wilde Leben, Das

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Sie war die Ikone der 68er, obwohl sie in vielen Dingen nicht deren Ideal verkörperte: Uschi Obermaier, das bayerische Fotomodell und berühmteste Groupie der Rockgeschichte, nahm sich Freiheiten heraus, die mit dem vorherrschenden Frauenbild der damaligen Zeit radikal brachen. Mit der bislang vor allem in TV-Serien anzutreffenden Natalia Avelon verfilmten Achim Bornhak und Schlöndorff-Produzent Eberhard Junkersdorf (Die verlorene Ehre der Katharina Blum, Die Blechtrommel) Das wilde Leben der Uschi Obermaier, deren Erinnerungen der Film frei nachempfunden ist.

Webseite: www.daswildeleben.de

Deutschland 2006
Mit Natalia Avelon, Matthias Schweighöfer, David Scheller, Victor Norén, Alexander Scheer
Regie: Achim Bornhak
Drehbuch: Achim Bornhak, Olaf Kraemer nach einer Vorlage von Olaf Kraemer, C.P. Hant und Dagmar Benke
Produzenten: Eberhard Junkersdorf, Dietmar Güntsche
Kamera: Benjamin Dernbecher
Schnitt: Peter Przygodda
Kinostart: 1.2.2007
Verleih: Warner

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Es war die Enge und Ereignislosigkeit, die den Teenager Uschi Obermaier (Natalia Avelon) zu erdrücken schien. Während sie den Traum hegte, frei und selbstbestimmt wie die Blumenkinder im fernen San Francisco zu leben, musste sie sich stattdessen mit den konservativen Ansichten ihrer Eltern und der tristen Realität im Münchner Stadtteil Sendling herumschlagen. Irgendwann wird es ihr zuviel. Lieber tot als weiter eingesperrt zu sein, schwört sie sich und reist mit einer Freundin per Anhalter nach Berlin. Dort lernt sie Rainer Langhans (Matthias Schweighöfer) und das inzwischen legendäre Projekt der „Kommune 1“ kennen. Doch Uschi merkt schnell, dass sich die philosophischen Diskurse und radikalen Ansichten der Kommune nicht mit ihren Vorstellungen vereinbaren lassen. Vor allem kommt sie nicht damit klar, dass Langhans einerseits die freie Liebe propagiert und gleichzeitig eifersüchtig reagiert, als sie dieses Prinzip ausleben will.
 

Uschi entscheidet sich für ihre Modelkarriere und die Welt des Rock’n’Roll. Sie lernt Mick Jagger (Victor Norén) und Keith Richards (Alexander Scheer) kennen. Beide können nicht von ihr lassen. Nach einer Weile spürt sie jedoch, dass auch dieses Leben seine Schattenseiten hat. Den anonymen Hotelzimmern kehrt sie den Rücken zu, als sie der Hamburger Kiez-Größe Dieter Bockhorn (David Scheller) begegnet. Mit ihm will sie auf eine abenteuerliche Weltreise gehen.

Es war sicherlich ein Wagnis, die Hauptrolle mit der nur wenig bekannten Natalia Avelon zu besetzen. Gott sei Dank, kann man im Nachhinein nur sagen, besitzt die 26jährige doch nicht nur rein äußerlich eine verblüffende Ähnlichkeit mit „der Obermaier“. Auch in Stimmlage und in ihrem Auftreten kommt sie der 68er-Ikone sehr nahe. Es dürfte sich um keine wagemutige Prognose handeln, wenn man Avelon nach diesem Film eine große Zukunft im Filmgeschäft voraussagt. Überhaupt gehört die Besetzung zu den Trümpfen dieser Produktion. Shooting-Star Matthias Schweighöfer – demnächst als Flieger Manfred von Richthofen in Der rote Baron zu sehen – verkörpert den streitbaren und exzentrischen Rainer Langhans auf eine von dem Original kaum mehr zu unterscheidende Art. Und auch David Scheller, Alexander Scheer und Victor Norén meistern die Schwierigkeit, in die Haut realer Persönlichkeiten schlüpfen zu müssen, die uns zumindest im Fall der beiden Stones aus Tausenden Aufnahmen bekannt erscheinen.

Regisseur und Co-Autor Achim Bornhak – selber Jahrgang 1969 – nähert sich den Lebenserinnerungen der Uschi Obermaier zunächst aus einem merklich ironischen Blickwinkel. Das bedeutet nicht, er würde die Gefühle seiner Protagonisten nicht ernst nehmen oder ihre Motive belächeln, vielmehr nimmt er der 68er-Bewegung vor allem in den Szenen rund um die „Kommune 1“ einen Teil ihrer unnahbaren Aura. Langhans hatte – so wie es Obermaier erfahren musste – letztlich ebenso wie alle anderen mit der Diskrepanz zwischen theoretischem Anspruch und praktischer Umsetzung zu kämpfen.

Erst nachdem das Liebespaar Obermaier und Bockhorn in Richtung Indien aufbricht, ändert sich der Tonfall. Das nostalgisch eingefärbte, anekdotenhafte und deswegen zuweilen etwas oberflächliche Erinnern tritt in den Hintergrund, die Stimmung wird nachdenklicher, erwachsener. Das wilde Leben verwandelt sich in eine straighte Liebesgeschichte. Die Bühne gehört nun ganz den beiden, die gemeinsam die Welt entdecken wollten. Das liest sich spannender, als es tatsächlich ist. Denn Bornhaks Film besitzt seine Stärken weniger im Bereich des Melodramatischen. Ohne ironische Zwischentöne fehlt das Salz in der Suppe. Aufgrund der kurzweiligen ersten Stunde ist dieses Leben aber zumindest einen Blick wert.

Marcus Wessel

 

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1968. Es ist die Zeit der Studentenrevolution und des Oswald Kolle. Es gibt genügend Leute, Junge und Alte, die die hergebrachte Ordnung ändern wollen. Emanzipation, Freiheit, Sex, Hasch oder Koks, Abschaffung der alten Strukturen, heißt die Parole.

Uschi Obermaier, 18jähriges Mädchen aus München-Sendling, aus einfachsten Verhältnissen kommend, aber bildschön, lässt sich von der neuen Zeit anstecken. Sie versucht sich schon erfolgreich als Fotomodell, aber sie will mehr. Sie reißt von zuhause aus, schließt sich per Zufall umherziehenden Musikern an und landet in Berlin. Dort wird sie Mitglied der berühmten Kommune 1, in der Leute wie Rainer Langhans den Ton angeben. Sie wird Langhans’ Geliebte. Die nächste Station ist London, wo sie mit Keith Richards von den Rolling Stones zusammen ist. Dann Hamburg. Der König des Kiez Dieter Bockhorn hat es ihr angetan. Zwei eigensinnige Individuen prallen aufeinander. Aber sie lieben sich. Uschi lässt einen Zehnjahresvertrag mit Carlo Ponti auffliegen.

Bockhorn lässt alles hinter sich, um mit Uschi in einem Wohnbus um die Welt zu reisen: Pakistan, Indien, Mexiko. Ein paar Jahre lang. In Indien gelingt es Bockhorn, eine Maharani zu beschwatzen, denn er hat sich als Prinz vom Kiez ausgegeben. Also ist Uschi eine Prinzessin. Deshalb richtet die Maharani für die beiden eine Hochzeit mit allem denkbaren Prunk aus.

Es gibt immer wieder Differenzen, manchmal sogar Trennungen, die meist die „freie Liebe“ mit sich bringt. In Mexiko rast Bockhorn 1984 mit dem Motorrad in den Tod. Ob es ein Selbstmord oder ein Unglück war, weiß niemand. Von da an zieht sich Uschi Obermaier total zurück. Sie lebt heute als Schmuckdesignerin in Kalifornien.

Es ist eine formal und technisch reibungslos über die Bühne gehende, allerdings reichlich kino-geschönte, sehr auf Effekt gemachte Lebenserzählung. Die Elternhaus-Situation, die Kommune-1-Geschichte mit einigen guten Dialogen, das Londoner Musik-, Party- und Koks-Milieu, die mehrjährige abenteuerliche Asien-Reise und die Tragödie in Mexiko – sie könnten jungen Zuschauern, die damals noch nicht geboren waren, immerhin ein ungefähres Bild davon vermitteln, wie seinerzeit die Aufbruchstimmung war. Uschi Obermaier steht da symptomatisch für eine ganze Zeit, eine ganze Generation.

Mit der Hauptdarstellerin, der schönen Natalia Avelon, und David Scheller, der den Bockhorn spielt, hatte man großes Glück. Sie spielen ihre Rollen nuanciert und lebendig. In Filmkunsttheatern und Programmkinos möglich.

Thomas Engel