Coco Chanel

Zum Vergrößern klicken

Nachdem vor nicht allzu lange Zeit das Leben Edith Piafs verfilmt wurde, steht nun in „Coco Chanel – Der Beginn einer Leidenschaft“ Frankreichs einflussreichste Modedesignerin des 20. Jahrhunderts im Mittelpunkt einer aufwändigen Kinoproduktion. Regisseurin Anne Fontaine war daran gelegen, kein gewöhnliches „Biopicture“ zu inszenieren. Daher beschränkt sich ihr Film auf die Lehrjahre Coco Chanels und ihre ersten, widersprüchlichen Beziehungen zu reichen Verehrern und Förderern.

Webseite: www.cocochanel-derfilm.de

OT: Coco avant Chanel
Frankreich 2009
Regie: Anne Fontaine
Drehbuch: Anne Fontaine, Camille Fontaine
Darsteller: Audrey Tautou, Benoît Poelvoorde, Alessandro Nivola, Marie Gillain, Emmanuelle Devos
Laufzeit: 110 Minuten
Kinostart: 13.8.2009
Verleih: Warner
 

PRESSESTIMMEN:

Hauptdarstellerin Audrey Tautou porträtiert die spätere Designerin souverän als opportunistisches Biest und charismatische Kämpferin zugleich.
DER SPIEGEL

FILMKRITIK:

Sie als Stil- und Modeikone des 20. Jahrhunderts zu bezeichnen, greift eigentlich fast schon zu kurz. Schließlich war Gabrielle „Coco“ Chanel weit mehr als das. Mit ihren schnörkellosen und zugleich eleganten Entwürfen, darunter das inzwischen legendäre Chanel-Kostüm, revolutionierte sie nicht nur die Mode, sondern auch das Selbstverständnis vieler Frauen. Sie kreierte das „kleine Schwarze“, ließ sich für ihre Damenkollektionen von funktionaler Männermode beeinflussen und kürzte die Röcke auf eine für die damalige Zeit skandalöse Länge. Damit wandte sie sich in den 1910er und 1920er Jahren offen gegen das herrschende Modediktat, das Frauen vornehmlich als dekoraktives, in ein Korsett eingeschnürtes Anhängsel ihrer Ehemänner behandelte.

Die in Chanels Heimat Frankreich bereits im Vorfeld viel beachtete und diskutierte Produktion interessiert sich allerdings nur sehr eingeschränkt für die sozialen und kulturellen Auswirkungen dieser Mode-Revolution. Vielmehr lenkt Regisseurin Anne Fontaine den Blick ganz auf die Person Coco Chanels und ihre mitunter recht widersprüchlichen Beziehungen. Audrey Tautou, die den Beinamen „Amélie“ wohl niemals mehr ablegen dürfte, nahm die mit allerlei Stolpersteinen verbundene Herausforderung an, einer nationalen Berühmtheit Gesicht und Stimme zu leihen. Soviel Mut brachte Kollegin Marion Cotillard zuletzt immerhin einen Oscar ein. Dass Tautou diesem Beispiel im nächsten Jahr folgen wird, darf zumindest bezweifelt werden. Dafür verblasst ihr Auftritt als strenge Selfmade-Woman am Ende doch zu schnell.

Aufgewachsen in einem Waisenhaus tritt Coco zunächst zusammen mit ihrer Schwester Adrienne (Marie Gillain) in einem eher schmucklosen Varieté auf, wo sie den gut situierten Adeligen Étienne Balsan (Benoît Poelvoorde) kennenlernt. Dieser sieht in ihr nur eine willige Gespielin, die ihm stets zu Diensten sein sollte. Anfangs verleugnet er Coco gar vor seinen Freunden und Bekannten. Das lässt sich die unangepasste, nach außen stets selbstsichere junge Frau allerdings nicht lange bieten. Fest entschlossen, sich ihren Platz in der vornehmen Gesellschaft zu erkämpfen, weckt sie mit ersten, kleineren Entwürfen wie einem schlichten und doch eleganten Hut die Aufmerksamkeit und das Interesse der reichen Damen für ihren unverwechselbaren, inzwischen legendären Stil.

Als sie sich schließlich in den englischen Unternehmer Arthur Capel (Alessandro Nivola) verliebt, wird aus „Coco Chanel – Der Beginn einer Leidenschaft“ eine klassische Dreiecksgeschichte, in der sich Eifersüchteleien, Misstrauen und flüchtige Momente des Glücks untereinander abwechseln. Bewusst vermied Fontaine es, Chanels beruflichen Werdegang als gewöhnliches, chronologisch geordnetes Biopic zu verfilmen. Die Konzentration auf die sicherlich prägenden Lehrjahre erscheinen im Nachhinein mehr als eine Hinführung auf den Teil ihres Lebens, der sich mit dem Abspann ankündigt und den sie als öffentliche Person verbrachte. Dass der Film den Ursprung des Chanel-Stils an nur wenigen Schlüsselerlebnissen festmacht, mag nicht immer ganz den Tatsachen entsprechen. In jedem Fall versprüht diese Form der eher beiläufigen „Spurensuche“ Chanel-typisches Understatement.

Davon abgesehen bietet „Coco Chanel“ vor allem elegantes, prachtvolles Ausstattungskino, bei dem die zarte Audrey Tautou bisweilen verloren zu gehen droht. Inmitten der opulenten Sets, die das Auge umschmeicheln, ist desöfteren kein Platz mehr für sie. Auch lässt das amouröse Beziehungsgeflecht die nötige Leidenschaft und Intensität vermissen, weshalb der mehrfach an Coco gestellte Vorwurf, sie habe ein Herz aus Stein, so auch auf Fontaines Film gemünzt sein könnte.

Marcus Wessel

Chanel Nr.5 war lange Zeit das am meisten verwendete Parfum der Welt. Also muss an Coco Chanel schon etwas Besonderes gewesen sein. Wie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ihr Lebensweg war, was sie erdulden musste, was sie ausprobierte, wie sie ehrgeizig war, wie sie liebte, was sie erreichte versucht dieser Film zu schildern.

Sie wuchs im Waisenhaus auf, versuchte sich in der Provinz mit ihrer Schwester Adrienne in billigen Bars als Sängerin, war später Näherin und Hutmacherin, bis sie schließlich in Paris als Designerin eines besonderen, elegant-einfachen, klassischen Stils überwältigenden Erfolg hatte.

Kennzeichnend für sie waren ihre ständigen Ambitionen. Sie wollte ihre schwere Vergangenheit verdrängen, wollte hoch hinaus. Was das Geradeaus auf diesem Weg verhinderte, waren ihre Liebesaffären. Ihr erster Mann hieß Etienne Balsan, ein Baron mit Schloss, Bediensteten, Pferden. Sie diente ihm als Mätresse, von Liebe konnte keine Rede sein. Aber sie führte bei ihm ein angenehmes Leben, kleidete sich schön, ritt aus, wann sie wollte, nahm an Festen teil, hatte eine Freundin, ging zu Pferderennen. Zu Zerwürfnissen mit Balsan kam es wegen ihres Eigensinns.

Ihre große Liebe aber war der Brite Boy Capel. Doch der kam bei einem Autounfall ums Leben. Zeit der Trauer.

Sie entschloss sich, ihre ziellose Existenz aufzugeben. Paris war dann der Ort ihres glänzenden und anhaltenden Erfolges.

Hervorzuheben bei dieser filmischen Biographie wäre die treffende Charakterisierung des unsteten Lebens der Chanel zumindest in dessen erster Hälfte, die gepflegte, sehr sorgfältige und ziemlich umfassende Zeichnung des jeweiligen Milieus und der Massenszenen – z.B. Kleidung, Schmuck, Hüte – sowie die Darstellung der Coco durch Audrey Tautou. Sie hat sich in die diffizile Persönlichkeit gut hineinversetzt, entsprechend gelungen sind ihre ständige Präsenz und ihr Spiel.

Glaubhaft jedoch auch Benoit Poelvoorde als Balsan, Alessandro Nivola als Boy Capel, Marie Gillain als Cocos Schwester Adrienne und Emmanuelle Devos als Freundin Emilienne.

Thomas Engel