Chico und Rita

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Was für eine mutige Idee: ein Zeichentrick-Musical über Jazz, Kuba und die Liebe. Alles dreht sich um den Rhythmus der Karibik in diesem schwungvollen Film, der den Weg des Jazzpianisten Chico und der Sängerin Rita zeigt – eine mitreißende, sinnliche Musik begleitet ihre bittersüße Liebesgeschichte vom Havanna der Vor-Castro-Zeit bis in die Gegenwart. Der vielfach preisgekrönte, ambitionierte Film ist ein Augen- und Ohrenschmaus, er wärmt das Herz und wird nicht nur das reifere Arthouse-Publikum entzücken, sondern auch junge Musikfans, deren Herz für den klassischen Latin Jazz schlägt.

Webseite: www.chicoundrita-film.de

Spanien/UK 2010
Regie: Fernando Trueba, Javier Mariscal, Tono Errando
Drehbuch: Fernando Trueba, Ignacio Martinez de Pisón
Musik: Bebo Valdés
Animationsfilm
Musik und Gesang (Auswahl): Bebo Valdés, Idania Valdés, Estrella Morente, Freddy Cole
93 Minuten
Verleih: kool Filmdistribution
Kinostart: 30. August 2012

PRESSESTIMMEN:

Preise und Nominierungen:
Europäischer Filmpreis (2011): Beste Animation
Spanischer Filmpreis “Goya” 2011: Beste Animation
Internationales Trickfilmfestival Stuttgart 2011: Beste Langfilmanimation
Oscar-Nominierung für Beste Animation, 2012

FILMKRITIK:

Schwer und sinnlich, dabei doch zärtlich und verwegen, spielerisch und dramatisch zugleich. So ist der Latin Jazz, und genau so ist dieser Film, der von Wehmut und Sehnsucht ebenso lebt wie von der Leichtigkeit des schnell verfliegenden Moments. Hell und Dunkel, Dur und Moll liegen hier dicht nebeneinander, so wie die schwarzen und die weißen Tasten auf Chicos Klavier. Die scharfen Kontraste schaffen eine betörende Atmosphäre – optisch, akustisch und inhaltlich.

1948 in Havanna: Kuba ist so etwas wie ein Vergnügungspark direkt vor der Haustür der USA. Hier gibt es alles, was das Spießerherz begehrt. Dagegen wirkt das heutige Mallorca wie ein artiges, kleines Ferienlager. Mitten im Getümmel des karibischen Nachtlebens versucht der junge Chico sein Glück als Jazzpianist, während die Sängerin Rita sich an reiche Amis verkauft. Chico und Rita verfallen einander auf den ersten Blick. Schnell stellt sich heraus, dass sie sich musikalisch näher sind als menschlich. Auf jede leidenschaftliche Liebesnacht folgt ein mindestens genauso leidenschaftlicher Streit, der sie wieder auseinandertreibt. Als Rita nach New York geht, folgt ihr Chico nach. Sie wird schnell berühmt, macht Karriere in Hollywood und kann doch ihren Chico nicht vergessen, der seinerseits gefeiert wird und durch Europa tourt. Doch auch die Flucht in die Pariser Bohème wird ihm nichts nützen, denn Ritas Bild und ihre Stimme kann er nicht aus seinem Herzen verbannen … Als sie sich wiedertreffen, wissen sie, dass sie zusammengehören. Doch diesmal werden sie durch Verrat und veränderte politische Verhältnisse auseinandergerissen. Für immer?

Eine einfache Story: Junge trifft Mädchen. Er liebt sie, sie liebt ihn, aber sie kommen nicht zueinander. Wie so häufig wird die scheinbar schlichte Konstellation erst so richtig reizvoll durch das perfekte Zusammenspiel von Inhalt, Anspruch und Erscheinungsbild. Tatsächlich prägt ein außergewöhnliches und extrem gut durchdachtes Design den Film. Effektvolle Kontraste zwischen Licht und Schatten, samtig sanfte Farben, und ausgefuchst gut recherchierte und detailreich gestaltete Hintergründe liefern optische Reize und schaffen zusätzliche Spannung. Rita strahlt mit ihren blutroten Lippen wie eine lockende Verheißung von der Leinwand.

All das hat wenig zu tun mit Animationsfilm-Massenware, sondern viel mehr mit der künstlerischen Interpretation einer Zeit und ihrer Stimmung. Dafür braucht dieser Film die Musik, so wie die Liebenden einander brauchen, um vollkommen zu sein. Ihre Stadt ist Havanna, das sinnliche Zentrum einer musikalischen Revolution, die von der Karibik aus ihren Siegeszug antritt: Jazz ist hier Ausdruck für das wachsende Selbstbewusstsein der farbigen Latinos. Im Gegensatz zum ärmlichen, farbenfrohen Havanna, wo die heißen Rhythmen aus jeder Mauerritze tropfen, steht New York für die attraktive Glitzerwelt des Ruhms. Schnell und schnelllebig, attraktiv, aber auch verführerisch und verlogen.

Fernando Trueba („Belle Epoque“), der nicht nur ein renommierter Filmemacher, sondern auch Musikproduzent ist, hat gemeinsam mit dem vielseitigen Künstler und Designer Javier Mariscal und dessen Bruder Tono Errando Regie geführt. Für die Arbeit am Drehbuch und für die Hauptfigur des Chico gibt es ein reales Vorbild, den großen Jazzpianisten Bebo Valdés (Jahrgang 1918). Auch er wurde im Alter wiederentdeckt, so wie Chico im Film, der am Ende Rita wiederfinden darf. Valdés spielt Chicos Pianostücke, und ihm ist dieser Film gewidmet, dieses musikalische Märchenstück, das so sanft und feurig ist wie ein Rum-Cocktail an einem lauen Sommerabend.

Gaby Sikorski

Ein Zeichentrickfilm, aber was für einer!

Chico ist in Kuba Pianist. In kleinen Bars spielt er, mit seinem Freund Ramon an der Seite. Der will sein Manager werden. Doch dann geht für Chico plötzlich die Sonne auf. Er sieht in einer Bar die Sängerin Rita, die nicht nur schön ist sondern auch wunderbar singt. Er will sie gleich anmachen. Es klappt nicht sofort.

Dann immerhin eine erste Liebesnacht – die allerdings verhängnisvoll endet, weil eine andere Lady ziemlich laut und schlagkräftig ebenfalls ihren Anspruch auf Chico geltend macht.

Chico liebt Rita, daran ist nichts zu ändern. Und Rita liebt Chico, auch daran ist nichts zu ändern. Doch das Leben meint es nicht nur gut mit ihnen. Rita lässt sich nach einem Missverständnis oder einer Auseinandersetzung mit ihrem Liebsten von einem Manager nach New York mitnehmen. Wieder sind sie getrennt.

Einige Zeit später verkauft Chico sein Klavier und begibt sich mit Ramon ebenfalls nach New York, „um die Jazzszene aufzumischen“.

Doch Rita und Chico werden alt, bis sie beide auf eine schöne Weise wieder zusammenfinden.

Eine fabelhafte, stilistisch blues-artig durchgehaltene beeindruckende Animation. Einmal wird sie wunderschön durch einen Traum Chicos durchbrochen, der leider nur viel zu kurz geraten ist.

Die Geschichte ist rührend, sentimental, kitschig. Schön kitschig. Auch Eifersucht und Verrat sind nicht fern. Aber Erfolg und Sehnsucht ebenfalls nicht.

Und dann die Musik: kubanische, amerikanische. Songs und Jazz, Blues und Rhythm. Eine Nummer besser interpretiert als die andere.

Für Fans eines filmisch wie thematisch rührend-seriösen Animations- und Musikfilms ein Genuss.

Thomas Engel