Close to home

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Anhand zweier junger Rekrutinnen in der israelischen Armee entwickeln die Regisseure Dalia Hagar und Vidi Bilu einen eindringlichen Film, der die moderne israelische Gesellschaft als von Zweifeln und Paranoia durchzogene Welt zeigt. Ohne offensichtliche Kommentare über die politische Situation abzugeben gelingt es dem Film, anhand einer schwierigen Freundschaft über das große Ganze zu erzählen. Ein herausragender, subtiler Film.

Webseite: www.mitosfilm.com

Israel 2005
Regie und Buch: Dalia Hager & Vidi Bilu
Kamera: Yaron Scharf
Schnitt: Joelle Alexis
Musik: Yontan Bar Giora
Darsteller: Smadar Syar, Naama Schender, Irit Suki, Katja Zimbris, Ami Weinberg
90 Minuten, Format 1:1,85
Verlieh: mitosfilm
Kinostart: 8. März 2007

PRESSESTIMMEN:

Ein sympathisches Buddy-Movie der etwas anderen Art, das Nicht-Israelis Einblicke in den dortigen Alltag gewährt.
Cinema

FILMKRITIK:

Schon immer erstaunte die hohe Militärpräsenz den Besucher Israels. Nicht nur an offensichtlich gefährdeten Orten, überall traf man Soldaten, die in ausnehmend lässiger Pose mit ihrem Maschinengewehr über dem Rücken durch die Straßen liefen. Besonders vielen jungen Rekruten begegnete man, sowohl Männern als auch Frauen. Der dreijährige Grundwehrdienst ist fester Teil des Lebens, die Armee so sehr im Bewusstsein der Bevölkerung verankert, so anerkannt und gewürdigt, wie wohl in keiner anderen Demokratie der Welt.

Dass für viele junge Menschen der Wehrdienst eher eine Pflichtaufgabe ist, dass die im Zuge der zunehmenden Spannungen mit den Palästinensern noch verschärften Kontrollen vielen Rekruten zumindest unsinnig, wenn nicht gar unmoralisch erscheinen, ist Ausgangspunkt von Close to Home. Im Mittelpunkt stehen die beiden Rekrutinnen Smadar (Smadar Sayar) und Mirit (Naama Schendar), die auf unterschiedliche Weise an ihre Aufgabe herangehen. Auf einer Straße in Jerusalem sollen sie patrouillieren und arabisch aussehende Personen kontrollieren. Eine scheinbar stupide Aufgabe, die Smadar mit Widerwillen und Mirit mit großem Eifer erfüllt. Dennoch entwickelt sich langsam eine Freundschaft zwischen den unterschiedlichen Mädchen, die beide nach einem Weg suchen, mit den unterschiedlichen Ansprüchen umzugehen.

Smadar, die Impulsive, verstößt gerne mal gegen Regeln, ohne das es für sie Konsequenzen hat, während Mirit ein ängstliches Mäuschen ist. Als es Smadar dann doch gelingt, Mirit dazu zu bringen, etwas aus sich herauszugehen und über die Grenzen zu gehen, wird diese sofort erwischt und bestraft.

Die große Qualität des Films ist nun, wie es gelingt, die Schwierigkeit, im richtigen Moment die richtigen Entscheidungen zu treffen, zu wissen, wann es richtig ist, den Regeln zu folgen und wann es besser ist, kulant zu sein, in subtiler Weise auf eine größere, politische Ebene zu bringen. Ohne dass es deutlich gesagt werden muss, wird die zwiespältige, problematische Entwicklung vor Augen geführt, in die die israelische Gesellschaft durch die immer weiter zunehmende militärische Präsenz schlittert. Einerseits wirken die extremen Grenzkontrollen, denen sich jeder Palästinenser – selbst wenn er täglich zur Arbeit nach Israel fährt – unterziehen muss, vollkommen unverhältnismäßig und diskriminierend. Anderseits gibt es nun einmal die nicht zu leugnende Gefahr durch zahllose Selbstmordattentäter, denen etwa mit Hilfe der massiven Passkontrollen auf Straßen und in Bussen auf die Spur gekommen werden soll. Die jungen Rekruten finden sich nun in einer komplexen Situation wieder, der sie kaum gewachsen sind. Von lustlosen Offizieren eingewiesen, erfüllen die Mädchen mehr schlecht als recht ihre Aufgabe, ohne zu wissen, wann sie auf dem Vorzeigen eines Ausweises insistieren sollen und wann sie großzügig sein können.

In losen Szenen entwickelt sich der Film, viel wird nur angedeutet, manches wichtige findet gar im Off statt, so als wäre ein Übermaß an dramatischen Ereignissen zu viel, um diese fragile, gleichermaßen von Paranoia und Gleichgültigkeit zerrissene Gesellschaft angemessen darzustellen.
 

Michael Meyns