aus Guevaras Leben, eine erste Begegnung mit Fidel Castro, lange Märsche durch den Urwald, immer wieder kleine Scharmützel und größere Kämpfe, aber einen wirklichen Eindruck von der kubanischen Revolution vermittelt dies nur bedingt. Gelegentlich werden zwar Daten und Orte eingeblendet, doch was gerade erobert, welche Stadt befreit werden soll, kann man nur ahnen. In meist langen Einstellungen beobachtet Soderbergh (der wie immer als sein eigener Kameramann agierte) das Geschehen, oft aus größerer Distanz, manchmal auch von hinten, die kaum etwas von der Mimik der Personen verrät, vor allem aber keine Spur von Psychologisierung erzeugt. 

Benicio Del Toro, der Guevara erstaunlich ähnelt, verzieht kaum eine Mine, spricht seine Dialogzeilen fast beiläufig, ja, unemotional und entspricht damit dem Stil des gesamten Films. Manchmal erweckt „Der Argentinier“ den Anschein einer Dokumentation, bei der die spannenden Teile herausgeschnitten wurden und nur das Alltägliche, scheinbar banale übrig bleibt. Selbst die Kämpfe sind mit diesem Ansatz gefilmt, bleiben verwirrend und distanziert und haben dadurch eine Zufälligkeit an sich, die sich durch das ganze Unternehmen „kubanische Revolution“ zieht, wie es hier geschildert wird. 

Die zweite Ebene des Films, die Guevaras Besuch in New York 1964 zeigt, seinen Auftritt vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen und ein Interview mit einer Journalisten, funktioniert zwar in Momenten als Kommentar zum Gang der Revolution, bedient sich der erwartbaren ideologischen Phrasen, doch wirkliche Klarheit schafft auch sie nicht.
Irgendwann ist der Film dann vorbei, mitten in der Revolution, und hat keine der Erwartungen, die man an einen gewöhnlichen biographischen Film hat, erfüllt. 

Dieser strukturalistische Ansatz ist einerseits eine große Qualität, mit der sich Soderbergh andererseits auch der Notwendigkeit entzieht, eine ideologische Position zu beziehen. So lebt „Der Argentinier“ von den hervorragenden Darstellern – neben Del Toro vor allem Demian Bichir als Fidel Castro – und seiner schieren Ambition, mit der er sich zwar teilweise selbst im Weg steht, die ihn aber gleichzeitig weit aus dem Gros der biographischen Filme heraushebt.

Michael Meyns

 

Das berühmte Bild Ches mit der Baskenmütze ist eines der am meisten verbreiteten Fotos der Welt. Und auch die Prinzipien, nach denen er lebte und handelte, sind nach wie vor hochzuhalten: Abschaffung jeglicher Unterdrückung, soziale Gerechtigkeit, Freiheit, Unabhängigkeit, Menschlichkeit.

Steven Soderbergh hat jahrelang recherchiert, um ein möglichst getreues Bild des Argentiniers, Arztes, Revolutionärs und Freiheitskämpfers zu erstellen. Minutiös, möglichst authentisch wird im ersten Teil der beiden Che-Filme geschildert: wie Che - noch in geheimen Verhandlungen in Mexiko - zu Fidel Castro stieß; der jahrelange entbehrungsreiche Kampf im Dschungel; die Zusammenstöße mit der Armee des kubanischen Diktators Battista; die Gewinnung der Bauern für die Idee der Revolution; das manchmal problematische Konkurrenzdenken oder auch das Zusammenspiel der verschiedenen Rebellen-Kampfgruppen; die nicht einfache Einhaltung der Disziplin oder die Hinrichtung der Deserteure und Verräter; das nach langer Zeit gelingende Vordringen der Rebellen sowie die Einnahme der wichtigsten Städte des Landes; der Aufbruch nach Havanna. (Die Eroberung der Hauptstadt und die Etablierung der Revolution ist Inhalt des zweiten Films.)

Dazwischen geschnitten ein Interview mit Che Guevara sowie seine berühmte Rede vor den Vereinten Nationen.

Man hat den Eindruck, als stecke man mitten im Geschehen, als sei man Mitglied der Truppe des Commandante Che, so unmittelbar und lebendig nah ist das inszeniert. Zahllose Details werden gezeigt – was allein den ersten Teil über zwei Stunden dauern lässt. Ideell wie geschichtlich wie guerilla-taktisch ist jedenfalls einiges geboten. Für Zuschauer, die die 50er und 60er Jahre nicht erlebt haben, dürfte dies besonders interessant sein.

Benicio del Toro erhielt für seine Verkörperung des Che 2008 den Preis als bester männlicher Darsteller, und zwar sowohl in Cannes als auch in Spanien (Goya). Man kann es verstehen, die Auszeichnung ist hoch verdient.

Erster Teil eines Lebens- und Kampfbildes des charismatischen, allzu früh in Bolivien hingerichteten Freiheitskämpfers Ernesto „Che“ Guevara – vom Beginn der revolutionären kubanischen Erhebung bis zum Aufbruch nach Havanna. Ideell und historisch ein Gewinn.

Thomas Engel