Congo River- Beyond Darkness

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Dem Lauf des Kongos folgt Thierry Michel in seiner exzellenten Dokumentation und zeichnet dabei ein vielschichtiges Bild der Demokratischen Republik Kongo. Angereichert mit alten Dokumentaraufnahmen ist die größte Qualität des Films sein vollständiger Verzicht auf ethnische Klischees, vor allem der im westlichen Blick auf Afrika so beliebten Betonung des Gegensatzes Schönheit der Natur/ brutale Gesellschaften.

Webseite: www.kairosfilm.de

Belgien/Frankreich 2005
Regie: Thierry Michel
Kamera: Michel Téchy
Schnitt: Maria Quinton
Musik: Lokua Kanza
116 Minuten, Format 1:1,85
Verleih: Kairos
Kinostart: 7. Dezember

PRESSESTIMMEN:

Der facettenreiche Film vermittelt eine Vielzahl widersprüchlicher Eindrücke, wobei er trotz der bedrückenden politischen Gegenwart an die Hoffnung und den Glauben an die Zukunft appelliert.
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FILMKRITIK:

Die Reise den zweitlängsten Fluss der Erde hinauf beginnt im Delta des Kongos am Atlantik. In dem von Bürgerkriegen zerrissenen Land, in dem Straßen und Eisenbahn kaum funktionsfähige Fortbewegungsmittel darstellen, kommt dem Kongo eine enorm wichtige Funktion zu. Auf abbruchreifen Barken, von unzuverlässigen Motoren angetrieben, machen sich Menschen, oft mit ihrem gesamten Hab und Gut bepackt, auf die beschwerliche Reise ins Landesinnere. Unter dem Ansturm der Massen verwandeln sich die Barken, die sich im Schritttempo gegen die Strömung bewegen, in eine kleine Siedlung. Es wird gekocht und gearbeitet, Kinder spielen und ein kleiner Zoo von Schafen, Ziegen und sogar Kühen hofft darauf, nicht ins Wasser zu fallen. Angesichts der Bedingungen sind Schiffsunglücke an der Tagesordnung und so ist eines der ersten Bilder in Thierry Michels Film, dass von aufgedunsenen Leichen.

Schon hier zeigt sich, dass der belgische Regisseur sich nicht dem Klischee der durchschnittlichen Afrika-Dokumentation hingibt und den grausamen Alltag zum archaischen Gegenbild der überwältigenden Landschaft stilisiert. Wenn Michel von Flugzeug aufgenommene Bilder des gigantischen Flusses und später des dichten, satt grünen Dschungels einschneidet, dann wird die Größe der Natur nicht durch pathetische Musik betont. Diese Landschaft ist einfach beeindruckend; sie steht für sich selbst.

Und ebenso neutral, aber nicht kühl distanziert beobachtet er auch das Leben auf dem Fluss, wie an seinen Ufern, dass er in Exkursionen immer wieder aufsucht. Auf exemplarische Weise entsteht so ein Bild des Kongos, geprägt von Kolonialgeschichte, Versuchen der Demokratisierung, die immer wieder durch neue Bürgerkriege im Keim erstickt werden und den Folgen der Gewalt. So besucht Michel etwa eine der größten Forschungseinrichtungen Zentralafrikas, in der hunderttausende Pflanzen- und Tierarten archiviert sind, wertvolle Schätze, die mangels finanzieller Möglichkeiten langsam verfallen. Man sieht die Ruinen der Gebäude, die sich der ehemalige Diktator Mobutu Sese-Seko in den Urwald hat bauen lassen, die wie bizarr anmutende Symbole eines größenwahnsinnigen Irren wirken. Und immer wieder Prediger, die den Menschen mit absurden Versprechungen von materiellem und geistigem Reichtum das letzte Geld aus der Tasche ziehen.

Die surrealste Begegnung hatte Michel schließlich mit einem General der Mai-Mai Rebellen, der sich in seiner Dschungelfestung als Bibelfester Prophet geriert und die Gräueltaten die seine Milizen – ebenso wie die offiziellen Truppen – verüben mit Bibelstellen begründet. Doch trotz der erschütternden Aufnahmen von unzureichend versorgten Kranken, die an der von der Tse-Tse Fliege verbreiteten Schlafkrankheit leiden und den von ihren Familien verstoßenen Opfern von Massenvergewaltigungen ist Congo River kein nihilistisches Portrait Afrikas, das sich der Hoffnungslosigkeit hingibt.

Ohne die kargen Lebensbedingungen zu romantisieren zeigt Michel die Schönheit des Landes und seiner Bewohner und endet seinen Film in einem geradezu poetischen Moment an der Quelle des Kongos. Hier plätschert der Fluss noch völlig unberührt vor sich hin, ohne das Wissen um all das, was ihm auf seinem langen Weg zum Atlantik begegnen wird.
 

Michael Meyns